Kapitel 7

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Als die Lumbridenta sie fast erreicht hatte und Ylvi und Kilian anfingen, an Tempo zu verlieren, drehte Faith sich während des Laufens ihr Katana ziehend abrupt um und schlitterte durch den Schwung noch einige Demanicem weiter, bevor sie endgültig stehen blieb. „Ylvi! Notfallplan! Schieß dem Vieh einen Bronzepfeil in sein Gott verdammtes Auge!", befahl Faith schreiend, ihr dunkler Ton ließ keine Widerrede zu.
Faith nahm Ylvis Schritte wahr. Ihre kleine Wölfin wusste sofort, dass sie sich einen sicheren Platz suchen musste. Kilian hingegen bewegte sich nicht von der Stelle, während sie versuchte, die Lumbridenta in Schach zuhalten. Doch plötzlich bewegte diese sich rasend schnell auf den erstarrten Prinzen zu, in welchem sie wohl eine leichtere Beute sah.
Ruckartig riss Faith sie Arme hoch, wodurch sich eine Flammenwand zwischen Kilian und dem Skugga erhob, welcher augenblicklich versuchte anzuhalten. Dies funktionierte jedoch nicht schnell genug, so dass es sich starke Brandverletzungen zuzog. Zumindest deutete sie den qualvollen Aufschrei der Bestie, das dröhnende Zischen des Feuers und den beißenden Geruch verbrannten Fleisches so.

„Verdammt Kilian, lauf weiter!", schrie die Kämpferin ihm zu, als sie eine kurze Pause bekam, weil die geschwächte Bestie sich nach ihrem Frontalangriff erst wieder mit dem gesamten Körper zu ihr drehen musste.
Daraufhin verrieten ihr die ungleichmäßigen, sich entfernenden Schritte, dass Kilian sich nun stolpernd von dem Geschehen entfernte. Dadurch beruhigt richtete Faith ihre volle Aufmerksamkeit der wieder angreifenden Lumbridenta.

Jedes noch so kleine Geräusch half ihr, den permanenten Angriffen auszuweichen. Nach einigen Minuten bemerkte Faith das sich wiederholende Muster ihrer Angriffe. Zuerst stieß sie nach vorne in Faith Richtung, dann stellte sie sich senkrecht auf und ließ sich ungebremst zu Boden fallen, wobei sie immer wieder Bäume umriss, was ein lautes Krachen verursachte. Danach versuchte die Lumbridenta wieder nach ihr zu schnappen. Diese Regelmäßigkeit vereinfachte die lebensbedrohliche Situation stark. Allerdings bereitete der saure Geruch Faith ihre Konzentration senkende Kopfschmerzen, so dass sie den Angriffen nur noch mühevoll entkam.

Faith setzte wieder zum Sprung an, da sie dachte, die Bestie würde weiter ihrem Angriffsmuster folgen. Doch auf einmal vernahm sie, wie diese Riesenschlange sich langsam im Kreis um sie schlängelte. Dadurch irritiert hielt Faith in ihrer Handlung inne und lauschte den Geräuschen genau. Immer weiter schloss die Bestie sie ein, kam ihr näher. Plötzlich ertönte hinter ihr ein sich auf sie zu bewegendes Zischen. Abrupt warf Faith sich auf den Boden, um dem in Gift getränkten Stachel zu entkommen.
Als dieser über sie hinweg flog, streifte Faith die schleimige Schuppenhaut des Skugga. Angewidert von dem kalten an ihrer Haut klebendem Schleim schüttelte sich leicht. Doch viel Zeit blieb ihr nicht, denn schon wieder ließ die Bestie ihren Stachel auf sie niedersausen, weshalb sie sich nach links rollte. Dieses Spiel setzte sich noch eine Weile fort. Die Lumbridenta schrie immer wieder missgelaunt auf, weil ihr Blutdurst nach der ihr verwehrt bleibenden Befriedigung gierte.

Nach einer Ewigkeit nahm sie ihre Rettung wahr. Die erlösenden Pfeile hagelten gezielt auf den Skugga nieder, solange, bis die wütenden Klagelaute der Lumbridenta verklangen, was bedeutete, dass Ylvi ihr Auge getroffen hatte. Erschöpft ließ Faith sich langsam zu Boden gleiten, ihr rasselnder Atem schlug gegen ihre Beine, als Faith diese an ihren Körper zog. Faith Katana viel scheppernd neben ihr zu Boden. Und dann hörte sie es. Die sich eilig nähernden Schritte ihrer Freunde. Als ihr schließlich klar wurde, dass die Gefahr vorüber war, legte sie ihren Kopf freudig lachend in den Nacken und ließ sich von dem aufkommenden Windhauch die Haare aus dem Gesicht streichen.

„Faith! Geht es dir gut? Bei Gott, wenn es dir nicht gut geht, bring ich dich eigenhändig um! Wie kannst du mir nur so etwas antun?", kreischte Ylvi angstverzerrt, während sie sich gemeinsam mit Kilian neben ihr auf den Boden hockte.
Faith fühlte Ylvis zarte Hände an ihrem Gesicht, die sie nach Verletzungen absuchten. „Super Schuss, Wölfchen", versuchte Faith von dem Thema abzulenken, da sie sich gerade so hilflos und nutzlos fühlte.
Doch ihr Versuch war vergeblich, denn die Jugendliche wies sie sofort zurecht: „Danke, das habe ich auch schon bemerkt. Ich wollte aber wissen, ob du verletzt bist, und keine Einschätzung meines Schusses hören."
Gespielt gleichgültig richtete die Frau sich auf und meinte: „Soweit ich weiß, ist noch alles an mir dran. Also lasst uns weiter, damit wir endlich aus diesem Wald kommen."

Einen Moment war es still. Man hörte nur das Knirschen der aneinander schlagenden Äste. Die Stille war bedrückend, doch dann nahm Faith das Beben von Ylvis noch immer auf ihren Armen liegenden Händen wahr. Verwundert wollte Faith sie fragen, was denn los war, als diese plötzlich in lautes Gelächter ausbrach. „Leider muss ich Ihnen eine schreckliche Nachricht überbringen. An Ihnen ist eindeutig nicht alles dran, dies war aber schon vor dem Vorfall der Fall. Ihre Oberweite war nämlich noch nie vorhanden", presste Ylvi unter Lachen hervor, in dem Versuch, die Stimmung etwas anzuheben.
Nach dieser Aussage konnte Faith auch das erste Mal wieder ein von Kilian ausgehendes Geräusch vernehmen. Der Prinz prustete lauthals los.

Sie selbst aber war nicht in der Lage dazu, sich ein Lächeln abzuringen. „Ha ha ha, wie lustig. Ich kann nicht mehr", nüchtern ahmte sie ein Lachen nach, doch verstärkte dies deren Gelächter nur noch mehr.
„Der hat gesessen. Zumindest verliert sie nicht mal wenn es um Leben und Tod geht ihren Humor", redete Faith leise vor sich hin, so dass keiner sie verstehen konnte.

Entschlossen stand die vom Kampf erschöpfte Frau schließlich vom Boden auf und ging in die Richtung, aus welcher sie den lieblichen und sanften Hauch des Lebens verspürte. Es war fast so, als würde Faith von unsichtbaren Fäden dorthin gezogen werden. In Faith stieg langsam die Vorfreude, schließlich konnte sie endlich diesen Ort voller Kälte, die drohte einen von innen heraus erfrieren zu lassen, verlassen. „Kommt ihr? Ich möchte ungern länger neben einem toten Skugga verweilen, die stinken ziemlich", rief Faith den Lachenden zu, während sie schon wieder zwischen den ersten Bäumen hindurch tänzelte.
Auf der Stelle hörte sie die Beiden aufspringen und zu ihr sprinten, weshalb sie unterdrückt in sich hinein lachte.

„So, lasst uns uns in die nächste Gefahr stürzen!", forderte Faith ihre Begleiter geschwollen auf. Diese besahen sie daraufhin nur skeptisch und verständnislos, da sie dachten, dass sie außer Gefahr waren, sobald sie das Land der Finsternis verlassen würden. Faith aber ignorierte die Blicke und setzte unberührt ihren Weg fort. Mit jedem Schritt spürte sie, wie ihre Umgebung lebendiger wurde. Sie spürte vereinzelte, sich durch den toten Boden an die Oberfläche kämpfende Grashalme und einsame Pilze, welche auf den abgestorbenen Bäumen wuchsen. Immer weiter schritt Faith voran. Nachdem sie kurz überprüft hatte, ob Ylvi und Kilian ihr noch immer folgten, lenkte sie ihre volle Aufmerksamkeit auf ihre Empfindungen.

Sie konzentrierte sich auf das zart pulsierende Band und wurde sofort von der Freude und der Lebenskraft der Natur übermannt. Vor ihnen lag ein von saftigem Gras bewachsenes Tal, in dem verschiedenste Tiere lebten. Einige Rehe grasten in der Nähe eines von Fischen bewohnten Sees. Hasen tollten im dichtem Unterholz herum. Vögel nisteten in den von Laub verdeckten Baumkronen und sangen unbeschwerte Lieder. Ein sanfter Wind setzte ihr den frischen Geruch der vom Tau feuchten Wiese und des Waldes in die Nase. Sie roch die vielen Blumen und den herben Geruch der Baumrinde im Kontrast zu dem süßen von den Bienen produziertem Honig. Sie war überwältigt.

Kilian weckte sie aus ihrer Schwärmerei, indem er sanft ihre Schulter berührte und besorgt nachhakte: „Faith, ist alles in Ordnung?"
Verwirrt hob sie ihren gesenkten Kopf leicht an und musste sich erst Kilians Frage bewusst werden, bevor sie antwortete: „Natürlich, was sollte denn sein?"
Belustigt über Kilians verdutzten Blick gluckste Ylvi. „Das musst du nicht verstehen, Prinzchen. Ist so ein Magier-Ding."
Zuerst wollte Faith die Sache richtig stellen, doch als sie Kilians Empörung bemerkte, blieb sie still. Die nun wieder entstandene Stille genießend machte Faith sich auf den Weg nach Marum.

Blind - Decline of the ShadowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt