Nach dem Frühstück rief Tyrus mich zu sich. Gerade als ich sein Zelt betreten wollte, kam er heraus. Bevor ich jedoch zum sprechen ansetzen konnte hielt er sich einen Finger vor den Mund. "Alischan schläft noch", flüsterte er. "Sie war in den letzten Tagen sehr unruhig und konnte kaum schlafen." Ich merkte ihm an, dass er sich große Sorgen um Alischan machte. Ihn bedrückte jedoch ebenso die Last ihr noch immer nichts von der Vision erzählt zu haben.
Tyrus seufzte. "Gehen wir ein Stück", meinte er und deutete auf einen kleinen Pfad zwischen zwei Zelten. Ich nickte als Zustimmung und folgte ihm. "Salviar verhält sich sehr komisch. So wie du und die anderen es beschrieben haben, habe ich ihn noch nie erlebt. Er hatte zwar schon immer heftige Stimmungsschwankungen, aber so einfach wie er aus rastete, beruhigte er sich auch meistens wieder. Ich hatte gehofft, dass es dieses Mal auch so sein würde. Euch einzusperren...", Tyrus schüttelte den Kopf, "damit ist er wirklich zu weit gegangen."
Ich vergrub meine Hände in den Jackentaschen, während ich auf den Boden starrte. "Ich habe keine Ahnung wie er zuvor war, immerhin kenne ich ihn noch nicht lange", erwiderte ich. "Aber vielleicht schürt jemand immer wieder seine Wut? Es wäre zumindest eine Möglichkeit."
"Ach, ich weiß auch nicht. Ich kann dir nicht sagen warum, aber ich werde müde. Zuerst das ganze Chaos mit deinem Vater, dann der Aufstand in meinem Volk und nun auch noch das hier. Ich habe das Gefühl völlig am Ende zu sein", murmelte er.
"Das kann ich verstehen", sagte ich, blieb stehen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich vermute es wird jetzt auch nichts bringen dir zu sagen, dass bessere Zeiten kommen werden, aber du bist nicht alleine. Du hast deine Schwester und Quinn, Blake und mich. Wir können dir helfen, uns gegenseitig unterstützen, denn ich glauben du bist nicht der Einzige, der so fühlt. Ich kann mir auch vorstellen, dass es für Blake nicht einfach ist, gegen sein eigenes Volk zu kämpfen. Jeder von uns hat seine Probleme und Ängste."
Tyrus lächelte schwach und nickte mir dankbar zu. Ich wusste, dass es schwer war, aus so einer Phase wieder herauszukommen, aber mit ein bisschen Hilfe würde er es schaffen. Mir ging es auch oft so, nur das es sich dabei nicht um die Probleme eines gesamten Landes handelte, sondern um die Schule. Ich war es einfach müde gewesen zu Lernen und hatte den Sinn dahinter nicht erkannt. Meine früheren Probleme im Vergleich zu meinen jetzigen kamen mir ziemlich klein vor und auch komplett unwichtig.
Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben und schaute mich um. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs, sodass es langsam Zeit wurde, wieder umzukehren.
Doch irgendwas stimmte nicht...
Alles kam mir so bekannt vor...
Plötzlich ertönten Schreie und Lärm und nur eine Sekunde später blies jemand in ein Horn. "Was ist hier los? Was bedeutet das?", fragte ich Tyrus, der von einer Sekunde auf die Andere bitterernst geworden war. "Ein Angriff!", rief er mir zu und lief los. In den Moment in dem ich mich ebenfalls in Bewegung setzte, ging mir ein Licht auf.
Es kam mir alles bekannt vor, weil ich es schon einmal gesehen hatte. Das hier war Teil der Vision gewesen.
Ich warf einen Blick zu Tyrus und an seinem verbissenen Gesichtsausdruck, der auch einen Teil von Angst enthielt, konnte ich erkennen, dass auch er es wahrgenommen hatte.
~*~
Wir pirschten uns so nah wie möglich an das Feld auf dem der Kampf tobte heran. Von überall strömten Soldaten herbei, um die Eindringlinge aufzuhalten, aber das war gar nicht so leicht. Irgendwo hatten sich Bogenschützen versteckt, die immer wieder Pfeile auf die Soldaten ohne Schilde schossen. Innerhalb von Sekunden bildete sich am Rand des Lagers eine undurchschaubare Menge aus der Geschrei, Waffenklirren und Schnittgeräusche er klangen. Schon nach kurzer Zeit war das Gras rot gefärbt, sowohl von Freunden als auch dem Feind.
Plötzlich sprintete Tyrus aus unserem Versteck hervor und rannte zu dem nächstgelegenen toten Mann. "Bist du irre!", schrie ich ihm völlig außer Fassung hinterher. Er konnte doch nicht einfach losrennen! In dem Moment sah ich einen Pfeil genau in seine Richtung sausen. Ohne groß nachzudenken hatte sich von allein ein Feuerball auf meiner Hand gebildet, den ich auf den Pfeil schoss. Gerade noch rechtzeitig zerfiel dieser zu Asche.
Als Tyrus zurückkehrt, hätte ich ihm am liebsten eine Standpauke gehalten, aber dafür war keine Zeit. Er drückte mir das Schwert des Toten in die Hand. Es war über und über mit Blut bedeckt. Nicht das mir davon schlecht werden würde, aber es war alles andere als angenehm sich vorzustellen zu wem es alles gehörte. Aber Tyrus hatte Recht. Ich musste mich verteidigen und hatte selbst gerade keine Waffe.
Er selbst zog sein Schwert und erschuf sich ein Schild aus Flammen, dass er in der Hand hielt. "Du bewegst dich keinen Millimeter von mir weg!", sagte er streng und schaute mir fest in die Augen. "Ja", antwortete ich, bevor wir beide losgingen.
Es war viel schwerer als gedacht Freund von Feind zu unterscheiden. Außerdem wollte ich auf keine der Leichen treten, obwohl ich zeitgleich kämpfen musste. Es kam mir nicht nur respektlos, sondern auch undankbar und falsch vor. Aber so sehr ich es auch versuchte, vermeiden konnte ich es ab und an auch nicht.
Ich schoss ab und zu Feuerbälle, wie auch die anderen Magier. Ich sah sogar ein Mädchen, welches Feuer um der Hüfte schweben hatte und dieses Zielsicher warf. Die Meisten jedoch nutzten ihr Feuer, so wie Tyrus, als Schild. Unsere Gegner nutzten ihr Element nicht als Schutz, sondern nur zum Angriff. Knapp neben mir wurde von einem Magier ein Feuersoldat mit Wasser überzogen, sodass er erstickte. Anscheinend funktionierte das Wasser wie eine Art Strick oder Faden, den man den Menschen um den Hals oder andere Körperteile schlang.
Ich versuchte immer ein Auge auf Tyrus zu haben, aber er war einfach zu schnell, sodass wir immer weiter voneinander getrennt wurden. Ich war noch nicht darin geübt mich 360° zu verteidigen, weshalb ich öfters ein paar Schrammen und Schnitte einsteckte, die jedoch nicht allzu schlimm waren. Trotzdem zögerte ich noch immer meine Feinde umzubringen. Meistens verletzte ich die, sodass sie kampfunfähig waren, aber ich konnte niemanden das Schwert durch Herz oder Bauch stoßen. Es ging einfach nicht.
Erneut traf meine Waffe auf die eines Gegners, doch dieses mal war es kein einfacher Soldat, sondern ein Magier. So sehr ich mich auch anstrengte, ich kam nicht an ihn heran, aber ich konnte ihm ebensowenig entkommen. Mittlerweile tropfte mir der Schweiß vom Gesicht und meine Ausdauer wurde immer schwächer. Meine Hand zitterte, sodass ich den ohnehin schon glitschigen Griff noch schwerer festhalten konnte. "Gib es endlich auf Mädchen", lachte er und eine Sekunde später hatte sich ein Wasserfaden um meine Hüfte geschlungen, der mich leicht anhob.
Mein Gegner zog mich immer weiter während der Faden selbst immer enger wurde. Ich bekam Panik und versuchte das Wasser durchzuschneiden, aber es funktionierte nicht! Der Druck auf meinen Hüftknochen wurde immer größer und ich hatte furchtbare Angst das er brach. Tränen liefen mir über die Wange. Ich wollte noch nicht sterben! Ich wollte mindestens noch einmal meinen Papa und meinen Bruder sehen und Jo.
Meine Tränen verdampften jedoch plötzlich, ebenso wie der Faden anfing zu dampfen. Meine Magie hatte sich selbständig gemacht um mich zu schützen! Warum war ich nicht eher darauf gekommen? Wasser verdampfte! Nun richtete ich die Hitze zielgerichtet auf den Wasserfaden und innerhalb von Sekunden löste sich dieser in Dampf auf. Jedoch blieb mir nicht viel Zeit, um durchzuatmen, noch war mein Gegner nicht geschlagen.
Zu meinem Glück kam mir ein weiterer Soldat zu Hilfe, aber selbst zu zweit war es nicht leicht diesen Mann zu besiegen. Kurz bevor der Soldat den Todesstoß ausführen konnte, verschwand er durch ein Portal. Dankbar nickte ich dem Soldat zu, der meinen Gruß erwiderte und sich dann wieder in das Getümmel stürzte.
Ich war völlig erschöpft und versuchte jedem Kampf aus dem Weg zu gehen, während ich nach Tyrus Ausschau hielt. Ich entdeckte ihn und obwohl ich wusste, dass ich ihn nicht erreichen würde lief ich los. Ebenso wie ich wusste, dass meine Worte ihm nicht halfen und dennoch schrie ich seinen Namen.
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Die Tochter der Sterne
FantasyKio glaubt, dass sie verrückt geworden ist, als Mitten im Friedhof ein Typ aus einem Portal stürzt. Sie redet sich ein, dass ihre Augen ihr einen Streich gespielt haben, denn das ist eindeutig nicht möglich...oder? Aber Kio trifft ihn wieder und ern...