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Er schlief. Mußten Götter auch schlafen? Etwas, worüber sie noch nie nachgedacht hatte, aber es schien wohl so zu sein.Seine Brust hob sich langsam auf und nieder und sie legte ihre Wange auf seine warme Haut um sein Herz schlagen zu hören. Sie schloß die Augen und lauschte einfach nur.

"Wirst du mir jetzt verraten, warum es dir oft so schlecht geht?" fragte er dann plötzlich und sie schreckte auf und sah ihn an. Langsam zog sie die Decke über sich und kuschelte sich an seine Seite,während er seinen Arm um sie legte und ihren Rücken streichelte.

"Ich bin krank", sagte sie nur kurz. Auch wenn sie sich sicher war, daß er das bereits selber bemerkt hatte. "Ja, das habe ich mir bereits gedacht. Wie schlimm ist es?" fragte er dann und strich ihr mit der anderen Hand über die Wange. Sie sah ihn nicht an. Oder besser, sie konnte ihn nicht ansehen.

"Tödlich", flüsterte sie dann. Er setzte sich ein Stück auf, zog sie mit sich und hob ihr Kinn an um ihr in die Augen sehen zu können. "Was soll das heißen? Wie lange noch?" fragte er dann. Sie spürte, wie ihr langsam die Tränen in die Augen schossen, dabei hatte sie immer gedacht, daß sie sich damit bereits abgefunden hatte.

Gequält lächelte sie. "Unterschiedlich. Je nachdem, wen du fragst. Der Eine sagt, ein paar Wochen. Der Andere, ein paar Monate. Und der Nächste wundert sich, daß ich überhaupt noch lebe", der Versuch es etwas witzig zu verpacken scheiterte kläglich, wie sie in seinen Augen sehen konnte. Langsam schüttelte er den Kopf.

"Es gibt sicher einen Weg", sagte er dann. Sie seufzte. "Nein, den gibt es nicht. Ich kann nur abwarten. Glaub mir, ich war schon bei so vielen Ärzten, das ich es dann einfach gelassen habe. Unheilbar, tödlich. Ich konnte das alles nicht mehr hören", sagte sie dann und obwohl sie sich bemühte, lief ihr eine kleine Träne über die Wange.

Er küßte sie vorsichtig auf die Lippen. "Ich lasse dich nicht sterben. Das lasse ich nicht zu", flüsterte er dann. "Loki, du hast keine Wahl. Selbst du kannst da nichts machen", sagte sie dann und strich ihm über das lange Haar, das an den Spitzen begann kleine Locken zu bilden. "Woher willst du das wissen? Ich finde einen Weg, ich finde IMMER einen Weg", sagte er dann in einem so harschen Ton, das sie fast Angst bekam.

Sie setzte sich auf und nahm ihn in den Arm. Seinen Kopf an ihrer Brust strich sie ihm über das Haar und wiegte ihn fast wie ein kleines Kind. "Es ist in Ordnung, ich habe mich damit abgefunden, und ich habe keine Angst davor. Ich wünschte nur, du wärst etwas früher in mein Leben getreten und nicht erst jetzt", sagte sie dann und es war ein komisches Gefühl, daß anscheinend sie es jetzt war, die ihm Trost spendete, obwohl sie diejenige war, die sterben würde.

Es war komisch, wie sich in dieser kurzen Zeit, in der sie sich kannten, so tiefe Gefühle füreinander enstehen konnten. Als würde sich alles im Zeitraffer abspielen. Aber vielleicht war es auch gut so,d enn so viel Zeit hatte sie ja nicht mehr. Er war in diesem Moment so verletzlich, wie sie es sich vorher nie hätte vorstellen können. Aber sie hatte immer gewußt, daß es diese Seite in ihm gab, auch als sie ihn noch nicht gekannt hatte.

Er sah auf und nahm ihr Gesicht in beide Hände. Sein Blick war ernst, aber nicht böse. "Ich finde einen Weg. Ich lasse dich nicht gehen. Du wirst all dies mit mir zu ende bringen und dann wirst du mit mir kommen. Sag, daß du das tun wirst", flüsterte er dann. Sie wollte ihn nicht belügen. Und sicher wollte sie das alles auch. Aber sie war sich klar, daß sie nicht mehr so lange durchhalten würde.

"Ja, das werde ich. Natürlich werde ich das", antwortete sie dann.

Mortal (german version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt