e i n u n d d r e i ß i g

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| Harry |

„Hm?", gebe ich vor, Regina akustisch nicht verstanden zu haben, obwohl mein hektischer Blick auf die Flaschen, die vor uns auf dem Tisch stehen, sicherlich eine andere Sprache spricht.

Ich frage mich, wann sich unsere Rollen so vertauscht haben und seit wann sie diejenige ist, die mich in Verlegenheit bringt.

„War gestern irgendwas?", fragt Regina erneut, dieses Mal etwas unpräziser.

Ohne sie anzusehen, zucke ich lässig mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was bei dir so war, aber bei mir nicht. Wir haben ja nicht miteinander gesprochen und einander kaum gesehen."

Ich spüre ihren starren Blick auf mir. Meine verflucht abgeklärte, aufgesetzte Art und Weise macht sie offenbar ebenso rasend wie mich selbst.

Heute Morgen, als ich dieser Hannah von gestern Nacht höflich, aber relativ deutlich zu verstehen gegeben habe, sie möge verschwinden, hätte ich die Ohrfeige, die sie mir gerne verpasst hätte, mehr als verdient gehabt.

Ich habe mich gestern Abend gehasst, ich habe mich heute Morgen gehasst und ich hasse mich auch jetzt, weil ich mir vor Regina schon wieder nicht eingestehen will, dass sie mir etwas bedeutet. Der einzige Unterschied ist, dass ich mich gestern in den Rausch habe flüchten können. jetzt aber sitzt Regina vor mir.

„Stimmt", nickt sie kühl.
Sie scheint mich langsam satt zu haben und ich kann ihr nur wünschen, dass sie mich endlich in Frieden lässt. Gleichzeitig aber will ich genau das um jeden Preis verhindern.
„Du bist nämlich ziemlich schnell abgezogen, nachdem du mich und Sammy gesehen hast. Und nachdem du dir alles mögliche eingeworfen hast, natürlich."

Leicht lächelnd lasse ich mich nach hinten in die Sofakissen sinken. Mir ist bewusst, wie provokant ich damit auf sie wirke.
„Du hast ziemlich beschäftigt gewirkt, ich wollte nicht stören", antworte ich knapp. Dass mir der Anblick von ihr und Sammy noch heute in den Knochen steckt und mich alleine der Gedanke daran wieder diese tausend kleinen Nadelstiche ins Herz spüren lässt, behalte ich für mich.

Sammy Witte. Ich hätte ihn ihr niemals vorstellen dürfen. Ich hätte ihm gegenüber zugeben sollen, dass er die Finger von Regina lassen soll. Ich hatte Regina nie dazu bringen dürfen, so weit zu gehen, nur um mir etwas zu beweisen.
Wie so oft hätte ich es besser gewusst.

„Apropos", hake ich beiläufig ein. „Wie ging's Sammy denn heute Morgen?"
Es ist keine recht subtile Art und Weise zu fragen, ob Sammy heute Nacht bei Regina war, aber es lässt mir keine Ruhe. Ich kann und will nicht glauben, dass sie wirklich genauso geworden ist, wie ich es bin. Dass sie auch so strikt gegen ihre Gefühle handelt.

Mit großen Augen sieht Regina mich ungläubig an. Ihre Lippen beben leicht, doch ich kann kaum sagen, ob vor Wut, oder ob sie am Liebsten weinen will.

„Harry!", zischt sie mir plötzlich entgegen. „Ich will hier gerade nicht über Sammy sprechen, das weißt du ganz genau! Aber um deine subtile Frage zu beantworten: Grimmy hat mich mit zu sich nach Hause genommen, nicht Sammy."

Alles in mir atmet gerade erleichtert auf, während ich konzentriert darauf achte, dass sich in meinem Gesicht nichts rührt.
Regina hat also nicht schon wieder mit Sammy geschlafen, was mich zwar enorm beruhigt, aber sie waren sich auf dieser Party trotzdem zu nah. Am meisten jedoch sollte mir Reginas weiter aufkeimende Wut zu denken geben - aber ich tue, was ich immer tue.

wallflower || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt