Seit etwa einer halben Stunde fuhr sie durch eine geradezu malerische Landschaft ohne auch nur einem einzigen anderen Fahrzeug begegnet zu sein. Jetzt in der morgendlichen Frühlingssonne wirkte das Gras grüner und der Himmel blauer als normal, doch vielleicht empfand sie es auch bloß so. Denn mit jedem Meter den sie sich der Akademie für Spezialtaktiken und besondere Fähigkeiten, kurz ASF, näherte, wuchs ihre Aufregung und ihre Nervosität. Sie fragte sich, ob sie mit dieser Abgelegenheit klarkommen würde, falls sie tatsächlich an der Akademie angenommen würde. Sie hatte ihr ganzes Leben in der Stadt verbracht, wo man zu jeder Tages- und Nachtzeit alles bekommen konnte. Hier jedoch gab es nichts außer Bäumen, Hügeln und Feldern.
Vor ihr kam eine Abzweigung in Sicht. Sie sah den Wegweiser mit dem Namen Kloster Schattental und bog in die schmale gewundene Straße ein, die hinab ins Tal führte. Während des Frühstücks hatte sie eine kurze Recherche durchgeführt und herausgefunden, dass die Akademie von Viktoria Korotkova so gut wie unbekannt war. Die einzigen greifbaren Informationen, die im Netz zu finden waren, betrafen den Standort in einem ehemaligen Kloster, das seinen Namen Schattental aufgrund seiner Lage in einem Tal auf der Schattenseite des nahe gelegenen Bergfelsens bekommen hatte. Auch über Viktoria Korotkova selbst war nichts zu finden und zwar nirgendwo. Es war als würde diese Frau gar nicht existieren. Und wenn jemand seine Existenz oder gar die Existenz einer ganzen Akademie fast vollständig aus den sozialen Medien heraushalten oder entfernen konnte, so war Elisa von diesem Jemand definitiv beeindruckt. Denn sie wusste wie schwierig es war seine Daten zu schützen, schließlich hatte sie ein abgeschlossenes Informatikstudium mit Fachrichtung Datensicherheit. Somit fand sie es umso interessanter, dass es über diese Institution und ihre Leiterin nichts zu finden gab. Auch wenn sie aufgrund der doch sehr begrenzten Zeit nicht allzu gründlich gesucht hatte, war sie sich sicher, dass sie nichts übersehen hatte.
Während sie über die geheimnisvolle Viktoria Korotkova nachgrübelte, kamen mehrere Gebäude in Sicht, die in strahlendem Weiß aus der Landschaft hervorstachen. Je näher sie heranfuhr, desto genauer konnte sie die einzelnen Bauwerke erkennen. Sie passierte ein großes Tor als sie das Gelände erreichte. Hinter dem Tor auf der Linken Seite befanden sich die Parkplätze für Besucher und Gäste der Akademie, rechts war hinter einer hohen Hecke ein Wohnhaus zu erkennen. Elisa stellte ihren Wagen auf dem Parkplatz ab und stieg aus. Ihre Reisetasche ließ sie im Kofferraum und ging nur mit ihrer Handtasche und dem Brief mit Datum und Ort auf ein riesiges Gebäude am Ende des Parkplatzes zu. Dieses Gebäude schien das Hauptgebäude zu sein, denn dort standen Menschen vor der Tür und betraten einer nach dem anderen das imposante Bauwerk. Während sie sich dem Eingang näherte, blickte sie sich um. In der Nähe der Einfahrt hatte sie bereits eine Art Sportplatz und irgendetwas, dass von einer Mauer umgeben war, erspäht. Als sie jetzt an der Mauer vorbeischauen konnte, sah sie zwei weitere Gebäude. Von diesen wirkte eines wie eine hochmoderne Lagerhalle oder etwas ähnliches, wohingegen das andere Gebäude eher dem Stil des Hauptgebäudes entsprach und vermutlich früher ebenfalls zum Kloster gehört hatte.
Sie erreichte die Schlange von Leuten, die das Gebäude betreten wollten, und stellte sich in die Reihe. Vorne an der Tür wurde jeder Besucher nach seinem Ausweis gefragt und wurde anhand seiner Daten überprüft. Elisa erkannte, dass der Laptop auf dem Tisch der Frau, die die Ausweisdaten eingab und nickte, falls alles in Ordnung war, ein Modell war, das noch gar nicht auf dem Markt erhältlich war. Mit diesen Rechnern wollte man erreichen, dass man extrem schnell große Datenmengen auf einem mobilen Gerät verarbeiten konnte. Sie blickte ungläubig, da ein solcher Computer für eine simple Datenüberprüfung vollkommen überdimensioniert war. Als sie den Tisch der Frau erreichte, hielt Elisa ihr ihren Ausweis hin und die Frau tippte. Dann nickte sie dem Sicherheitsmann vor dem Eingang zu und dieser trat zur Seite, damit Elisa an ihm vorbei das Gebäude betreten konnte.
Staunend betrat sie eine weitläufige Halle mit zwei Treppen, die zu beiden Seiten einer hölzernen Flügeltür in die oberen Stockwerke führten. Die Flügeltür war weit geöffnet und man konnte dahinter einen großen, lichtdurchfluteten Raum erahnen. Ein junges Mädchen in einem schwarzen Jackett und mit einem Tablet in der Hand trat auf sie zu. Das Mädchen lächelte und fragte Elisa nach ihrem Namen. Sie gab etwas auf ihrem Tablet ein und bat Elisa ihr zu folgen. Noch immer vollkommen fasziniert von der imposanten Halle folgte Elisa dem Mädchen durch die Flügeltür.
Dahinter befand sich eine Art Hörsaal mit Stühlen, die sich in zehn Reihen zu je zwanzig Plätzen vor einem Podium befanden, wobei ein Mittelgang die Stuhlreihen in zwei Blöcke unterteilte. Auf dem Podium stand ein Rednerpult, hinter welchem sechs Stühle aufgereiht waren. Das Mädchen deutete auf die Stühle rechts des Gangs und sagte: "Suchen Sie sich einfach einen Platz, aber bitte auf dieser Seite des Gangs." Dann verließ sie den Saal wieder und Elisa sah sich um. Es schien keine offensichtlichen Kriterien zu geben, nach denen die Einteilung stattfand, wer rechts und wer links vom Gang saß. Doch Elisa war sich sicher, dass ein System dahintersteckte. Einige waren in Gespräche vertieft, andere schienen bewusst für sich zu bleiben und wieder andere standen noch unentschlossen im Raum herum. Sie setzte sich auf einen Stuhl am Gang in einer der mittleren Reihen. Sie hatte gerade Platz genommen, als die Frau aus dem Park das Podium betrat und um Ruhe bat. Jetzt nahmen alle Umherstehenden ihre Plätze ein und blickten gespannt zum Rednerpult. Auf den Stühlen hinter dem Pult hatten sich inzwischen zwei Frauen und drei Männer niedergelassen. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, begann die Ansprache: "Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserem alljährlichen Auswahltraining für den neuen Jahrgang unserer Akademie. Mein Name ist Viktoria Korotkova und ich bin die Leiterin dieser Institution."
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Die Akademie
ActionEtwas stimmt nicht mit den Ermittlungen im Fall deiner Familie. Du weißt es und willst etwas tun. Aber was? Was tust du, wenn du alleine bist? Wenn du weißt, dass niemand anderes etwas tun wird? Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst? Dann trit...