13 Herzinfarkt

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Die Tür fiel hinter mir in die Angel. Der Geruch von Essen lag in der Wohnung. Schnell warf ich meinen Rucksack auf den Boden, zog Jacke und Schuhe aus und ging anschließend in die Küche, wo mein Vater am Herd stand und Spiegelei machte. "Hab ich einen Hunger", sagte ich und schaute meinem Vater über die Schulter. Kartoffelpüree mit Spinat und Spiegelei. Mein Magen knurrte. "Wie war es bei deinen Freunden?", fragte mein Vater und gab mir die Topflappen in die Hand. "Kipp mal die Kartoffeln ab." Ich tat was er sagte und erzählte dabei von meinem Tag. Auch, dass wir unbedingt die Bücher bestellen mussten.

Beim Essen erzählte mein Vater mir, dass sie auf der Arbeit nun einen Hund hatten. Stolz zeigte er mir Bilder, die er mit seinem Handy gemacht hatte. Jedes war verwackelt. Doch ich grinste. Ich wusste, dass mein Vater Sally genauso vermisste, wie ich es tat.

"Willst du morgen mit Einkaufen kommen? Ich brauche neue Schuhe." Mein Vater sah mich an. "Habe morgen acht Stunden." Ich hasste einkaufen gehen. Vor allem mit meinem Vater. Immer fand er etwas was mir stehen könnte. Was mir gefallen könnte. Dabei fand ich, zu neunzig Prozent, die Kleidung dann einfach nur hässlich. "Ich würde mich echt freuen, wenn du mitkommst." Zerknirscht sah er mich an. Ich seufzte. "Na gut."

Nach dem Essen ging ich Duschen, räumte einen der vielen Kartons aus und fand meine Sportschuhe. Sofort stellte ich sie neben meinen Schreibtisch. Auch fand ich mein Kuscheltier, welches ich seit meiner Geburt hatte. Ein kleines Stoffschwein, das ich Edgar getauft hatte. Es war schon voller Flecken und Löcher. Doch ich liebte es. Lächelnd legte ich das Schwein auf mein Bett.

Während ich auf dem Boden saß, und in ein Fotoalbum vertieft war, musik hörte und in Erinnerung schwelkte, ertönte in schnellen Abständen der Klingelton meines Handys. Mit gerunzelter Stirn sah ich auf den Bildschirm und fing sofort an zu lächeln. Es war Freddie, der mir Spam Nachrichten schickte. Wie ging es mir, wie war die neue Schule, wurde ich auch schön von anderen gemobbt und wie ging es meiner Topfpflanze. Grinsend schrieb ich mit meinem Kumpel aus Hamburg. Ich erfuhr neue Dinge. Sebastian hatte sich von seiner Freundin getrennt. Alex Katzen wurden endlich kastriert und von Felix der Hund hat in Felixs Bett geschissen.

Als ich mich zum schlafen ins Bett legte, dachte ich an den heutigen Tag. An Manuels Art. Wie er mich umarmt hatte und wie ich mit der Situation überfordert war. Ich seufzte. Seine Körperwärme hatte mich glücklich gemacht. Und diese plötzliche Zufriedenheit, hatte mich verwirrt. Ich war verwirrt, da ich diesen Menschen kaum kannte. Und ich war verwirrt, weil er mir dennoch so viel bedeutete. Und ich wusste nicht, was das sollte.

Am nächsten Morgen wachte ich eine Stunde vor meinem Wecker auf. Hellwach stand ich auf und machte mich fertig für die Schule. Draußen regnete es. Es war November und das Wetter spielte komplett verrückt.

Wie wohl Weihnachten sein wird? Das erste Mal ohne meine Mutter. Ob ich nach Hamburg reisen würde? Ich presste die Lippen aufeinander, als mein Herz anfing weh zutun. Ich verdränge ständig die Gedanken und Gefühle, die mit meiner kaputten Familie zusammen hingen.

"Schon wach?" Mein Vater kam in die Küche hinein. Gerade als mein Toast aus dem Toaster sprang. Er gähnte. "Ja. Irgendwie schon." Ich schmierte Nutella auf das Toast. Mein Vater machte sich einen Kaffee. "Denk dran, heute gehen wir einkaufen. Nicht zu deinen neuen Freunden gehen", erinnerte er mich. "Ich weiß, Papa."

Augenverdrehend ging ich, mit meinem Toast in der Hand, zurück in mein Zimmer, zog mich um, aß auf und ging schließlich ins Bad. Schnell noch die Schultasche umpacken und dann los zur Schule. "Bis später!", rief ich meinem Vater noch zu und ging dann aus der Wohnung.

Auf der Hälfte des Weges, sprang mich plötzlich jemand von hinten an. Mein Puls schnellte in die Höhe und es dauerte einen Moment, bis ich, an dem Lachen, Manuel erkannte. "Na du", grinste er mich an und warf seinen Arm um meine Schulter. "Irgendwann bekomme ich noch einen Herzinfarkt", lachte ich. Manuel nahm seinen Arm runter. "Das tut mir aber leid." Doch das tat es ihm nicht. Er grinste schelmisch nach vorne.

"Maurice hat mir eben geschrieben. Er kommt heute nicht. Hat mega die Migräne und kotzt die ganze Zeit. Arme Sau", erzählte mir Manuel dann. "Eigentlich ein Glückspilz. Der Mittwoch ist der Tod." "Wieso das?", fragte ich. Manuel tat geschockt. "Nur scheiß Fächer! Geschichte geht ja noch. Aber der Rest? Und dann noch Mathe. Scheiße." Manuel blieb stehen und setzte seinen Rucksack ab. Hektisch machte er ihn auf und kramte drin rum. "Ich lauf noch mal nach Hause. Mathebuch vergessen." Schnell machte er den Rucksack wieder zu und schulterte ihn. "Soll ich mitkommen?", fragte ich und machte einen Schritt auf Manu zu, der sich schon in Bewegung gesetzt hatte, um zurück zu gehen. "Nein, geht schon. Bis später." Er ging rückwärts, winkte und drehte sich dann um und lief, so schnell er konnte, los.

Heute ist Mittwoch und somit ein neues Kapitel für euch. Sonntag geht's dann weiter

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