Kapitel 8

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Auch an diesem Tag erwachte Elisa im Morgengrauen, erledigte ihre morgendliche Routine im Bad und startete dann zu ihrem Spaziergang. Als sie über die Brücke in den Wald ging, hatte sie ihn bereits entdeckt. Trotzdem ging sie ganz gelassen weiter und ließ sich nichts anmerken. Obwohl sie nicht in seine Richtung sah, konnte sie förmlich spüren wie sein Blick auf ihr ruhte. Es war wie das Prickeln der Haut im Sonnenlicht, wie eine alles durchdringende Wärme, die sich mit einem wohligen Schauer im ganzen Körper ausbreitet und einem unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Dann verschwand sie lächelnd aus seinem Blickfeld. Im selben Moment, in dem er sie nicht mehr sehen konnte, fing sie an zu rennen. Sie sprintete über die Metallbrücke, wandte sich nach rechts und verließ dann den Weg in Richtung Bachufer. Jetzt schlich sie zwischen den Bäumen auf die Stelle zu, an der er gestanden hatte. Sie bewegte sich leise und kalkuliert, sodass nichts - kein Geräusch und kein Schatten - ihre Position preisgab. Da er noch immer an dem Baum lehnte, über den Bach starrte und darauf wartete, dass sie dort wieder auftauchte, musste sie grinsen. Der Anblick dieses Kerls, wie er einfach dort stand und hoffnungsvoll auf die andere Seite starrte, ließ ihren Atem stocken. Die Ähnlichkeiten, nicht im Aussehen sondern hauptsächlich im Verhalten, fielen ihr erst jetzt richtig auf und sie musste sich eingestehen, dass Joshua ihrem Bruder hier unbeschreiblich ähnelte. Sie schüttelte die Gedanken an ihre Familie ab, holte tief Luft und schlich weiter auf ihn zu.


Es war feucht und die Luft lag kühl und neblig über dem kleinen Bach, während er wartete, dass sie wieder zurückkam, hing er seinen Gedanken nach. Er war so darin versunken, dass er erschrocken zusammenzuckte als jemand ganz nah an seinem Ohr flüsterte: "Es ist sehr unhöflich junge Damen im Wald zu beobachten." Langsam drehte er sich um in der Erwartung einem der Lehrer oder Angestellten gegenüber zu stehen, aber dort stand sie und grinste ihn mit blitzenden Augen an. Er erstarrte und musste schlucken, er überlegte fieberhaft, was er sagen, wie er es ihr erklären sollte. Aber bevor er etwas zu seiner Verteidigung hervorbringen konnte, drehte sie sich um und verschwand in Richtung des Weges. Diese Frau würde ihn garantiert wahnsinnig machen, denn sie war nicht nur atemberaubend schön mit ihren eisblauen Augen, sondern auch wachsam und leise wie eine Katze.


Sie ging zum Frühstück. Heute war der dritte und letzte Tag des Auswahlverfahrens. Die beiden anderen saßen bereits an ihrem angestammten Platz am hinteren Ende des Tisches. Sie nahm neben Jennifer platz und blickte auf Natascha, die ihr gegenüber saß. Beide sahen nicht besonders munter aus. "Was soll die schlechte Laune?" "Wir wollen endlich wissen, was die letzte Aufgabe ist.", grummelte Natascha über ihrem Müsli. Gerade als Elisa etwas erwidern wollte, bat Viktoria Korotkova um Ruhe. "Ich weiß, sie sind alle aufgeregt und wollen wissen, was die heutige Aufgabe sein wird. Also hören sie zu. Wir werden ein Turnier veranstalten. Wir haben in der Trainingshalle zwei Kampfkäfige aufgebaut und sie werden in diesen Käfigen gegeneinander antreten." Aufgeregtes Gemurmel breitete sich im Saal aus. "In einem Käfig kämpfen die Männer, in dem anderen die Frauen. Die Paarungen werden gelost und wenn sie gewinnen, kommen sie eine Runde weiter. Und jetzt: Ziehen sie sich um und kommen sie hinüber in die Halle. Das Turnier beginnt in Kürze. Geben sie ihr Bestes!" Elisa blickte zuerst Natascha und dann Jennifer an. Sie gingen hinauf in ihr Zimmer und zogen sich um. Keine von Ihnen hatte ein Wort gesagt. Jennifer brach als erste das Schweigen: "Hört mal ihr zwei! Ich will nicht, dass ihr Rücksicht auf mich nehmt, wenn wir gegeneinander kämpfen müssen." Natascha und Elisa tauschten ein verständnislosen Blick und Natascha fragte: "Warum sollten wir das tun? Du hast uns erzählt, dass deine Mutter dich 10 Jahre lang zweimal die Woche zum Judo geschleppt hat. Also gehe ich davon aus, dass du dich wehren kannst." "Eben", stimmte Elisa ihr zu. "Außerdem: Möge die Beste gewinnen. Und hoffentlich ist es eine von uns!" Sie alle grinsten und gingen gemeinsam hinüber in die Trainingshalle.

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