z w e i u n d z w a n z i g

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| Regina |

Sobald ich das Flugzeug zurück nach London betrete, wird mir schlagartig bewusst, wie sehr ich in der letzten Woche in einer völlig anderen Welt versunken war.

Silvester war in Malibu nur ein Abend von vielen, an dem man sich berauscht. Es ist völlig unspektakulär an mir vorbeigezogen, aber gefeiert habe ich es trotzdem. Immerhin wurde in diesem Studio ständig gefeiert. Die Nachrichten meiner Mutter, meiner Freunde von Zuhause und auch von Grimmy oder Diego habe ich zwar gelesen, aber stets nur knapp oder gar nicht darauf reagiert. Nichts und niemand konnte mich dort, wo ich die letzten Tage war, erreichen.

Ich war unheimlich ignorant, was mein Umfeld angeht, aber Harry hat nun mal meine volle Aufmerksamkeit verlangt.
Er und seine Eskapaden haben mich vollkommen aus Raum und Zeit manövriert, doch nun wird mir nach und nach klar, was seitdem er in meinem Leben ist, passiert ist.

Ich habe meine alten Freunde und sogar meine Familie für ihn versetzt, obwohl ich sie seit Monaten nicht gesehen habe. Ich habe die Arbeit vernachlässigt und geschwänzt. Ich habe zu Partydrogen gegriffen und mit einem nahezu fremden Menschen geschlafen, nur um Harry etwas zu beweisen.
Und trotz allem bin ich mir immer noch sicher, dass Harry all das wert ist.

Es war eine seltsame Verabschiedung zwischen uns, als mich James aus Malibu abgeholt hat, um mich zum Flughafen zu bringen. Absurderweise war es aber nur deshalb so seltsam, weil sich Harry so - für seine Verhältnisse - normal verhalten hat.
Selbst als mich Sammy breit grinsend zum Abschied umarmt hatte, stand Harry bloß ruhig daneben, ohne den Hauch einer Emotion in seinen Augen.

„Schön, dass du da warst. Wir hören voneinander", waren die Worte, mit denen er mich letztendlich zum Abschied in die Arme geschlossen und dann James übergeben hat, damit ich wieder zurück nach England fliegen kann.

Ich weiß nicht, was in unserer Situation die angemessene Verabschiedung gewesen wäre, aber diese war es sicherlich nicht - nicht zuletzt wegen Sammys Anwesenheit. Der war nach dieser schrägen Nacht, in der er überraschend zärtlich und verständnisvoll war, nämlich wieder derselbe seltsame Typ, als den ich ihn kennengelernt habe.
Harry neben ihm stehen zu sehen und zu wissen, was passiert ist, war ein schreckliches Gefühl, das nur davon überschattet wurde, dass ich Harry nun tatsächlich verlassen musste.

Und nun sitze ich hier im Flugzeug und kann an nichts anderes denken als Harry. Ich werde niemals verstehen können, wie ein einzelner Mensch so viel Glücksgefühle, Wärme und Liebe in mir auslösen kann, obwohl er mich regelmäßig durch emotionales Brachland schickt.
Das Einzige, das ich sicher sagen kann ist, dass ich ihn nun in London schrecklich vermissen werde.

Ich habe Harry mit all diesen Irren, denen er selbst leider in Nichts nachsteht, allein gelassen. Und nachdem ich mitbekommen habe, was er veranstaltet, wenn ich sogar anwesend bin, will ich gar nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn ich auf einem anderen Kontinent bin.

Mein Kopf macht mich völlig verrückt.
Dass der Gedanke, alles würde wieder in geregelten Bahnen laufen, wenn ich Malibu hinter mir lasse, ein Irrglaube war, wird mir bereits im Flieger zurück nach London klar. Als meine Gedanken selbst zurück auf englischem Boden ausschließlich um Harry kreisen, obwohl ich mir um so vieles anderes Gedanken machen sollte, bin ich sogar heilfroh darüber, dass ich so hundemüde bin.

Den Anruf meiner Mutter kann ich bloß lustlos wegdrücken und falle zurück in meiner Wohnung energielos ins Bett.

Morgen – morgen bin ich wieder bei Kräften, sortiere meine Gedanken und besinne mich auf andere Dinge als Harry. Morgen bin ich wieder bei der Arbeit und werde gar keine Zeit mehr haben, um mir überhaupt noch Gedanken über Harry zu machen. Ich muss es mir nur konsequent einreden.



wallflower || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt