Kapitel 10

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-Grayson-

Ja, komm, ist gut.

Das ganze hab ich mir schon so oft anhören müssen, es hing mir zu den Ohren raus.

„Du bist verantwortungslos, unzuverlässig, schlampig und mir würde noch vieles einfallen!"

Das soll mein Vater sein? Ich dachte Eltern lieben ihre Kinder. Wenn man etwas falsch gemacht hat ist eine Zurechtweisung ja vollkommen angemessen, aber mein Vater muss immer übertreiben.

„Hörst du mir überhaupt zu?", schüttelte er mich fest an den Schultern. Am liebsten hätte ich wie ein kleines Kind laut aua geschrien, aber das ließ ich dann doch lieber bleiben.

Ich saß im Arbeitszimmer meines Vaters auf einem Stuhl, während er vor mir wie ein lauernder Luchs auf und ab ging und austeilte. Langsam nahm meine Stimmung depressive Züge an.

„Du verhältst dich nicht im Geringsten so, wie es von einem echten Sandringham erwartet wird!" Mein Vater brüllte mich an. Ich hatte zwar meine Mauern wieder aufgebaut, aber es verletzte mich. Wie Messerstiche trafen seine Worte mein Herz. „Du solltest dir an deinem großen Bruder ein Beispiel nehmen. Er hat sein Leben im Griff, studiert, ich freundlich und hat Freunde. Und dann schau dich an. Was bist du schon? Ein pubertierender Teenager, der anscheinend unglücklich ist. Das nennt man nicht unglücklich, das ist undankbar! Manchmal überlege ich wirklich, ob du ein Glücksfall oder doch eher ein Unfall warst."
Er sah mir kalt und irgendwie verachtend in die Augen.

Das war zu viel.

Mit heißen Tränen in den Augen stand ich auf.

„Setzt dich hin, wir sind noch nicht fertig.", meinte mein Vater, fast gehässig. Aber ich würde mich ihm nicht mehr beugen. Es wurde Zeit, dass ich von meinem besten und einzigen Freund lernte.

„Doch, wir sind fertig. Und wie wir das sind. Du hast mich lange genug zerstört. Ich habe lange genug deinen Anweisungen Folge geleistet, nur um dich nicht zu enttäuschen. Und was hab ich davon? Freunde jedenfalls nicht. Du hast mir verboten, in der Schule meine Freunde zu suchen. Ich hab dich immer geliebt, Papa. Für dich hab ich mich Stück für Stück von allem und jedem distanziert. Ich bin vereinsamt. Alleine. Traurig. Verbittert. Ich hatte gehofft, durch das ganze irgendwie Liebe von dir spüren zu können, aber es hat nichts gebracht. Du hast mich noch nie als deinen Sohn angenommen."

Ich konnte nicht mehr. Der Kloß in meinem Hals brannte höllisch und trieb mir Tränen in die Augen.

„Für dich hat immer nur Adrian existiert!" Ich wurde unwillkürlich lauter, aber das alles hatte sich über die Jahre angestaut und musste nun raus. „Adrian, der wunderbare Junge, der sein Leben im Griff hat und Politik studiert! Ein Traumjunge! Aber weißt du was? Ich bin auch wunderbar, auf meine Art! Aber du willst mich ja gar nicht kennenlernen! Ich passe nicht in dein Bild vom perfekten Menschen, also bin ich unwichtig für dich! Und weißt du noch was? Adrian hat NIE so Dinge erlebt, wie ich! Hat es dich jemals interessiert, wie ich mich nach dem Waldbrand gefühlt habe? Nein, hat es nicht! Im Krankenhaus warst du nur für Presse und gutes Image!" Ich atmete schwer und laut. Seit wann konnte ich so viel reden? Also reden war jetzt vielleicht etwas untertrieben, denn ich schrie eher... Ich genoss den verdutzten Gesichtsausdruck meines Vaters, aber gerade als er ansetzte etwas zu sagen, unterbrach ich ihn. „Mir ist noch was eingefallen. Mich interessiert Politik nicht die Bohne. Adrian und ich könnten unterschiedlicher nicht sein. Also hör auf, mich immer mit ihm zu vergleichen, weil das wird nie zu etwas führen! Weil ich sage dir gleich; Ich. Werde. NIEMALS! Politik studieren!" Das Gesicht meines Vaters war mittlerweile wutverzerrt. Ich schnaufte zum Abschluss nochmal und blitze ihn sauer an. Dann ging ich stampfend aus dem Arbeitszimmer und zurück zu Tom. Als ich die Tür lautstark hinter mir schloss, brannte mir eine Frage auf der Zunge.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 20, 2020 ⏰

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