03.

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Okay. Vielleicht war ich nie verliebt in Kati. Und das sag ich jetzt nicht nur, weil sie mitten auf der Straße mit mir Schluss gemacht hat. Ich will eine Beziehung, jemanden der immer da ist. Ein Ort, an dem man nicht direkt nach dem Sex gehen muss. Das war sie für mich, aber verliebt war ich nicht. Und deshalb fällt es mir auch viel zu leicht, sie zu vergessen und nach dem/ der nächsten Ausschau zu halten.


Was nach wie vor leichter gesagt ist, als getan. In der Uni gibt es vielleicht drei Jungs, von denen ich weiß, dass sie schwul sind. Mit einem hatte ich schon was und die anderen beiden sind einfach nicht mein Typ. Nur weil man auf das gleiche Geschlecht steht und es wenige Jungs zur Auswahl gibt, heißt das nicht, dass man sich gleich den Nächstbesten schnappen muss.

Bleiben also die Mädchen. Am Dienstag unterhalte ich mich eine halbe Stunde mit einer Studentin, bis sie mich fragt, ob ich nicht der bin, der neulich auf der Party mit einem Kerl rumgemacht hat. „Voll süß, dass du schwul bist", sagt sie aufgeregt.

„Ich steh auch auf Frauen", versuche ich ihr zu erklären, aber sie glaubt mir kein Wort.

Nachts im Club ist es einfacher, erotischer, aber auch viel weniger ernsthaft. Ich flirte viel, tanze viel. Meine Aufmerksamkeit richtet sich im Laufe des Abends auf ein Mädchen, das - wenn man ihren anzüglichen Blicken trauen kann - klares Interesse an mir hat. Nach dem dritten Bier vergesse ich das mit der Ernsthaftigkeit und wir machen ein bisschen rum, bis sie mich mit einem dreckigen Grinsen fragt, ob wir im Klo vögeln wollen. „Mein Freund ist grad im Ausland." Sie zwinkert und ich habe sofort keinen Bock mehr.

„Sorry", nuschele ich, wende mich von ihr ab und stoße dabei gegen Louis.

„Hi", sagt er.

„Nicht du." Ich versuche ihn abzuschütteln, als er sich an mich drückt und seine Hände an meine Hüfte legt.

Er grinst mich an. Er ist warm und riecht vertraut. „Ich beobachte dich schon eine ganze Weile."

„Du hast genug kaputt gemacht", maule ich ihn an und löse mich von seinem Griff. „Hau ab."

Er lacht und zieht mich zurück, als ich mich gerade umdrehen will. Er drückt mich dicht an sich, sodass unsere Körper sich berühren. „Ich muss schon sagen, das war eine wirklich ... lange Beziehung." Ich hole tief Luft und nehme dabei seinen verfluchten Geruch auf. Er riecht nach Kaminfeuer. Verbranntes Papier. Ich spüre, wie mir ein bisschen schwindelig wird. „Komm mit zu mir", raunt er.

„Nein."

„Komm schon."

Ich stoße ihn wieder weg, diesmal entschiedener. Dann zwänge ich mich durch die Menge nach draußen. Ich höre seine Schritte hinter mir. Als er meine Schulter berührt, bin ich kurz davor ihm eine reinzuhauen. Was bildet er sich ein? Dass ich so tue, als hätte er meine Beziehung nicht ruiniert? Als wäre es mir egal, dass er mich nie bis zum Frühstück bleiben lässt?

Ich wirbele herum und hole aus, doch bevor meine Faust sein Gesicht treffen kann, hält er meinen Arm fest. Ich knurre wütend, will ihn mit der anderen Hand schlagen, doch auch die hält er fest. Dann zieht er meine Arme auseinander, geht einen Schritt auf mich zu, direkt in meine Komfortzone und versucht mich zu küssen.

Sofort drehe ich mein Gesicht, um ihm auszuweichen und beginne zu fluchen. „Fahr zur Hölle!"

„Hey ... shhh. Harry." Er zieht mich näher und mit einem Ruck pralle ich gegen ihm. Er sieht mich grinsend an. „Entspann dich." Er küsst mich wieder, diesmal schnell und treffsicher, sodass ich erst ausweichen kann, als es zu spät ist und da ... da kann ich nicht mehr. Etwas vertrautes ist in seinem Kuss. Etwas tröstendes. Vertrautheit ist das, was ich will. Ich habe wahrscheinlich keinen Menschen so oft geküsst wie Louis. Meine Augen fallen zu. Er hält mich ganz fest, während wir uns küssen, offene Münder, schwerer Atem, heiße Zungen ...

Irgendwann sitzen wir dann im Bus. Er hat mich losgelassen als wir eingestiegen sind und die Neonlichter uns erhellt haben und ich bin wieder wütend. Wenn er mich will, soll er verdammt nochmal dazu stehen, und mich nicht wie einen Fremden behandeln, nur weil Leute dabei sind. Aus Protest lehne ich mich an ihn und hake mich bei ihm ein, hänge mich an ihn, wie ein Ertrinkender. Ich weiß selbst nicht was mit mir los ist. Der Bus ist voll mit Partygängern, vielleicht Leute die er kennt, und ich weiß, dass er es hasst so gesehen zu werden. Aber ich will nicht versteckt werden. Ich will nicht nur im Schatten geliebt werden.

Louis ist angespannt und unruhig, drückt mich immer wieder weg. Irgendwann lege ich meinen Kopf auf seine Schulter und kuschele mich an ihn. Er sitzt völlig versteift da und ich bin seltsam traurig. Ich halte seine Hand als wir die Treppen hochgehen. Ich bin anhänglich, das weiß ich. Aber ich bin es satt zu tun was er will.

Als kurz darauf im Bett seine Finger in mich gleiten, küsse ich seinen Hals, bis Flecken entstehen. Ich halte seinen Körper so dicht wie möglich, berühre ihn überall, mehr als sonst. Ich will ihn erkunden. Mein Mund huscht abwärts über seine Brust und er macht ein unzufriedenes Geräusch, weil seine Finger dadurch aus mir rutschen. Ich streiche über seinen Bauch, klettere abwärts, bis ich über ihm knie und die Innenseite seiner Oberschenkel mit den Lippen berühre.

„Was ist los mit dir heute? Das hast du noch nie gemacht." Er klingt genervt. Er ist wahrscheinlich der einzige Kerl, den ich kenne, der genervt ist, wenn man ihm einen blasen will. Mit einer Hand greift er nach meinem Arm und versucht mich wieder hochzuziehen, um mich schnell zu vögeln damit ich endlich wieder abhaue. Ich merke wie ich immer trauriger werde. Als ich meinen Mund um ihn lege, spannt sich sein ganzer Körper an. Irgendetwas ist intimer als sonst. Ich schmecke ihn, lasse meine Zunge spielen. Er scheint hin und hergerissen, mich wegzuziehen oder näher zu drücken. Ich werde schneller und sehe zu, wie sein Atem immer unruhiger wird. Als ich hoch sehe, treffen sich unsere Blicke. Er pulsiert in meinem Mund. Kurz darauf lasse ich von ihm ab, wische mit der Handfläche über meinen Mund und lege mich nackt wie ich bin, direkt auf seinen Körper. Plötzlich nicht mehr sexuell. Ich verstecke mein Gesicht in seinem Hals und finde seine Hände mit meinen. Er zögert einen Moment, verwirrt. „Was soll das?"

„Ich bin müde", verkünde ich.

Er schnaubt ungläubig und dreht uns herum, sodass er oben liegt, und spreizt meine Beine. Jetzt wird er mit mir schlafen und dann muss ich gehen. Es dauert keine Minute bis er in mich eindringt. Ich starre gegen die Decke, während er sich in mich stößt und obwohl ich die größte Lust verspüre, fühle ich mich auch gleichzeitig irgendwie missbraucht. Diesmal kommt er zuerst und macht sich nicht mal mehr die Mühe, weiterzumachen und auf mich zu warten. Keuchend bricht er neben mir zusammen. Ich drehe mich zu ihm hin. Jetzt sind es nur noch ein paar Minuten, bis ich gehen muss.

Ich will nicht.

Aus Protest, weil ich weiß dass er es hasst kuschele ich mich an ihn. Meine Hand findet seine, umschließt sie. Er lässt es nur solange zu, bis er seinen Atem wiedergefunden hat. Dann rührt er sich und sein Blick ist kalt. „Es ist spät."

Ich tue so als hätte ich ihn nicht gehört.

„Hey. Schläfst du?"

Ich lasse meine Augen geschlossen. Er löst seine Hand von meiner und rüttelt mich. So ein Arsch. Was ist verdammt nochmal so schlimm daran, wenn ich bei ihm schlafe? Ich öffne meine Augen und funkele ihn an.

„Es ist spät", wiederholt er, diesmal eindeutiger. Genauso gut hätte er verpiss dich sagen können. Ich weigere mich. Meine Hand streicht über seinen Rücken, ich rutsche näher, mein Mund auf seinem Schlüsselbein. Ich sage nichts. Er seufzt. „Mach nicht so ein Theater. Du weißt dass ich allein schlafen will."

Ich spüre erneute Wut, lasse ihn aber nicht los. „Du bist doch selbst schuld", sage ich leise.

„Was soll das heißen?"

Ich sehe ihn böse an und meine Stimme wird fester. „Das soll heißen, dass ich ohne dich gerade neben meiner Freundin liegen könnte. Dass ich verdammt nochmal hier liegen bleiben will und One Night Stands hasse!"

Er ist still für ein paar Sekunden. Er blinzelt nicht mal. „Du kannst hier nicht schlafen", sagt er dann mit einem Ton, der keine Widerrede zulässt.

Tränen steigen in meine Augen, ob vor Wut oder Verzweiflung, keine Ahnung. Ich lasse ihn los und setze mich ruckartig auf. Er soll nicht sehen, dass ich heule. Ohne eine Wort wende ich ihm den Rücken zu und suche meine Klamotten zusammen.

Bevor ich gehen kann, sagt er doch noch was. „Such dir ne anständige Freundin. Nicht so wie die letzte. Und hör auf mir die Schuld zu geben. Du hast dir das selbst verdorben. Niemand zwingt dich mit mir zu schlafen, okay?"

In diesem Moment nehme ich mir vor, Louis für immer zu hassen und ihn niemals wieder zu sehen. Ich verschwinde ohne einen weiteren Blick.

hunt me downWo Geschichten leben. Entdecke jetzt