Mondstille by @Buecher717

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Es war dunkel. Die schwarze Nacht raubte alles Licht, ließ alles verschwinden in der unendlichen Schwärze. Nur die kleinen Lichtpunkte am Himmel vermochten den dunklen Schatten mit ihrem Licht eine schwache Paroli zu bieten.

Doch heute war es keine gewöhnliche Nacht. Keine Nacht in dem alles Leben schlief. Denn eine kleine Seele, hatte auf diese Nacht gewartet, mit schmerzvoller Sehnsucht.

Es war Vollmond.

Und die kleine Seele wusste dies wahrscheinlich am besten. Denn nur wenn der Mond ganz zu sehen war, brachte er genug Kraft auf um ihr zu helfen, um seine silbernen Arme auszubreiten, die alles erleuchteten und sie hervorzuholen.

Die kleine Porzellanteekanne, die so unscheinbar auf dem Fensterbrett stand, verstaubt und unbenutzt, war unbemerkt voller Leben. Und niemand ahnte es.

Auch nicht ihre Besitzerin, eine alte Dame, die schon lange nicht mehr dazu in der Lage war, sich selbst einen Tee kochen zu können.

Die Teekanne glänzte im silbernen Mondlicht. In keinem anderen Licht konnte sie gleichzeitig so wunderschön und gleichzeitig so unglaublich kaputt aussehen. Haarfeine Risse zogen sich durch die weißen Porzellannwände, durch die goldenen Verzierungen und auch durch das Abbild eines jungen Mädchens. Amelia.

Der Mond gab ihr diesen Namen, der genauso zerbrechlich klang, wie sie es war.

Das zarte Gesicht umspielt von milchiger Blässe. Kirschblütenfarbene Lippen und Augen, in einem so wässrigen Braunton, dass man annahm sie würde weinen, obwohl ihr Mund lächelte. Ihre hellen Augen hatten jedoch schon immer diesen Funken, eine glühende Lichtquelle. Ein Glühwürmchen, dass es selbst den langen Weg bis zum Himmel schaffte, zu ihm.

Ein gleißender Lichtstrahl tauchte das kleine Esszimmer in ein helles Silberblau.

Jedes Mal, wenn sie dies beobachtete, fühlte sie sich fast als könnte sie atmen. Sie fühlte sich lebendig und beinahe, spürte sie ein Herz in ihrer Brust klopfen. Leise, sanft und dann gleich Paukenschlägen, wenn sie wusste, dass er in kürzester Zeit bei ihr wäre.

Das Licht wurde heller, strahlender, alles einnehmend. Überall in diesem Raum gab es nur ihn, dieses Licht, dieses stille Feuer, was sonst nur in weiter Ferne im Himmel zu finden war.

So schnell der Raum hell wurde, desto beflügelter wurde er wieder verdunkelt, bis nur noch eine kleine silberne Flamme übrig war, die auf der Fensterbank stand und eine menschlich ähnelnde Form annahm.

„Ich habe dich vermisst", flüsterte er.

Amelia hatte noch nie viele Vergleiche gehabt, doch seine Stimme war immer die schönste gewesen.

Sanfte Schwingen, so klar wie die Nacht, erreichten ihr Ohr und etwas in ihr, was eine normale Porzellanverzierung nicht besitzen dürfte, fühlte sich so leicht an, wie die Dampfwolken eines frischen Tees. Ihre Seele.

Wie gern hätte sie ihm ebenfalls erzählt, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Wie langsam die Zeit am Tag verging und wie schnell in der Nacht, wenn sie zu ihm aufschaute und die Tage zählte bis es endlich Vollmond war.

Er streckte einen lichtdurchfluteten Arm nach ihr aus, zeichnete langsam mit dem Finger ihre Konturen nach, durchbrach die Fesseln, die sie an das Porzellan band. Ihre Umrisse leuchteten und er sah mit weichem Blick auf das kleine Wesen, welches durch die Magie seines Lichtes endlich befreit wurde. Frei von den Fesseln, von den Porzellanwänden. Von dem Leben bloß eine nichtige Verzierung zu sein.

Zu mindestens für eine Nacht. Doch jede Minute mit ihm, ließ ihr Herz für die Ewigkeit weiterschlagen.

„Ich hab von dir geträumt."

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