10.

1.8K 141 27
                                    

Mein Gesicht pocht vor Schmerzen, als ich vor seiner Tür stehe und Sturm klingele. Ich merke es kaum. Alkohol hat schon immer gut gedämpft.

Es ist nach zwei Uhr, die Luft ist kalt und mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, warum ich überhaupt hier bin. Ich weiß nur noch, dass ich Louis sehen wollte und ohne nachzudenken in den Bus gestiegen bin. Jetzt bin ich hier und es ist zu spät für einen Rückzug.

Es dauert eine ganze Weile bis ein Sirren ertönt und ich die Haustür mit der Schulter aufdrücke. Mitten in der Nacht die Tür aufmachen ohne zu wissen wer unten steht ... sowas würde auch nur Louis fertigbringen. Im Treppenhaus riecht es seltsam, und mit jeder Etage, die ich hochgehe, wird der Geruch penetranter. Das ist Gras, Tabak und noch irgendwas anderes. Ich erreiche Louis' Tür und klopfe. Von drinnen ertönen Geräusche, dann macht er auf. Er ist nicht allein.

Schräg hinter Louis steht der Junge, den ich neulich mit ihm im Club gesehen habe, trägt nur eine knappe Unterhose und sieht mich befremdlich an. Ich hole tief Luft, als würde ich mich innerlich auf einen Kampf vorbereitet, aber seien wir ehrlich: was habe ich anderes erwartet? Klar, er hat mir neulich seine Gefühle gestanden, aber das heißt nicht, dass er seitdem nur in seiner Wohnung hockt und darauf wartet, dass ich endlich zu ihm komme.

„Ich", beginne ich, überlege kurz einfach wieder umzudrehen. „Ich weiß nicht warum ich hier bin."

Louis scheint nicht sonderlich überrascht, mich zu sehen. Überhaupt wirkt er etwas abwesend. Seine Augen sind dunkel, er hat wahrscheinlich irgendwelche Drogen intus. Er mustert mich von oben bis unten. „Weil du mich vermisst hast", sagt er dann klipp und klar, als wäre es selbstverständlich. Er wendet sich dem Jungen zu und murmelt etwas, das stark wie „du bist fertig hier" klingt. Dieser hat sofort einen verletzten Ausdruck im Gesicht, gemischt mit Wut, die ich nur zu gut nachvollziehen kann. Louis ist ein Herzensbrecher. Er wirft die Leute raus, die bleiben wollen.

Der Junge verschwindet in der Wohnung und kommt wenige Sekunden später mit seinen Klamotten zurück, rempelt Louis an, murmelt „Arsch" und rauscht dann an mir vorbei die Treppe runter.

„Er hat recht", stimme ich zu, sehe Louis an. „Du bist ein Arsch."

„Ich weiß." Er reibt sich unbeeindruckt die Stirn. „Aber vor allem bin ich ziemlich dicht. Komm rein."

In der Wohnung ist der Geruch kaum auszuhalten. Tabak ist noch das angenehmste. Haben die hier eine Drogenparty veranstaltet? Louis führt mich ins Schlafzimmer, auf dem Bett verstreut liegen Klamotten, Filter, Tütchen. Er sammelt alles auf und häuft es auf dem Boden in eine Ecke, öffnet das Fenster, setzt sich im Schneidersitz auf die Matratze und beginnt, sich eine Zigarette zu drehen. Ich sehe zu.

„Willst du was Bestimmtes?", fragt er und sieht auf. „Du siehst gut aus übrigens."

Das kann ich über ihn nicht gerade sagen. Unter seinen Augen befinden sich dunkle Ringe, sein Körper sieht geschwächt aus. „Ich-"

„Hey, ist das Blut? Komm mal her." Er richtet sich auf, streckt eine Hand aus, um mir klarzumachen, dass ich näherkommen soll. Als ich ein paar Schritte auf ihn zu gehe, zieht er mich zu sich, mit genug Kraft, dass ich beinahe auf seinem Schoß lande. Ich habe das Gefühl, seine Motorik funktioniert gerade nicht sonderlich gut. Er scheint völlig neben sich zu sein. Seine Augen erforschen mein Gesicht genauestens, dann streicht er mit dem Finger über meine Wange. Ich zucke zusammen, als er die Stelle berührt, die leicht angeschwollen ist. Seine Bewegung ist unkoordiniert, die Hand zittert. Sein Blick rutscht auf meinen Mund, und als sein Finger über meine blutige Lippe streicht, bin ich davon überzeugt, dass er mich gleich küsst. Er tut es nicht.

„Welcher Wichser hat das getan?", fragt er ganz ruhig. „Sag mir den Namen und ich bringe ihn um." Er sieht aus, als würde er nicht wissen, was er da sagt. „Ich mein's ernst Harry." Dann, als wäre er durch etwas abgelenkt sagt er: „Hab ich dir gesagt, wie schön du aussiehst? Verdammt schön." Er starrt mich an und ich sehe zurück. „Also. Wer war es?"

„Der selbe Scheißkerl, der uns das eine Mal im Klo angegriffen hat."

Wut funkt in seinen Augen auf. Er lässt mich los, murmelt etwas Unverständliches und scheint dann mit Anstrengung zu versuchen, ruhig zu bleiben, stopft gedankenverloren den Tabak ins Papier. Nach einigen Sekunden sieht er mich wieder an. „Wenn du was brauchst, ich hab irgendwo einen Medizinkoffer ... Ich weiß nur nicht, ob ich ... in der Lage bin, den jetzt zu finden."

„Es geht schon, ist halb so wild."

Er nickt, seine Augen unergründlich. „Brauchst du sonst was?" Er deutet auf die Zigarette in seiner Hand und ich schüttele den Kopf. Er zündet sie sich an und ich beobachte ihn. Ich habe den Gedanken an ihn seit Monaten verdrängt, aber jetzt erst fällt mir auf, wie schlecht es ihm geht. Er sieht völlig fertig aus. Ich hoffe, das liegt nicht an mir.

Als ich mich nach hinten auf die Matratze fallen lasse, folgt er mir und legt sich neben mich. Wir starren gemeinsam die Decke an. Ich würde ihn gerne fragen, wie es ihm geht. Ob er gerade in einem schwarzen Loch versinkt, und warum. Warum er so kaputt aussieht. Was er braucht, damit es ihm besser geht. Aber ich sage nichts. Ich will überhaupt nicht reden. Mir ist schwindelig, ich bin jetzt hier, und ich weiß nicht warum, aber ich weiß, dass ich ihn vermisst habe. Und dass ich ihm endlich wieder nah sein will.

„Ziemlich heiß hier drin", murmelt er nach einer Weile. Mir ist kalt, das Fenster steht jetzt seit einiger Zeit offen. Louis steht auf, drückt die Zigarette aus und zieht sich dann sein T-Shirt über den Kopf, wirft es achtlos in die Ecke. Er sieht dünn aus, die Farbe seiner Haut hat einen ungesunden Schimmer.

„Louis", beginne ich. Er steht neben dem Bett und sieht mich an. „Kriegst du noch alles mit?"

Er zuckt mit den Schultern. „Leicht verschwommen."

„Kann ich über Nacht bleiben?"

„Ja. Jederzeit." Er tut so, als wäre es selbstverständlich. Stellt keine Fragen. Er merkt, dass ich leicht zittere. „Ist dir kalt?"

Ich nicke. Er macht das Fenster zu und als er sich dann wieder hinlegt, zieht er die Decke über mich und rutscht ganz nah. Nur berühren tut er mich nicht. Warum nicht? Ich bin hier, es ist mitten in der Nacht und wir liegen in seinem Bett - normalerweise hätte er schon längst was versucht.

Ich rutsche näher, bis sich unsere Körper berühren, und merke, dass er sich sofort verkrampft. Ich sehe hoch. „Was ist los?"

„Nichts."

Ich kann zwischen all dem Tabak jetzt wieder seinen vertrauten Geruch wahrnehmen und er benebelt mich, erinnert mich an eine Zeit, an der ich ihn so oft neben mir gespürt habe, seine starken Arme, seinen Körper. Meine Hände finden seine Hüfte und meine Nase schiebt sich an seinen Hals. Ich will ihn ganz nah an mir spüren.

Harry", presst er hervor, wie eine Warnung.

„Was?"

„Ich ... kann mich nicht kontrollieren ... nicht so."

Seine Haut glüht förmlich. Als ich noch näher rutsche, merke ich, dass er hart ist und muss beinahe lachen. Seit wann versucht Louis Tomlinson sich zu kontrollieren? Das hat ihn doch sonst auch nicht gestört. Normalerweise nimmt er sich, was er kriegen kann. Oder hat er meine Worte letztes Mal ausnahmsweise ernst genommen und wagt es jetzt wirklich nicht mehr? Ich streiche mit dem Daumen über seine Hüfte, genieße die Wärme und sage: „Du musst dich nicht kontrollieren."

Er atmet erleichtert aus, dann rutscht seine Hand seinen Bauch hinab und direkt in seine Boxershorts. Er beginnt, sich selbst zu berühren. Mich berührt er nicht. Sein heißer Atem steigt mir zu Kopf und ich höre auf zu zittern. Je schneller die Bewegung seiner Hand, desto heißer wird mir und desto mehr will ich ihn an mir spüren. Ich öffne meine Hose, hoffe, er fühlt sich jetzt ermutigt aber er sieht mich nur an. Ich schiebe die Decke von uns. Komm schon. Muss ich ihm die Erlaubnis erteilen?

Leicht benebelt greife ich nach seinem Handgelenk und ziehe die Hand aus seiner Hose, nur um sie zwischen meine Beine zu führen. Seine Augen werden groß. „Was machst du da?", fragt er, sein Atem schneller. „Bist du high?"

Ich verdrehe die Augen. Wenn von uns beiden einer high ist, dann ja wohl er. Ich ignoriere die Frage und beuge mich über ihn, führe seine Hand direkt über meinen Schritt.

„Harry." Seine Pupillen sind riesig. Er sucht meinen Blick. „Ich – Ich hab mir geschworen, dich nicht mehr – Sonst bist du hinterher wieder wütend."

So unbeholfen und verwirrt habe ich ihn noch nie gesehen. „Gott, Louis. Du darfst, okay? Du darfst mich anfassen. Ich bitte dich sogar darum." Ich lege ein Bein über seine Hüfte und ziehe ihn näher.

„Oh", macht er nur, für einen Moment überrascht, dann verdunkelt sich der Blick und alles geht ganz schnell. Mit einem Mal ist er über mir. Seine Hände sind wie Blitze. Die eine rutscht in meine Haare, die andere versucht umständlich, meine Hose loszuwerden. Ich helfe ihm, mein Herz rast, fuck, ich hab das echt vermisst. Seine Zielstrebigkeit. Dass er sich nimmt, was er will. Ich schließe die Augen und öffne den Mund. Er küsst mich fest und heiß, leckt das Blut von meinen Lippen und ich ignoriere den Schmerz und den Geschmack nach Tabak, lasse mich einfach in die Matratze fallen. Mein Körper ist wie elektrisiert. Ich habe vergessen, wie es sich anfühlen kann.

Es dauert ein paar unkoordinierte Bewegungen und einige Anstrengung, dann liege ich komplett nackt unter ihm und er zieht meine Beine auseinander. Wir haben nichts geklärt, nicht geredet, nichts ist gewiss, außer dass ich zu betrunken bin um klar zu denken und er sonst was genommen hat, also verschiebe ich den Gedanken auf später, lasse ihn einfach machen. Ich will ihn jetzt. Ich will ihn endlich wieder spüren.

Seine Finger dringen in mich ein, erst einer, dann zwei, drei ... mein Körper ist das nicht mehr gewohnt. Ich strecke meinen Rücken durch und muss den Kuss lösen um atmen zu können. Louis' Lippen fahren über meinen Hals, als würde er meine Haut erkunden, jeden Millimeter ergründen wollen. Wir glühen beide, und als er schließlich meine Oberschenkel mit beiden Händen weit auseinanderzieht und in mich eindringt, scheint etwas zwischen uns zu explodieren.

„Harry", keucht er, beißt leicht in meinen Hals. Ich verkrampfe meine Finger in dem Bettlaken. „Weißt du ... weißt du, dass du so viel besser bist, als alle anderen?"

Ich atme schwer, er dringt immer tiefer, mit jeder Bewegung stößt er die Luft aus meinen Lungen. Ich lecke mir über die Lippen und schließe die Augen.

„Du bist so gut." Sein Mund wandert wieder höher, meinen Kiefer entlang. Dann küsst er die Stelle direkt unter meinem Ohr. „Ich habe jemanden wie dich nicht verdient."

Er beginnt, sich in mich zu stoßen, unkoordinierter als früher. Er hat keine Kontrolle, als würde sein Körper sich von alleine bewegen, und kurz ist der Schmerz kaum auszuhalten. Ich bin das einfach nicht mehr gewohnt.

„Warte", bringe ich heraus, greife nach seinen Hüften um seine Bewegung zu verlangsamen.

„Sorry." Er atmet schwer, geht langsamer, bis mein Körper sich um ihn weitet. Er küsst mich wieder und mir wird immer heißer, als wir einen Rhythmus finden. Er dringt tief in mich ein, ich keuche seinen Namen. Es dauert nicht lange, nur noch ein paar Stöße ...

Stöhnend ziehe ich ihn näher, lege meine Arme um seinen Rücken, um ihn ganz nah zu haben, als die Hitze sich in meiner Mitte sammelt. Ich presse die Augen zusammen, lege meine Beine um seine Hüften. Er kommt kurz nach mir, bricht auf mir zusammen. Wir ringen beide nach Luft.

„Du bist unglaublich." Sein Atem ist heiß auf meinem Hals. Ich schließe die Augen und versuche mich zu beruhigen. Wie oft ich hier schon lag. Diesmal will ich bleiben.

Nach einer Weile beginne ich, durch seine Haare zu streichen. Sein Atem wird langsam ruhiger und meiner auch. Schließlich bewegt er sich, zieht sich raus und legt sich neben mich. Ich spüre ein seltsames Herzrasen, die Angst, dass er gleich aufsteht und mir sagt, dass ich gehen soll. Aber er tut es nicht.

Stattdessen sucht und findet er meine Hand, führt sie zu seinem Mund und küsst sie sanft. Ich drehe mich zu ihm und rutsche näher, kuschele mich an ihn, atme ihn ein. Er legt seine Arme um mich. So schlafen wir ein. Und ich bleibe.


//

Am Morgen wecken mich warme Lippen, kitzeln meine Wange, dann meinen Mund. Ich blinzele und sehe Louis, der sich über mich gebeugt hat, einen Arm auf das Kissen abgestützt, die andere Hand auf meinem nackten Bauch. Er küsst mich sanft, dann zieht er seinen Kopf zurück und sieht mich forschend an. „Endlich wach?"

Ich blinzele noch ein paarmal, nicke und kann ihn nur ansehen. Im Licht der Morgendsonne wirkt er deutlich gesünder als gestern. Ein Funkeln erhellt seine Augen.

„Ich weiß nicht, warum das gestern passiert ist ... aber du bist hier."

„Ich bin hier", stimme ich zu.

Sein Finger streicht von meinem Bauch über meine Brust, sein Blick scheint mich ergründen zu wollen. „Und warum bist du hier?"

„Weil ..." Meine Augen huschen über seine. Was will er? Eine Liebeserklärung? Ein Versprechen? So früh am Morgen? Ich räuspere mich. „Weil du neulich gesagt hast, dass du dich in mich verlieben könntest. Und ... Und weil Mila Schluss gemacht hat."

Er zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt dann den Kopf, lacht sogar kurz. „Du bist ja total bescheuert." Er rutscht näher, legt seine Hand auf meine Stirn als wollte er Fieber messen. „Redest nur von mir und ihr aber nicht darüber, was du selbst willst."

Ich werde rot und verdrehe die Augen, um es zu überspielen. „Vielleicht", beginne ich zögerlich. Er sieht mich erwartungsvoll an, die Stirn in Falten gelegt. „Vielleicht wäre ich gerne geblieben. Schon die ganze Zeit. Schon lange vor Mila. Vielleicht wollte ich ... schon immer. Und du Arsch hast mich jede Nacht rausgeschmissen."

Ein selbstgefälliges Grinsen erreicht seine Lippen. Ich verdrehe wieder die Augen, greife nach einem Kissen, um es gegen seinen Kopf zu werfen. Er lacht, legt seine Arme um mich und hält mich ganz fest, so fest, dass ich kaum atmen kann. Als er wieder spricht ist seine Stimme ernster. „Ich hab schon gedacht, du kommst nicht mehr." Etwas in den Worten drückt eine Unsicherheit aus, die mir völlig fremd bei Louis ist. Ich streiche sanft über seinen Rücken. „Ich dachte, ich muss ewig warten", fügt er hinzu.

„Jetzt bin ich ja da", sage ich ruhig. Es liegt noch so viel zwischen uns, so viel ist unausgesprochen, nichts ist gewiss. Aber in diesem Moment könnte ich nicht glücklicher sein. „Und ich werde nicht wieder gehen", verspreche ich. Louis hält mich noch eine ganze Weile in seinen Armen, lässt mich nicht los, so als würde er das jetzt brauchen. Ich lasse ihn.



Später im Bus sitzen wir nebeneinander. Menschen sind unterwegs. Große, kleine, alte, junge. Männer und Frauen. Ich sehe ihn fragend an und er nickt. Ich lehne mich an ihn, so wie es nur Paare tun, nehme seine Hand und spüre, wie er einen Kuss auf mein Haar drückt. Wen es stört, denke ich. Der soll es nur wagen sich zu beschweren.

hunt me downWo Geschichten leben. Entdecke jetzt