-Grayson-
Es wurde schon hell, als das Gewitter endlich weiterzog und wieder Ruhe einkehrte.Erleichtert öffnete ich ein Auge ein wenig und schrecke auf, als ich nur den Stoff eines Pullovers sah.
Komplett verwirrt sah ich Tom an, der müde an der Boxentür lehnte, mich jetzt aber abwartend betrachtete.Das konnte nicht sein.
Ich konnte es nicht glauben.
Ich wollte nicht glauben, dass ausgerechnet TOM mir aus meiner Panikattacke geholfen hatte!
„Bist du wieder okay?", fragte er mich fürsorglich.
Warum bitteschön war er immer so lieb zu mir?
Verdutzt löste ich mich aus seinen Armen und rutsche neben ihn und lehnte mich ebenfalls an die Boxentür. Ich atmete tief durch und nickte als Antwort. Ich war ihm definitiv eine Entschuldigung schuldig.„Warum machst du das?" Ich sah, wie er verwirrt die Stirn runzelte.
„Warum mach ich was?"
„Naja...", fing ich zögerlich an und musste erstmal tief Luft holen. „Ich war von Anfang an so unbeschreiblich blöd zu dir, hab dich nur angeschnauzt und dir sogar, ohne überhaupt dieser Meinung zu sein, vorgeworfen, uns alles nur vorzuspielen!"
Während ich anfing zu erklären, kamen echte Reuegefühle in mir auf und mit jedem Wort wuchs der Kloß in meinem Hals.
„Und du..." Ein ungewollter, heftiger Schluchzer unterbrach mich und sofort spürte ich Toms beruhigende Hand auf meiner Schulter.„Hey, was ist los mit dir?", fragte er mich vorsichtig und ehrlich besorgt.
Ich schniefte erstmal und atmete zitternd aus.„Weißt du", fing ich an und suchte nach den richtigen Worten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Tom mich geduldig beobachtete.
„Es war noch nie jemand so lieb zu mir wie du. Nichtmal meine Eltern. Klar, sie lieben mich, ich bin ihr Sohn! Aber das ist das Problem. Ich bin ihr Sohn und das zieht ein paar, für meine Eltern, Selbstverständlichkeiten mit sich. Zum Beispiel, dass ich als Sohn der Sandringhams grundsätzlich besser bin als die anderen. Das wurde mir von klein auf so beigebracht, aber ich habe es nie verstanden."
Ich schaute Tom an und wollte wissen was er dachte, aber so tief ich auch in seinen Augen forschte, ich fand nichts.
Im Gegenteil!
Sein Blick schüchterte mich ein und bewegte mich dazu, mit meiner Erklärung fortzufahren.
„Ich habe auch nie verstanden, warum ich aus der Schule mit keinem befreundet sein durfte. Ich hab mich Stück für Stück abgeschottet, weil ich meinen Vater nicht enttäuschen wollte."
Ich sah ihm direkt in die Augen.
„Und wurde langsam, aber sicher, von Traurigkeit und Verbitterung eingenommen."
Es entstand eine Ruhe, in der wir uns gegenseitig forschend musterten. Aber es war keine unangenehme Stille. Im Gegenteil. Ich dankte Tom still dafür, dass er zuhörte und er dankte mir still, dass ich ihm alles erzählte.
Mir war es plötzlich auch vollkommen egal vor ihm zu weinen.„Und dann hast du versucht dich hinter den Mauern der Unfreundlichkeit und Abweisung zu verstecken.", schlussfolgerte er völlig richtig und ich nickte bedrückt.
„Deswegen war ich auch immer so zu dir.", erklärte ich weiter. „Das war schon aus Gewohnheit. Manchmal hab ich Sachen gesagt, die ich eigentlich nicht sagen wollte, die aber wie selbstverständlich rausgerutscht sind."
Tom nickte verständnisvoll.
„Und es tut mir leid.", brachte ich schließlich raus. „Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich dich so blöd behandelt habe, weil eigentlich hab ich dich echt gerne.", ratterte ich zum Abschluss und konnte nicht fassen, dass ich ihm das gerade alles erzählt hatte.
Ich, Grayson, hatte eben, für eine fremde Person, meine Maske fallen lassen!
„Danke, dass du mir das erzählt hast."
Hatte Tom meine Gedanken gelesen?
Würde mich nicht wundern.
Für ihn war ich sowieso wie ein offenes Buch. Eigentlich gruselig...„Darf ich dich was fragen?", holte Tom mich aus meinen Gedanken.
„Klar!" Interessiert schaute ich ihn an und fragte mich, warum er so vorsichtig die richtigen Worte suchte.
„Warum hast du so Angst vor Gewittern?"
Jegliche Freude wich aus meinem Körper und ich wandte den Blick ab. Mein Hals schnürte sich zu und ich hatte nur noch ein Bild vor Augen; Feuer. Feuer, wohin ich auch schaute.
„Grayson? Alles gut?", ließ Toms wiedermal sorgenvolle Stimme die Erinnerungen verblassen.
„Tut mir leid...du musst es mir nicht erzählen..." Ausweichend blickte er auf seine Hände.
„E-es liegt nicht an dir, Tom.", sagte ich und versuchte meine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. „I-ich bin mental gerade nicht in der Lage, darüber zu reden..."
Entschuldigend schaute ich zu ihm.
Er lächelte mich aufmunternd an.„Schon gut, ich nehme es dir nicht übel.", zwinkerte er.
Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.
Ich konnte es nicht fassen. Wann war ich das letzte Mal einfach ohne besonderen Grund so glücklich?„Aber wenn du mal jemanden zum Reden brauchst", meinte Tom. „dann bin ich für dich da."
„Sogar nach dem, wie ich mit dir umgegangen bin?"
„Ohne Vergebung ist kein Glück möglich."
Oh ja, er war ein besonderer Mensch.
Und jetzt konnte ich ihn sogar meinen Freund nennen.
Daran würde auch mein Vater nichts ändern können.