Kapitel 45

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Ron

Ich wagte nicht zu atmen. Es war als könne jeder Atemzug Roses Leben um einen Moment verkürzen. Mehr und mehr, bis sie mir vor den Augen entschwand. Es war zu spät, um jetzt einen Fluchtplan auszuhecken.

„Patricia? Sind sie das?", wimmerte Rose und kniff die Augen zusammen, um etwas besser sehen zu können, was bei ihrer Kurzsichtigkeit jedoch nicht viel half.

„Ich bin nicht Patricia!", schrie Robin und hieb Rose die Pistole über den Hinterkopf. Das ging zu weit. Den kurzen Moment, in dem Robin die Fassung verloren hatte, nutzte ich aus, um sie an den Armen zu greifen und zu Boden zu schleudern. Doch Robin war nicht alleine.

Ganz plötzlich tauchten aus den Schatten noch mehr Anhänger auf und griffen mich an. Ich konnte sie mit der Haarspraydose recht gut abwehren, doch dafür hatte ich Robin vollkommen aus den Augen verloren. Und mit ihr auch Rose. Um mich herum lagen ihre Kumpanen am Boden.

Einige zuckten noch in seltsam ausgearteten Krampfanfällen, während andere nur hustend in einer Ecke standen und sich nicht rühren konnten. Ich schnupperte an der Flasche und erkannte den Geruch. Es roch leicht süßlich, doch es war unverkennbar. In dieser Flasche schien sich eine Mixtur aus Chloroform zu befinden, das mit Pfefferspray versetzt war, was den stechenden Beigeruch erklärte. Diese Mixtur konnte jeden Angreifer mit hundertprozentiger Sicherheit für einige Zeit außer Gefecht setzen. Eine schlaue Erfindung.

Damit hatte sich auch bestätigt, dass Pietro ganz sicher nicht an meinem Angriff erlegen war, denn in so kleinen Mengen wirkte Chloroform nicht tödlich. Das wusste ich noch von damals aus dem Chemieunterricht.

Ich lauschte in die Gänge, um eine Spur von Robin zu erhaschen, brauchte aber erst einmal eine Weile, bis ich überhaupt mehr hören konnte, als meinen rasselnden Atem und das Husten der Geschworenen. Robin stand etwas abseits, Rose an den Haaren gepackt und grinste.

„Nicht schlecht, mein Großer!", lachte sie, „Mach nur so weiter, verschleudere deine ganze Energie, vielleicht hast du dann ja doch noch eine Chance gegen mich."

Ich ging langsamen Schrittes auf sie zu und Rose wimmerte vor Angst. Ich behielt Robin im Auge, als ich vor Rose in die Hocke ging und meine Stirn an ihre drückte.

„Hab keine Angst", sagte ich ihr, zitterte aber selbst am ganzen Körper, dann griff ich noch einmal nach der Dose, die ich aus Robins Zimmer geklaut hatte und wollte Robin damit gerade außer Gefecht setzen, als ich bemerkte, dass sie leer war. Ein Augenblick peinlicher Stille, dann schüttelte ich die Flasche, doch es kam nichts heraus.

„Wie goldig", kicherte Robin, „Goldig, aber vollkommen zwecklos. Du kommst nicht darum herum, es ihr zu sagen, Ronnieboy!"

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. „Du wirst nicht schießen!", rief ich verzweifelt, „Das könntest du gar nicht!"

„Sicher?", fragte Robin mit erhobener Augenbraue, senkte den Revolver und schoss so knapp an Rose vorbei, dass ich mich gerade noch beherrschen konnte, nicht in Tränen auszubrechen vor Schreck.

„Okay, okay! Ich glaube dir ja schon!"

„Sag es ihr!"

„Ich... ich... ich...", meine Stimme versagte und wenn ich schluckte, spürte ich nur ein schmerzhaftes Ziehen im Rachen.

„Ron?", wimmerte Rose, „W... was sollst du mir sagen?"

Ich zitterte, wusste nicht, was ich tun sollte, sortierte die Worte in meinem Kopf, doch als ich sprechen wollte, kamen nur unverständliche Silben heraus.

„Na komm schon, Junge! Raus damit! Du hast doch sonst immer so eine große Klappe!"

Ich blieb noch immer still, doch nun wurde es der jungen Frau zu dumm. Sie klappte mit kalter Miene die Trommel ihres Revolvers auf, nahm alle Kugeln bis auf eine heraus, klappte sie dann wieder zu und drehte sie einmal herum, sodass man nicht wusste, in welcher Kammer die Kugel steckte und somit auch nicht wusste, wann sich ein Schuss löste, wenn man den Abzug drückte.

Courageous Sam - Quer durch Los AngelesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt