5. Kapitel

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Am nächsten Morgen war es schon längst hell, als ich mich endlich entschloss, meine Augen aufzuschlagen. Ich war bei der Federflege, als ich plötzlich ein schrilles Geräusch. Ich erschreckte mich furchtbar, und fiel fast von der Stange. „Die Klingel!" rief die Frau von unten. „Ich gehe schon!" brüllte Rosa zurück. Konnten die Menschen nicht mal leiser reden? Da ist ein Haufen Papageien ja leiser! Ich hörte wie die Tür aufging, Rosa's überraschtes „Wer sind sie denn?" die Schritte von Rosas Mutter, und ein „Guten Tag. Was wollen sie?" Und dann hörte ich eine Stimme, bei der sich bei mir alle Federn sträubten. „Hallo. Mein Name ist Mona Grey. Ich... also, ich... ich wollte zu Simba." „Das fehlte noch! Mit welchem Recht??" Die Frau hörte sich sehr aufgeregt an. „Ich bin die Tochter von Gabriele Galbras. Die frühere Besitzerin von Simba. Und ich wollte ihn besuchen!"

Je länger ich unten die Stimmen von Rosa, der fremden Frau und Mona hörte, desto nervöser wurde ich. Ich wollte zu ihr! Ich musste zu ihr! Ich begann an dem Schloss von meinem Käfig herum zu knapseln, irgendwann sprang das Schloss auf, und ich war frei. Ich bereitete meine Flügel ein paar mal auf, um sie zu lockern. Dann flog ich los, immer den Stimmen nach. Und endlich sah ich sie: Mona! Sie trug einen roten Wollpulli, wobei die Schultern frei waren, auf dem Pullover war ein Phönix. Dazu trug sie eine schwarze Jeans mit einem Flammenmuster am Saum.
„Simba!" rief sie. Geradewegs steuerte ich sie an und landete auf ihrer Schulter. „Dieser Vogel gehört zu uns. Er ist ungehorsam. Deshalb verkaufen wir ihm heute!" „Sie haben ihn nur für eine Woche als Pflegetier!" Das ist uns egal! Meine Tochter braucht einen Vogel der hört und macht was sie will! Und jetzt raus!" die Frau schubste Mona zur Tür raus, Rosa packte mich, ich versuchte mich zu wehren, aber dann wurde es dunkel. Rosa hatte ein Handtuch über mich geworfen. Ich hörte nur noch Monas „SIMBA, NEIN!" und das wütende „SCHNAUZE! VERSCHWINDEN SIE!!" von der Frau. Dann war Stille. Eine betäubende Stille.

Ich weiß nicht, was was danach passierte, denn ich war zu geschockt zu traumatisiert. Man hatte mir jemand en weggenommen, was ich geliebt hatte. Schon wieder. Irgendwann kam dann die fremde Frau rein, packte mich und sperrte mich in die enge Transportbox. Und ich leistete auch keinen ernsthaften Widerstand. Ich war einfach zu zu traurig und zu schwach. Müde war ich auch, denn ich hatte seit ich Mona, Lil. Eila und Gloria das letzte mal gesehen hatte nicht wirklich geschlafen. Wo auch immer sie mich hinbrachten, für eines war ich dankbar: Ich konnte endlich ein wenig schlafen.

Als wir endlich da ankamen, wo wir anscheinend hinwollten, stieg Rosa mit mir aus, Ihre Mutter auf der anderen Seite. Dann klingelten sie an der Haustür des dunklen, bedrohlich wirkenden Hauses. Ein Mann öffnete die Tür. Er trug eine schwarze Jogginghose, ein schwarzes Oberteil mit einem Totenkopf, viele Ketten um Hals und Hose. Er hatte eine Glatze, aber einen rauen Stoppelbart. Er war hochgewachsen und dürr und wirkte noch bedrohlicher als sein Haus. Verschüchtert zog ich mich in die Ecke zurück. „Ah, Corinna! Ist das der Bursche?" Ich zuckte bei der lauten und barschen Stimme des Mannes zusammen. „Ja, Daniel das ist er. Zu nichts zu gebrauchen. Vielleicht kannst du ja etwas mit ihm anfangen? Das „Etwas" betonte sie ziemlich komisch. „Klar, dafür reicht er alle mal. Gib her!" Er griff nach der Box in der ich saß, doch die Frau streckte ihn die Hand entgegen. „Kohle!" sagte sie nur. Der Mann seufzte, griff in seine Tasche, und zog ein kleines, grünes Papier hervor und reichte es der Frau. „Hier. Ich hoffe das reicht!" „Sollte es. Danke." sie drückte ihm die Box in die Hand. „Und ich will hoffen, das er nicht so schnell kaputtgeht!" Dann knallte die Tür.

Im inneren war alles schwarz: Die Wände, die Möbel, einfach alles. Der Typ knallte mich auf den einen Tisch, dann pfiff er. Ich dachte, er wollte das ich das auch tat, also kreischte ich los. Ein Fehler.
„Schnabel du blödes Vieh!" schrie er mich an. Ich sagte erstmal nichts mehr. In diesem Moment kam ein riesiger, schwarzer Hund mit Kette um den Hals herein. „Da, Bruno, etwa zu spielen!" der Blick des Hundes richtete sich auf mich.

(Achtung: wer keine Tiermisshandlung lesen möchte, hör hier auf!)

Der Hund bellte los und sprang auf den Tisch, holte mit der Tatze aus und fegte mich mit der Wucht einer Abrissbirne vom Tisch. Hart knallte ich auf dem Boden auf, erschreckt flatterte ich auf (Ich versuchte es zumindest) aber es brachte nicht viel. Ich schrie und kreischte voller Panik. „Genug!" der Hund ließ von mir ab und trabte davon. „ICH HATTE DIR DOCH GESAGT, DASS DU DEN SCHNABEL HALTEN SOLLST! JETZT REICHT'S!"
Er packte die Box, machte die Tür auf und packte mich grob an den Schwanzfedern. Ich wollte davon fliegen, aber es ging nicht. Der Mann marschierte mit mir zur nächsten Wand und holte mit mir in der Hand aus! Dann knallte mein Kopf dagegen. Ich schüttelte mich. Was war passiert? Und wieder knallte mein Kopf dagegen. Mir war schon total schlecht. Doch das reichte dem Typen nicht. Und wieder schepperte er mich mit voller Wucht dagegen. In meinem Kopf drehte sich alles, ich konnte nicht mehr. Und noch einmal knallte mein Kopf mit der Wand zusammen. Doch plötzlich wollte ich kämpfen ich breitete meine Flügel aus, um irgendwie von hier weg zu kommen, aber- es war das schlimmste, was ich hätte tun können: Als ich schon wieder dagegen knallte, knickte mein Flügel unglücklich ab. Ich schrie und versuchte zu fliegen, doch mein Flügel tat unendlich weh. Ich konnte nicht mehr fliegen! „Ich sagte doch, SCNABEL HALTEN!" brüllte er, und ein letztes Mal trafen mit einem harten, schmerzhaften Aufprall mein fast lebloser Körper und die steinharte Wand zusammen. Und dem Mann war es egal, wie sehr ich litt. „Wie? Wie konnte ein einzelner Mensch nur so grausam sein?" dachte ich noch. Danach geschah alles in Zeitlupe: Ich sah nochmal das Gesicht des Mannes, dann sah ich gar nichts mehr. Und mein letzter Gedanke war: Ob ich nun Gabriele wieder sehen würde?

...

„Flieg mit meinen Flügeln!"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt