< ACE >
(Thomas Barbusca)Stirnrunzelnd betrachte ich das große Gebäude vor mir.
Es soll wohl eine Highschool darstellen. Auf mich wirkt es allerdings eher wie ein Palast; die polierten Fensterfronten spiegeln das Licht, der graue Stein wirkt makellos. Ich kneife instinktiv die Augen zusammen, als sich die Sonne hinter der Wolke hervorschiebt, und mich blendet. Meine Schwestern, Jessica und Lucy, sind längst mit den anderen Schülern durch die breiten Flügeltüren geströmt. Ich hingegen stehe noch am Auto, und hoffe, dass ich aus diesem schrecklichen Albtraum möglichst schnell wieder erwache.Ich wollte das alles hier nie. Ich will es noch immer nicht. Am liebsten würde ich zurück an meine alte Schule, an die heruntergekommene Middleschool der Stadt. Zu meinen Freunden. Zu den Normalverdienern und Ärmeren. Wo es keine überteuerte Uniform gibt, und wo wir mindestens dreißig Schüler pro Klasse waren. Meine vorherige Schule ist kleiner als die Highschool, und dennoch sind wir dort definitiv mehr Leute gewesen. Ich seufze schwer. Das wäre alles nie passiert, wenn meine Mutter nicht gewesen wäre. Dann würde ich jetzt zusammen mit den anderen auf eine gewöhnliche Highschool gehen, mich bei der Footballmannschaft bewerben, nicht angenommen werden und mich aus Frust unter die Treppe verziehen.
Stattdessen stecke ich in einer unbequemen Schuluniform, für die mein Vater ein halbes Vermögen hinblättern musste, und soll mich mit den Bonzenkindern anfreunden, um die ich zuvor immer einen großen Bogen gemacht habe. Natürlich freue ich mich auch ein wenig. Die Technik ist hier auf dem neusten Stand, die Lehrer sind definitiv besser als woanders und das Essen wird frisch zubereitet. Tatsächlich gibt es sogar eine vegane und eine vegetarische Alternative zu den Fleischgerichten. Aber all die positiven Aspekte können nicht mein schlechtes Gewissen gegenüber meinem besten Freund verdrängen.
Um mich nicht noch länger mit meinen negativen Gedanken befassen zu müssen, setze ich mich langsam in Bewegung. Gemeinsam mit den restlichen Schülern betrete ich das Gebäude. Innen ist es noch schlimmer, als draußen. Es ist, als wolle der Luxus mich erschlagen. Egal, wo ich hinsehe, ich muss meinen Kopf immer wieder aufs Neue davon überzeugen, nicht im Paradies zu sein. Ein riesiger Bildschirm hängt über einer Art Bühne, vor der feinsäuberlich Stuhlreihen aufgebaut worden waren. Der Boden ist aus Marmor. An den Wänden hängen Gemälde, bei denen ich nicht einschätzen kann, ob sie von Schülern oder Künstlern erschaffen worden sind.
Ich will kotzen. Mein Blick fällt auf eine Büste, die wie ein Heiligtum in einer Vitrine trohnt. Ich glaube, Kaiser Nero zu erkennen. Im vergangenen Jahr musste ich einen Vortrag über ihn halten. Was ich dort erzählt habe, war nicht unbedingt positiv und ich frage mich, warum zum Teufel jemand den nachgemachten, viel zu detaillierten Kopf eines solchen Menschen in der Schule aufbewahren sollte. Ohne mich weiter damit aufzuhalten verlasse ich die Eingangshalle, und folge den anderen in die angrenzende Pausenhalle. Sie ist nicht weniger protzig.
Von hier scheint man überall hinzugelangen. Tatsächlich finde ich am schwarzen Brett eine Karte des Gebäudes, die ich eingehend mustere. Ich habe keine Ahnung, wo ich hin muss. Alles was ich weiß ist, dass ich im Kurs F1 bin. Freshman 1. Zwar hasse ich es, einer der Jüngeren zu sein, aber ich komme nicht drumherum. In meinem Kurs sind angeblich nur sieben weitere Schüler. Das bedeutet, wir sind acht Leute in einer Klasse und vermutlich komme ich nicht drumherum, mich im Unterricht zu melden. Ich hasse es jetzt schon. Als ich endlich meinen Raum auf der Karte gefunden habe, mache ich mich eilig auf den Weg dorthin.
Der Unterricht beginnt gleich und ich will nicht zwangsläufig am ersten Tag zu spät sein, obwohl ich mir aus Schule nicht viel mache. Zu meiner Überraschung finde ich den Raum im Erdgeschoss ziemlich schnell. Wie ich feststellen muss, befinden sich die gewöhnlichen Räume alle unten, während man oben dann die Hörsäle, Physik-, Chemie-, Computer- und Musikräume findet. Auch die Sprachkurse sollen oben stattfinden. Als ich meinen Klassenraum betrete, verfestigt sich in mir endgültig der Drang, meinen Kopf gegen die strahlend weißen Wände zu schlagen. Moderne Möbel. Schon wieder.
Zu meinen Pech befinden sich hier Gruppentische. Das bedeutet, ich werde um soziale Kontakte nicht drumherum kommen. Eilig lasse ich mich auf den hintersten Platz fallen, und stelle meinen Rucksack achtlos neben mich. Er kippt um. Verfluchtes Mistding.
Dann betrachte ich die anderen im Raum. Bisher sind es nur drei Mädchen, die sich am anderen Tisch niedergelassen haben, und bereits fröhlich miteinander reden. Mich beschleicht der Gedanke, dass sich hier schon alle von Middleschool-Nobelschulen kennen könnten, und ich eigentlich der einzig wirklich Neue bin.Endlich kommen weitere Leute herein. Allen voraus ein überraschend junger Mann, der wohl unseren Lehrer darstellen soll. Hinter ihm die letzten Klassenkameraden. Ich entdecke zwei weitere Mädchen und zwei Jungs. Die Jungs kommen zielstrebig auf den Tisch zu, an dem ich sitze, und lassen sich beide nebeneinander auf die Plätze sinken. Auch eines der Mädchen scheint nicht unbedingt bei den anderen ihrer Art sein zu wollen, obwohl es insgesamt zehn Plätze gibt und damit fünf an jedem Gruppentisch. Sie setzt sich auf den freien Platz zu meiner Linken, und nickt uns kurz zu Begrüßung zu.
Nur am Rande nehme ich das Gelaber meines Lehrers wahr, der mich überhaupt nicht interessiert. Es handelt sich ohnehin nur um die typischen Erklärungen, die man zu Beginn eines Schuljahres eben bekommt. Stattdessen mustere ich den Jungen, der mir am Nächsten sitzt. Er sieht aus, wie jeder andere auch, aber seine Ausstrahlung unterscheidet ihn definitiv. Er wirkt nicht so verwöhnt. Stattdessen zupft er an seiner Uniform herum, und schneidet eine Grimasse, als er meinen Blick auffängt. Ich muss automatisch grinsen, was ihn zufrieden lächeln lässt. Er streckt eine Hand aus.
Irritiert ergreife ich sie.
„Ich bin Fynn", stellt er sich vor, und wirft dem Lehrer einen kurzen Seitenblick zu. „Und das hier ist der Beginn einer absolut guten Freundschaft!"
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SUFFERING
Teen Fiction„Ihr seid alles Bonzenkinder, oder?", durchbricht Fynn plötzlich das Schweigen am Tisch. Überrascht sehen wir auf. × × × Ace' Familie scheint das perfekte Leben zu haben. Sie sind sehr wohlhabend, lieben einander und die drei Geschwister haben sehr...