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AUS DEN BOXEN VON JENNIFERS AUTO ERTÖNTE LEISE MUSIK, die man aus den heruntergelassenen Fenstern des Firebirds hören konnte. Das Mädchen saß im Schneidersitz auf der Motorhaube ihres Firebirds und genoss ihre zweite Zigarette seitdem die Glocke den Schülern den Schulschluss vor wenigen Minuten verkündet hatte. Da die Sonne schien, entschied sie sich, draußen zu warten. Sie beobachtete durch ihre Sonnenbrille wie Gruppen von Schülern aus den Türen stürmten und es kaum abwarten konnten, endlich nach Hause zu gehen.

Eigentlich war Jennifer auch eine von den Schülern, die direkt aus der Tür des Klassenraums sprintete, wenn die Glocke läutete - manchmal benutzte sie auch ihren altbewährten Trick, bei dem sie wenige Minuten vor Schulschluss auf Toilette ging und dann nie wieder zum Unterricht zurückkehrte. Auf Nachfrage, ob das nicht bis zum Schulschluss warten könnte und warum sie ihre Tasche mitnahm, antwortete sie immer damit, dass Mutter Natur wieder mal zu Besuch war - wie jeden Monat halt. Diese Antwort brachte vor allem männliche Lehrer ins Stammeln, weshalb sie das Mädchen schließlich mit hochroten Ohren auf die Toilette gehen ließen.

Das Mädchen hatte ihr Gesicht gen Sonne gestreckt und ihre Augen geschlossen, weshalb sie nicht sah, dass Justin Foley geradewegs auf sie zukam. Erst als er unmittelbar vor ihrem Wagen stand und sich räusperte, öffnete Jennifer ihre Augen und sah den Jungen. Sie musste ein Seufzen unterdrücken und schob sich ihre Sonnenbrille auf den Kopf. Für einen Moment schwiegen beide Teenager bloß und Justin scharrte unsicher mit seinen Schuhsohlen über den Kiesboden unter seinen Füßen, bevor er sich räusperte.

„Hey", sagte er nur knapp und das Mädchen musste sich davon abhalten, nicht spottend aufzulachen und Justin alleine stehen zu lassen.

„Was willst du, Justin?", fragte Jennifer und bereute sofort ihren bissigen Ton - obwohl sie jeden Grund dazu hatte, sauer auf Justin zu sein. Dem Jungen fiel es schwer den Augenkontakt mit der Brünetten zu suchen, weshalb er seinen Blick immer wieder auf den Boden oder vorbeigehende Schüler richtete. Doch irgendwann griff er hinter sich in seinen Rucksack und holte ein kleines, in rosafarbenen Papier eingepacktes Geschenk hervor.

„Ich-ich hab dich schon den ganzen Tag gesucht und wollte dir das hier geben", stammelte der Junge und schaffte es endlich Jennifer in die Augen zu schauen, was ihm einen schmerzhaften Stich in die Brust verpasste. „Das ist für Allison. Sie hatte ja gestern Geburtstag und, uh, ich hab das Geschenk schon vor ein paar Wochen besorgt, bevor wir- na ja, ich wollte einfach, dass sie es bekommt." Jennifer zögerte kurz und schaute den Jungen durch zweifelnde Augen an, doch dann nahm sie das kleine Paket schließlich entgegen.

„Darf ich?", fragte das Mädchen, ihre Stimme fast ein Flüstern und zog mit ihrem Finger leicht an der Schleife aus goldenem Band. Justin nickte und begradigte erwartend seine Haltung. Jennifer steckte sich ihre rauchende Zigarette zwischen die Lippen und öffnete das Geschenk dann schmerzvoll langsam und vorsichtig, als hätte sie Angst, etwas kaputt machen zu können. Als das Geschenkpapier entfernt war, kam eine schwarze Box zum Vorschein, von der das Mädchen mit vorsichtigen Fingern den Deckel entfernte. Und bei dem Anblick des Inhalts bildete sich ungewollt ein riesiger Kloß im Hals des Mädchens.

Ihre Finger strichen sanft über die unglaublich weiche Seide des babyblauen Kopftuches, auf dem pinke Schmetterlinge und Blumen abgebildet waren. Das Mädchen merkte, wie ihre Augen anfingen zu brennen, sie blinzelte die aufsteigenden Tränen jedoch sofort weg. Ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln, als sie ihren Blick hob und Justin ansah.

„Es ist wunderschön", sagte Jennifer, ihre Stimme wackelig und kurz vor dem Brechen und schloss die Box wieder. „Danke."

Justin lächelte sie an, doch sie erkannte in seinem Blick immer noch einen Anflug von Unsicherheit, und als würde ihn etwas bedrücken. Der Junge trat wieder unsicher von einem Fuß auf den anderen, während Jennifer ein letztes Mal an ihrer Zigarette zog und sie dann auf dem kühlen Metall ihres Autos ausdrückte, bevor sie den Stummel auf den Kieselboden unter ihr wegschnipste.

JENNIFER'S BODY [BILLY HARGROVE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt