Tamina-Tom II

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Bis wir vor die Tür zum Mädchenklo gelaufen sind, sagt keiner von uns beiden ein Wort. Ich hasse es. Ich hasse es so sehr aufs Mädchenklo zu gehen. Deswegen mache ich es in der Schule auch nie. Ungesund für die Blase, ich weiß, aber ich fühle mich sonst einfach nicht wohl. Es fühlt sich einfach nicht richtig an auf das Mädchenklo zu gehen, auch wenn ich im Körper eines Mädchens stecke- aber auf dem Jungklo würde ich mich sicher genauso unwohl fühlen.

„Ich hab dich auf der Party gesehen. Vorletzten Freitag", sagt Cecil gerade heraus, als sie mit einem kurzen Blick überprüft hat, dass auch ja alle Kabinen unbesetzt sind. Ich schlucke bedrückt und spüre wie mein Herzschlag schneller wird.

„Hast du?", presse ich hervor, um die Stille zu füllen, höre die Nervosität dabei jedoch selbst aus meiner Stimme heraus.

„Ja, ein Wunder, dass ich dich in dem Aufzug überhaupt erkannt habe. Aber wieso so weit gehen? Ich bin sicher, dass es da auch andere Methoden gibt. Du hättest uns ruhig davon erzählen können- oder zumindest mir."

Methoden? Ist sie mir etwas auf die Schliche gekommen? „Hätte ich?"

„Ja, klar. Du weißt, ich bin immer für dich da, Tam."

„Du weißt also davon?"

„Ja klar, ich habe das auch schon gemacht. Das ist doch heutzutage keine Seltenheit mehr."

„Du was?", frage ich entsetzt und lauter als beabsichtigt. Sie hat sich auch schon mal wie ein Junge angezogen auf eine Party geschlichen und uns nichts davon erzählt? Oder verstehe ich da irgendwas falsch?

„Du musst nicht so überrascht klingen. Ich habe mir erst letzte Woche Stoff von Mat besorgt. Aber ich wusste nicht, dass du so weit gehen würdest, um ein bisschen Rabatt zu bekommen", erwidert Cecil amüsiert und mir fällt alles wie Schuppen von den Augen. Sie hat nicht herausgefunden, dass ich ein Junge bin- und auch nicht ihre Unterstützung dafür ausgesprochen. Sie unterstützt lediglich, dass ich Drogen nehme. Und dazu glaubt sie auch noch, dass ich mich als Kerl verkleidet habe, um Mat Walker anzumachen und anschließend Rabatt zu bekommen. Aber so war das nicht.

Soll ich es ihr sagen? Kann ich es ihr anvertrauen? Bin ich schon bereit dazu? Auf keinen Fall, aber ich möchte nicht noch mehr Lügen spinnen, sonst komme ich irgendwann gar nicht mehr aus diesem Teufelskreis heraus.

„Ich habe nicht mit ihm rumgemacht, weil ich einen Rabatt haben wollte. Ich habe ihm Drogen abgekauft, ja, aber deswegen habe ich ihn nicht geküsst."

„Wieso dann?", fragt Cecil irritiert und streicht sich die blonden Wellen aus dem Gesicht. Wenigstens verwirrt sieht sie nicht perfekt aus.

„Mat Walker ist schwul", sage ich, worauf Cecils Miene nur noch verwirrter wird „also glaube ich. Und ich...ich wollte mich einfach wie ein Junge fühlen. Und das Erste, was mir da eingefallen ist, ist einen schwulen Typen zu küssen."

Cecil Holister sieht mich entgeistert an. Sie zieht die Augenbrauen zusammen und scheint in meiner Miene ergründen zu wollen, ob ich mit meinen Worten das meine, was sie glaubt. Und das tue ich. Ich habe es genauso gemeint, wie ich es gesagt habe. Ich wollte mich wie ein Junge fühlen, weil ich einer bin.

„Sag mir jetzt nicht, dass du trans bist, Tamina", sagt Cecil und wirkt gekränkt. Aber ich bin noch viel gekränkter. Klar, sie ist oberflächlich, wir alle sind es. Aber mit dieser Reaktion habe ich nicht gerechnet. Doch ich bleibe stark und antworte ihr.

„Doch. Ich bin ein Junge. Meinen Eltern habe ich es auch schon gesagt", bringe ich also zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

„Und wie haben sie reagiert?"

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