15. Kapitel

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"Vögel sind robuste, aber auch sehr sensible Tiere. Sie besitzen viel Intelligenz, und vergessen niemals Erlebnisse oder Teile ihres Lebens, schon garnicht schlimme Erlebnisse, oder negative Teile. Selbst, wenn sie sich nicht an jedes Detail erinnern, das Gefühl, etwas Furchtbares erlebt zu haben, bleibt. Ein schlechtes Erlebnis für einen Vogel, und sei es noch so klein, kann das Vertrauen von Jahren vernichten. Doch behandelt man sei mit Fleiß, Liebe, Hingabe und Respekt, werden sie dies nie vergessen und werden zu lebenslangen, wunderbaren Freunden des Menschen."

Ich saß nun in meinem Käfig, auf der untersten Stange und nur noch mit diesem einen Gedanken in meinem Kopf: Ich hasse Menschen!
Alles drehte sich und ich versuchte das Karussell anzuhalten, aber auf der anderen Seite sollte es sich einfach drehen. Mir war in diesem Moment alles egal. Ich krabbelte aus der offenen Tür hinaus auf meinen Baum, setzte mich auf den obersten Ast, und begann damit, eine Walnussschale zu beknabbern. "Toll!" dachte ich, "Nichtmal eine Walnuss bekomme ich hier. Werde ich mich jetzt immer mit leeren Nussschalen begnügen müssen?"
In diesem Moment ging die Tür auf, und Mona und Gloria kamen herein. Mona trug eine orangene Hose, die am Saum mit gltzerden Steinchen bestickt war, ein rotes Shirt mit Rüschen und weiten Ärmeln, eine plattere Mütze und die Haare offen. Gloria trug weiße Kleidung, weites, weißes Shirt, Leggins und hohe Schuhe mit verschiedenen hypnituserenden Mustern. Ihre Haare hatte sie mit einer roten Spange als Kranz einmal im den Kopf befestigt. "Hey Simba! Wie geht's dir?" Doch wie üblich fröhlich zu piepsen, drehte ich mich um und drehte ihnen mein Hinterteil zu. Ich konnte die irritieren Blicke der beiden Mädchen wie Messerstiche im Rücken spüren, und bekam Angst. Würden sie mich schlagen? Würden sie mich anschreien? Würden sie...?
Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich, auf alles vorbereitet, plusterte ich mich auf, und kniff die Augen fest zusammen. D

Doch nichts geschah.

"Na? Heute ein schlechten Tag? Keine Sorge, haben wir auch manchmal, ist nicht schlimm. Na komm! Kletter auf meine Schulter,dann können wir auch Xanthe und Violet begrüßen, na los!" Gloria streckte mir ihren Arm entgegen. Als ich die Hand langsam auf mich zukommen sah, geriet ich in Panik. Als sie kurz vor meinen Füßen war, riss mir der Geduldsfaden. Das war zu viel!
Ich wich ängstlich zurück, schüttelte und plusterte mich abwechselnd auf, und begann zu fauchen. Ich wich immer weiter zurück, bis ich fast hinten runter gefallen wäre. Ich bereitete meine Flügel trotz der ziehenden Schmerzen aus, flog einmal quer durch den Raum, setzte mich auf den gegenüber liegenden Käfig des Baums, und schaute mit feindseligen Blick zu den beiden Mädchen. "Simba! Was ist denn nur los? Wieso bist du so aggressiv?" Die Rothaarige kam zu mir rüber, doch kaum war sie bei mir, flog ich wieder zurück zum Baum. "Wie...was? Simba...? Was hast du denn bloß?" Kaum versuchte mich, die andere zu fangen, flog ich wieder zur anderen Seite.

So ging das alles eine Weile, doch irgendwann gab meine Ausdauer ihren Geist auf. Ich konnte mich kaum noch in der Luft halten, meine Flügel schmerzen und am liebsten hätte ich mich fallen gelassen. Ich schaffte es gerade noch so, mich auf den untersten Ast zu setzen. Dort atmete ich viel zu schnell, fix und fertig von der vielen Fliegerei. Die beiden Mädchen standen mir gegenüber, mit besorgten Gesichtsausdrücken, und betrachten mich mit einem undefinierbaren Blick. Eine Mischung aus Verwirrung, Traurigkeit, Verzweiflung und einen Hauch Ärgernis. Alles in einem. Dieser Blick fühlte sich auf mir an wie als ob mich tausende Nadeln druchbohren würden.
"Simba..." flüsterte Mona fassungslos.
Gloria trat auf mich zu, wollte mir übers Gefieder streichen- und ich war zu schwach, um mich zu wehren und weg zu fliegen. Aber nicht zu schwach zum zubeißen. Mit der letzten Kraft, die ich noch hatte, bis ich ihr ins Handgelenk.

"AAAAUUUUUU!"

Gellend laut ging ihr Schrei durch alle Wände. Ich atmete schwer. Der Biss hatte mir die letzte Kraft geraubt. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich wünschte mir, dass mich die Dunkelheit verschlucken würde, mich zu sich holen würde. Kurze Zeit später standen Eila, Lil, Xanthe und Violet in der Tür. Alle starrten fassungslos erst auf Gloria's schmerzende Hand, wo sich genau mein Biss hellrot abzeichnete, und schon an einigen Stellen blau anlief, dann ruhten alle Augenpaare auf mir.

"Simba?!" Die Fassungslosigkeit in der Stimme ließ mich erschaudern. Alle starrten mich an, doch ich war zu erschöpft. Erschöpft, überhaupt irgendeine Reaktion zu zeigen.
Dann wurde es dunkel.

Ich schlug die Augen auf, ich saß auf der obersten Stange im Käfig, und blickte mich um. Es war bereits dunkel und still geworden. Lebte ich noch? Oder war ich tot. Das ziehen in meinem linken Flügel ließ mich bestätigen, daß ich lebte. Es war nur schon nachts. Dann kamen die Erinnerungen wie Fetzen an einen Traum zurück: Mona, Gloria, Fangenspiel, erschöpft, der Biss-

DER BISS!!!

Ich hatte Gloria in die Hand gebissen. Was hatte ich nur getan?
Was war in mich gefahren?
Was war mit mir los?

Plötzlich überschlugen sich meine Gedanken wie Meereswellen in einem Sturm. Und alles sammelte sich in einem riesigen Wollknäuel.

"Du bist Schuld, Simba. Niemand nur du!"

Dieser Gedanke schoss wie ein Felsbrocken in mein Gehirn. Mein Kopf wurde schwer.

Dank sank er langsam nach unten.

„Flieg mit meinen Flügeln!"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt