6 Macht in falschen Händen

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Elea blinzelte müde und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als sie auf der alten Couch aufwachte. Das leise Knistern der Morgensonne, die durch die Fenster fiel, trug zur stillen Ruhe bei, die in der Wohnung herrschte. Für einen kurzen Moment erlaubte sie sich, einfach zu liegen, die Decke fest um sich gewickelt, während die Erinnerungen des vergangenen Tages langsam zu ihr zurückkehrten.

Die Flucht durch die Gassen. Harpers Umarmung. Reeves dunkler Schatten vor dem Restaurant.

Die Erkenntnis, dass sie für den Moment sicher war, durchflutete sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Erschöpfung. Doch die Sicherheit fühlte sich zerbrechlich an, als ob sie nur einen Atemzug davon entfernt war, wieder ins Chaos gezogen zu werden.

Langsam setzte sie sich auf und streckte ihre steifen Glieder. Das dünne Licht, das durch die Fenster fiel, tanzte über die schlichten Möbel der kleinen Wohnung, und Elea konnte für einen Moment die Einfachheit dieses Ortes schätzen. Es war weit entfernt von dem luxuriösen „Ele-gance", in dem sie gestern gewesen war, doch in diesem Moment war es das perfekte Versteck. Weit weg von den Augen, die sie suchten.

Sie spürte das Gewicht der vergangenen Tage auf ihren Schultern, aber gleichzeitig eine seltsame Erleichterung, hier zu sein. Nachdem sie eine Weile still auf der Couch gesessen hatte, beschloss sie, aufzustehen und sich frisch zu machen. Ihr Körper fühlte sich schwer an, und die Müdigkeit war mehr als nur körperlich. Es war eine Erschöpfung, die tief in ihre Seele gesickert war.

Als sie das kleine Badezimmer betrat, blieb sie einen Moment lang in der Tür stehen und ließ ihren Blick über die saubere, schlichte Einrichtung schweifen. Auf einem Regal neben dem Waschbecken lagen frische Klamotten, ein neues Set Unterwäsche, Shampoo, Zahnpasta und sogar etwas Schminke. Und da, inmitten dieser kleinen Alltagsgegenstände, lag ein Handy – neu und glänzend, mit einer eingelegten SIM-Karte

Elea trat näher, ihre Finger zitterten leicht, als sie das Handy aufhob. Harper hatte das alles für sie besorgt, in den frühen Morgenstunden, während sie selbst noch in einem tiefen, traumlosen Schlaf gefangen gewesen war. Es war ein seltsames Gefühl, nach all den Jahren der Entbehrung, plötzlich so viel Fürsorge zu erfahren. Sie hatte nicht erwartet, dass Harper so weit gehen würde, um sie zu unterstützen. Und dennoch war es genau das, was ihre alte Freundin getan hatte.

Mit einem Seufzen stellte sie das Handy zurück und griff nach den frischen Klamotten. Eine heiße Dusche war genau das, was sie jetzt brauchte, um den Schmutz der vergangenen Tage abzuwaschen – nicht nur den körperlichen, sondern auch den emotionalen Ballast, der schwer auf ihr lastete.

Das warme Wasser prasselte auf ihre Haut und hüllte sie in einen sanften Dampf ein. Für einen Moment schloss sie die Augen und ließ das Gefühl der Wärme zu, als ob es die Last von ihrem Körper spülen könnte. Sie wünschte, es wäre so einfach, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, doch sie wusste, dass sie noch weit davon entfernt war, frei zu sein. Reeve war immer noch da draußen, und was auch immer er von ihr wollte, er würde nicht aufgeben, bis er es hatte.

Als sie schließlich aus der Dusche trat, fühlte sich Elea ein wenig erneuert, doch die Schwere in ihrem Herzen war noch immer da. Sie griff nach dem Handtuch, trocknete sich sorgfältig ab und zog die frischen Klamotten an, die Harper ihr besorgt hatte. Der Stoff fühlte sich weich und ungewohnt gegen ihre Haut an – so anders als die groben, abgetragenen Sachen, die sie im Gefängnis getragen hatte.

Als sie vor den kleinen Spiegel trat, sah sie für einen Moment regungslos hinein. Es war das erste Mal seit Langem, dass sie sich selbst richtig ansah. Die harten Jahre hatten Spuren hinterlassen – nicht nur in ihren Augen, die jetzt von einer tiefen Müdigkeit und einer ständigen Wachsamkeit geprägt waren, sondern auch in ihrem Gesicht, in ihrem ganzen Körper.

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