Die schlechte Laune überlebte die Nacht, sodass ich am Morgen mit dem falsche Bein aufstand. Trotzdem wurde mir nun auch bewusst, was ich Salviars Freund und Leibwächter gegenüber angedeutet hatte. Was war, wenn er mich verpfiff? Oder wenn Blake tatsächlich mit dem Mann redete und er Verdacht schöpfte? In meiner Wut hatte ich einen Fehler begangen, der uns den Kopf kosten könnte. Wie hatte ich bloß so dumm sein können?!
Jetzt konnte ich nur noch hoffen, dass Blake noch keine Zeit gehabt hatte, um mit Salviar zu sprechen. Aber selbst wenn er das getan hatte, durfte ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Dieses Mal bestand Chiana nicht darauf, dass ich ein Kleid anzog, sondern reichte mir wortlos eine Kampfmontur. Danach flocht sie mir einen französischen Zopf ehe sie sich verabschiedete und ging.
Kurz darauf klopfte es und die Tür wurde erneut geöffnet. Eine Wache in voller Rüstung und mit Schwert an der Seite stand in der Tür. Er war bestimmt 1,90 m groß und extrem muskelbepackt. Die dunklen Augen waren auf mich geheftet, aber nicht um mich zu betrachten, sondern aus reiner Professionalität. Neben diesem Hulk fühlte ich mich wie eine Maus, und das obwohl ich eigentlich gar nicht so klein war.
"Der Wächter wünscht Sie zu sehen", erklärte die Wache den Grund für ihr eindringen. Nun war es also so weit. Ich atmete tief durch, bevor ich nickte und der Wache folgte. Während er mich durch unzählige Gänge führte, starrte ich auf seinen mit Leder bedeckten Rücken. Selbst wenn ich mir die Wege versucht hätte zu merken, hätte ich trotzdem nie zurück gefunden, denn wir waren sicherlich schon zehn mal abgebogen. Außerdem schweiften meine Gedanken immer wieder ab, sodass ich mich nicht auf meine Umgebung konzentrieren konnte.
Nach einer Ewigkeit blieben wir endlich vor einer großen Glastür stehen, durch die allen Anschein nach Wasser floss, denn das Licht brach sich in ihr. Man konnte nicht erahnen was hinter der Tür lag, was sicher auch der Sinn dahinter war, abgesehen davon, Eindruck zu schinden. Zwei weitere Wachen flankierten den Eingang, damit kein ungebetener Gast den Raum betreten konnte. Die Männer wechselten ein paar Worte, bevor sie anklopften.
Ein "Herein" ertönte und dann wurde ich schnell durch die Tür geschoben, bevor sie hinter mir wieder ins Schloss fiel.
Ich stand in einem offenem Raum mit einer Fensterfront, die auf den westlichen Teil der Stadt hinaus ging. Der gesamte Raum war mit rotem Teppichboden belegt und wenige Meter von mir entfernt befand sich ein hölzerner Schreibtisch hinter dem Salviar saß. An der Wand hinter ihm hing ein Gemälde, dass einen Mann mit einer Frau zeigte. Er hielt sie in den Armen, während sie blutüberströmt eine Hand an die Wange gelegt hatte.
"Das sind meine Urgroßmutter und ihr Mann", riss Salviar mich aus meinen Staunen. "Zu ihrer Zeit herrschte noch Krieg und sie ist in ihm gefallen. Ihr Mann hat sie kurz vor dem Tod gefunden." Für einige Sekunden betrachteten wir das Bild. Ich noch nahe des Eingangs und er an den Schreibtisch gelehnt. Jedoch riss Salviar sich schnell wieder davon los und wandte sich mir zu. Wie so oft in der letzten Zeit trug er eine Art Tunika.
"Ich weiß, warum du hier bist und ich kann es auch dir noch einmal sagen; Ich werde keinen Rückzieher machen", bestimmte er fest und stützte beide Hände auf die Tischplatte. Ich wagte mich etwas weiter in den Raum hinein bis ich nur noch zwei Schritte von dem Schreibtisch entfernt halt machte.
"Ich weiß, dass du deinen Bruder ...verloren hast, aber durch einen Krieg werden noch viel Menschen Geliebte, Freunde und Verwandte verlieren. Willst du wirklich das alle das durchmachen, was du eben durchmachst?", fragte ich leise. Dennoch wurden seine Hände weiß, so fest wie er die Tischkante umklammerte. Salviar hob den Blick und seine meerblauen Augen bohrten sich in meine.
"Und das Feuervolk für diesen Mord an einem Unschuldigen davonkommen lassen? Niemals!", knurrte er wütend.
"Woher willst du denn wissen, dass das Feuervolk dafür verantwortlich ist? Außerdem können nicht tausende für das Vergehen eines einzelnen Büßen! Das ist doch nicht gerecht und richtig!", entgegnete ich. Salviar schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass ich etwas erschrocken zusammen zuckte.
Wie aus dem nichts erfasste mich ein starker Wind, was eigentlich unmöglich war, denn in diesem Raum befand sich kein offenes Fenster. Die Luft um Salviar herum begann plötzlich zu Flimmern und bewegte sich in einem Wirbelsturm um ihn herum, aber noch immer konnte ich ihm klar und deutlich erkennen. Selbst dann noch, als sich dunkle Schatten durch den Wirbel bewegten.
"Die Beweise sind eindeutig!", schrie er außer sich und der Wind verstärkte sich. Er schien an mir zu reißen ohne meine Haare oder Klamotten aufzuwirbeln, so als wäre er eigentlich nicht da. "Das Leben ist nicht gerecht! Am aller wenigsten zu mir oder Milo. Ich habe allen Grund wütend zu sein und sie werden dafür büßen, egal ob es nur einer verschuldet hat. Tyrus hätte besser aufpassen müssen, nun muss er auch die Konsequenzen tragen! Das Gespräch ist beendet."
Obwohl Salviar zuvor geschrien hatte, bracht er den letzten Satz völlig emotionslos und beherrscht heraus. Ich war fassungslos. Er schmiss mich raus? War er wirklich so verbissen? "Salviar, ich...", setzte ich an aber er hob die Hand.
"Kio, lass es. Du hast keine Ahnung von diesem Land und den Menschen hier. Du wirst weder hier wirklich dazugehören, noch in die Menschenwelt. Außerdem bist für mich ein zu großes Risiko. Wenn die Menschen herausfinden, wer du bist, werden sie dir folgen und das kann ich mir nicht leisten. Ebensowenig wie dass du deine Fähigkeiten einsetzt."
Während er mit verschränkten Armen eiskalt dastand, wurden meine Augen immer größer und mein Herz fing an zu stolpern. Er würde doch nicht...
"Wachen!", rief er und die Männer stürzten herein. Dann gab der Wächter den Befehl: "Nehmt sie fest." Die zwei Männer kamen langsam auf mich zu. Sie trieben mich wie ihre Beute in die Ecke. In meiner Panik griff ich an meinem Rücken, wo unter dem Bund der Hose ein kleines Messer steckte. Aber ich griff ins Leere. "W-was?", stotterte ich.
"Suchst du das hier?", fragte mich einer der Wachen und hielt das kleine Messer zwischen zwei Fingern in die Höhe. Das Silber der Klinge blitzte, schien mich zu verhöhnen, ebenso wie es die Wache tat. Meine letzte Hoffnung schwand dahin. Ohne Gegenwehr ließ ich mich festnehmen und die Männer schienen fast schon schadenfroh.

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Die Tochter der Sterne
ФэнтезиKio glaubt, dass sie verrückt geworden ist, als Mitten im Friedhof ein Typ aus einem Portal stürzt. Sie redet sich ein, dass ihre Augen ihr einen Streich gespielt haben, denn das ist eindeutig nicht möglich...oder? Aber Kio trifft ihn wieder und ern...