v i e r u n d z w a n z i g

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| Harry |

„Mega!", freut sich Mitch laut und hält mir seine flache Hand offen für ein High Five vors Gesicht, während er seine Gitarre auf den Boden sinken lässt. „Das war genial."

Lächelnd schlage ich ein, immerhin klangen die letzten Minuten tatsächlich genial.
Anerkennend nickt uns auch Sammy quer durch den Raum zu.

In den letzten Tagen haben wir bei einigen Songs den Sound erreicht, den ich mir für dieses Album gewünscht habe und steuern damit in die richtige Richtung, was mein neues Projekt angeht.

Wir waren in den letzten Wochen unheimlich erfolgreich und produktiv. Knapp zwei Monate lang haben wir unsere Konzentration und Kreativität mehr denn je in all die Melodien und Strophen gelegt, mit denen ich hoffentlich schon bald Arenen füllen werde.

In der Zeit in Malibu ist viel passiert und offensichtlich hat mich alles davon inspirieren können. Selbst an dem Abend, an dem ich mit den Jungs nacktbaden war und mein gesamter Geldbeutel abhanden gekommen ist, waren wir anschließend im Studio wie von der Muse geküsst.

Es ist unheimlich erleichternd zu spüren, dass das Album langsam Gestalt annimmt, eine bestimmte Richtung einschlägt und endlich etwas entsteht, womit ich schon bald wieder auf der Bühne stehen kann. Mit jedem Ton wird die Zehn greifbarer, realer - ein beruhigendes Gefühl.

„Wenn du das als Single auskoppelst, wirst du vermutlich eine Menge über Selbstfindung und sowas sprechen müssen. Das ist dir hoffentlich bewusst", sagt Sammy lachend, den Kopf in den Nacken gelegt und sich auf dem Drehstuhl um die eigene Achse drehend.

„Das ist doch scheißegal, der Song ist mega und der Sound erst recht", entgegnet Mitch an meiner Stelle. „Und so völlig anders als wir am Anfang gedacht haben. Das wird einschlagen!"

Dankbar nicke ich Mitch zu.
Zwar ist das Album noch lange nicht vollendet und auch an dem, was wir gerade unter dem Arbeitstitel Do you know who you are gespielt haben, ist noch nicht bereit für die Welt, aber inzwischen weiß ich wohin die Reise geht. Dass an deren Ziel die Zehn zu erreichen steht, war das Einzige, das von vornherein feststand.

„Eben", stimme ich Mitch also auch verbal zu. „Und es gibt Schlimmeres als öffentlich über Selbstfindung zu sprechen."

Seufzend sehe ich einmal in die Runde.
Wie gesagt, es ist viel passiert und die Synergien hier im Haus wandeln sich von Tag zu Tag. Wir sind schon eine ganze Weile hier und unseren kreativen Höhepunkt haben wir inzwischen erreicht.

„Wir sind wohl langsam fertig. Zumindest hier in den Studios", spreche ich meine Gedanken laut aus.

„Wir hauen also wieder ab?", fragt Tyler, eine Zigarette in seinem Mund und kämpft gerade konzentriert mit dem beinahe leerem Feuerzeug. „Willst du etwa wieder nach Japan?"

„Naja, wir sind sowieso bereits länger hier als geplant und Rick hat schon gefragt, wie lange wir noch bleiben wollen", erkläre ich nachdenklich.
Tyler spricht von Japan, aber so gerne ich mich dort auch aufhalte, ist dieser Ort im Moment der Letzte, an den ich denke. Viel eher zieht es mich auf einen anderen Kontinent.

„Wir sollten eine kleine Pause einlegen und uns dann mit Verbesserungen und neuen Ideen in LA treffen", schlage ich stattdessen vor.
Nur beiläufig, als würde ich mir selbst verkaufen wollen, dass es nicht von Bedeutung ist, schiebe ich meine wahre Intention bloß knapp hinterher.
„Oder auch in London."

wallflower || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt