Prolog

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Er schaute von seinem Bildschirm auf und blickte aus dem Fenster seines Eckbüros. Er mochte seinen Job, sein Leben und an einem Tag wie heute würde er es noch mehr genießen. Er beschloss in seiner Mittagspause trotz der bitteren Kälte in die Stadt zu laufen, um dort noch letzte Besorgungen zu machen und schnell etwas zu essen.


Auf dem Weg genoss er die Sonne auf seiner Haut und fragte sich, warum er das nicht öfter tat. Es waren nur ein paar hundert Meter von seinem Büro in den historischen Stadtkern, wo es nur so von kleinen Cafés und Bistros wimmelte. In diesen ersten Wochen des neuen Jahres waren die grauen, verregneten Weihnachtstage schnell vergessen und die Menschen freuten sich. Seine Freude war groß, denn heute nach der Arbeit würde sie am Bahnhof ankommen und dort auf ihn warten. Nach den endlos erscheinenden Wochen würde er sie endlich wieder in die Arme schließen können, auch wenn es schon jetzt ersichtlich war, dass sie sich wehren und ihn anmeckern würde wie peinlich sein Verhalten wäre. Doch er würde jede Sekunde davon genießen, denn es war ja selten genug, dass seine Tochter zu Besuch kam.


Er ging zu einem kleinen Kaffeewagen und bestellte einen Cappuccino mit Sahne. Nach dem Bezahlen nahm er seinen Becher an sich. Unvermittelt traten zwei Männer an ihn heran. Der eine war ein kleiner, schmieriger Typ im Anzug mit zurückgelegten Haaren und einem verschlagenen Lächeln, wohingegen der andere ein bulliger Typ mit mehr Muskeln als Hirn zu sein schien, der mit Sicherheit niemals lachte. Er grüßte und wollte sich zum Gehen wenden als der kleine Mann ihn ansprach. "Entschuldigen Sie, Sir. Arbeiten Sie nicht im Ministerium für Wirtschaft?" "Ja, ich arbeite dort, aber woher wissen Sie das?" "Das tut jetzt nichts zur Sache. Mein Boss möchte sich gerne einmal mit Ihnen unterhalten und Ihnen ein Angebot unterbreiten, dass Sie sicher nicht ablehnen können." Er runzelte die Stirn. Die Männer waren mit großer Wahrscheinlichkeit osteuropäischer Herkunft, Russland oder Serbien vermutlich, er betrachtete sie eingehend und sagte dann: "Danke, aber nein danke. Ich habe absolut kein Interesse daran mich mit ihrem Boss zu unterhalten. Wenn sie mich bitte entschuldigen, ich muss zurück ins Büro." Als er sich abwandte um zu gehen, hielt ihn der Bullige am Arm zurück und der kleine zischte ihn an: "Sie sollten besser aufpassen mit wem sie es sich verscherzen. Mein Boss wird nicht begeistert sein, sie sollten es sich noch einmal überlegen. Falls nicht... Nun ja, man weiß nie, was so alles geschehen kann." Damit drehte der Anzugträger sich um und ging. Der Bullige folgte ihm auf den Fuß und die beiden verschwanden in der Menge, die sich durch die Altstadt schob.


Zurück im Büro hatte er den Vorfall bereits vergessen, denn seine Vorfreude stieg von Minute zu Minute. Vertieft in seine Arbeit saß er am Schreibtisch, als unbemerkt ein Mann in sein Sichtfeld trat. Dieser war zwar etwas größer aber genauso schmierig wie der kleine Mann zuvor. Er räusperte sich. "Entschuldigen Sie, aber mein Kollege hat mir mitgeteilt, dass sie eine Kooperation mit der Organisation meines Bosses ablehnen. Ich finde, dass Sie noch einmal eingehend darüber nachdenken sollten. Es wird nicht ihr Schaden sein weder finanziell noch karrieretechnisch." Anhand seines Akzents konnte man auch ihn als Osteuropäer identifizieren, was jedoch in diesem Moment eher nebensächlich war, denn er hatte gerade versucht einen Beamten zu bestechen.

Als der Mann zehn Minuten später von zwei Sicherheitsbeamten nach draußen begleitet wurde, lag bereits ein fertig getippter Bericht über den Vorfall zusammen mit Beschreibungen aller Beteiligten im Postfach des zuständigen Vorgesetzten. Doch für heute würde er nichts weiter tun als die Zeit mit seiner Familie zu genießen. Er packte seine Sachen zusammen und verließ das Büro. Den kurzen Weg zu seinem Haus legte er zu Fuß zurück. Seine Frau erwartete ihn zusammen mit ihrem Sohn und ihren Eltern voller Vorfreude und unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Sie stiegen alle gemeinsam in das Familienauto und machten sich auf den Weg. Die Stimmung war ausgelassen, Gelächter und freudige Erwartung erfüllten die Luft und machten sogar den nachmittäglichen Stadtverkehr erträglich. Nur noch ein paar Minuten und er konnte sie endlich wieder in die Arme schließen...

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