14. Kapitel

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Ich zitterte, nahm meinen Kopf unter meinem Gefieder hervor und versuchte, mein wild schlagendes Herz zu beruhigen. Was mir nicht wirklich gelang. Meine Augen flackerten förmlich vor Panik.

Da denkt man, alles läuft gut und vermutet, man hätte seine Angst längst abgeschüttelt- und dann das.
Ich blickte mich um, okay, ich konnte im Dunkeln nicht wahnsinnig toll was sehen, aber irgendwie beruhigte mich das sanfte Mondlicht, was den Raum in pastellige Töne tauchte. Langsam kletterte ich ein paar Zentimeter nach unten, zu meinem Futter, schnappte mir einen dicken Sonnenblumenkern, befreite ihn von seiner Hülle und fraß ihn gemütlich auf. Dann tauchte ich mein Schnabel ins Wasser und trank einen großen Schluck. Das kühle Wasser tat unendlich gut. Dann überlegte ich, was ich noch tuen könnte. Ich entschied mich, ein kleines Bad zu nehmen. Also hopste ich in mein Vogelbad, und machte mich von oben bis unten nass. Dann schüttelte ich mich, wedelte in Lichtgeschwindigkeit mit meinen Flügeln, setzte mich auf meinen Lieblingsplatz, eine Schaukel, bestehend aus einem Ast und zwei Seilen, und fing damit an, mein Gefieder zu putzen. Hinter dem Fenster am Horizont ging langsam die Sonne auf. Noch eine Runde zu schlafen hätte sich nicht gelohnt, erstens da, wenn es hell wird ich eh nicht mehr schlafen könnte, und zweitens ich dazu viel zu aufgewühlt war.
Plötzlich klopfte es an der Tür, und Lil kam rein. "Hey. Ich habe Geräusche gehört und wollte mal nach euch sehen. Simba? Warum bist du wach, ist alles okay? Ich meine- es ist fünf." Sie schaute Richtung Sonne, die gerade ihre ersten Strahlen durch unser Fenster schickte. Ich schaute sie aus müden Augen an. Sie blickte mit ihren unfassbar grünen Augen zurück. Sie sah einfach umwerfend aus, nicht nur, weil ihre Augen aussahen, als ob sich der Wald darin spiegelte, sondern weil sie ein beige - Creme farbendes Kleid trug, das ihren hübschen Teint unterstrich. An der Taille war das Kleid mit dunkleren Perlen in braun, schwarz und Gold besetzt. Ihre Haare waren hochgesteckt, einzelne Strähnen fielen auf ihre Schultern. Nun trat sie an das Tischchen, was in der Ecke des Raums stand und nahm eine Tüte Vogelfutter und zwei Hirsekolben in die Hand und sagte: "Bin gleich zurück, will nur rüber, die Unzertrennlichen füttern, dann seid ihr dran!"

Als Lil zurückkam, füllte sie uns allen die Näpfe auf, erneuerte das Wasser und gab jedem noch eine Hirsestange zum knabbern( Wenn ihr mir eine Freude machen wollt: Hirse! Ich liebe die einfach!).
"Na? Wie geht's denn unseren gefiederten Freunden?" Eila stand in der Tür. Ein Teil ihrer Haare waren zu kleinen Dutts gerollt, der Rest der Haare lag locker um ihre Schultern, Brust und Taille, die eine flauschige, kunterbunte Jacke bedeckte. Ihre Beine steckten in pinken Röhrenjeans, ihre Füße in den gleichen Schuhen, die sie bei Daniels Festnahme getragen hatte. Unter der Jacke trug sie ein T-Shirt in lila, gelb und türkis, mit den Logo des Tierheims. "Gloria, Mona, Xanthe und Violet wollen nachher noch kommen und mal sehen, wie es allen geht."Nicht gut!" dachte ich grimmig und widmete mich meinem Gefieder. "Wieso kann ich nichtmal abschalten und aufhören, an Daniel und Gabriele zu denken? Immer wieder spuken diese beiden Personen in meinem Kopf rum und ich kann nichts dagegen tun! Das macht mich noch ganz verrückt!

Tief im Inneren, im innersten Kern meinerseits, regte sich Misstrauen gegenüber Menschen. Sie waren böse und hinterhältig, wollten sie andere doch nur verletzen. Vertrauen gewinnen und dann- Verletzen. Gefallen daran finden, wenn Andere Geschöpfe sich quälten. Dann noch so tuen, als seien sie besorgt und wollten es besser machen, doch innerlich ist es denen auch ganz egal. Ja, egal. Ein Wort, das so viel bedeutet, obwohl es so wenig meint. Egal. Ich war ihnen völlig egal. Vollkommen egal. Wenn Gabriele nicht gestorben wäre, wäre ich nie im Tierheim gelandet. Dann hätten mich diese Corinna und diese Rosa nie gesehen, mich mitgenommen, ich hätte nie Rosas Missfallen erregt und sie hätten mich nie an Daniel weiter gegeben. Dann hätte ich nicht all das Leid und den Schmerz ertragen müssen, ich konnte ohne Schmerzen fliegen und ein freies Leben führen.
Frei von Schmerz.
Frei von Leid.
Frei von Trauer, Wut und Verzweiflung.

Und...

... Frei von diesen Menschen!!!
Die Menschen, die nie etwas so meinen, wie sie es sagen!

Und Schuld an all diesem Drama ist nur Gabriele. Sie hätte ja nicht sterben müssen, se hätte ja auch bei mir bleiben können. Aber das hat sie nicht. Stattdessen hat sie mich im Stich gelassen und diesen Fremden ausgesetzt, mir der Gefahr, so behandelt zu werden wie jetzt.

Ja, sie ist Schuld nur sie!!!
Und die anderen nervten mich nur anstatt mich einfach in Ruhe zu lassen!!!

Tief in meinem innersten war ich entsetzt über meine Gedanken. Und ich wusste das es nicht so war.

Doch der negative Teil war stärker als mein wenig verbliebender positiver Teil.

"Ich hasse die Menschen!" dachte ich.

ICH HASSE SIE!

„Flieg mit meinen Flügeln!"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt