Kapitel 6

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"Wie geht es dir, Bea?"

"Tu nicht so, als wenn es dich interessieren würde!"

Chiron seufzte. Bea war tatsächlich noch sturer und eigensinniger als ihr Vater Simon. "Ich weiß, dass du mich hasst wegen dem, was deinem Vater zugestoßen ist."

Bevor er fortfahren konnte, unterbrach Bea ihn harsch. "Du verschuldest seinen Tod!"

"Ich hatte meine Gründe dafür, mich so zu verhalten wie es ich getan habe. Deine Mutter hat das nicht verstanden", sagte Chiron niedergeschlagen. Er wollte nicht von diesem Mädchen gehasst werden.

Bea schnaubte abwertend und setzte sich in ihrem Bett auf.

"Du kannst hier im Camp bleiben, wenn du möchtest, Bea", bot Chiron freundlich an und hoffte sie umstimmen zu können. "Du wärst nicht mehr alleine und hättest ein neues Zuhause."

"Ich habe ein Zuhause und alleine bin ich auch nicht!", widersprach sie wütend, auch wenn beides gelogen war. Seit dem Tod ihrer Mutter war sie alleine. Und ein Zuhause... nun ja, sie hatte bisher immer einen Platz zum Schlafen gefunden, das musste ausreichen.

"Möchtest du lieber ins Camp Jupiter? Ich bin mir sicher, dass Reyna nichts-"

"Ich brauche deine verdammte Hilfe nicht, okay?", rief Bea wütend und frustriert aus. "Ich bin die letzten Jahre gut zurecht gekommen, also lass mich einfach in Ruhe. Das einzige, das ich will, ist aus diesem Camp rauszukommen!"

"Ich kann dich nicht mit dem Drachenauge alleine gehen lassen. Du weißt, dass es gefährlich ist."

"Es hat mich jahrelang vor den Monstern geschützt!", opponierte Bea mal wieder. "Ich komme mit den Auswirkungen klar!"

"Das sah eben anders aus", bemerkte Chiron mit sanften Tonfall, der nicht einen Hauch von Schuldzuweisung beinhaltete.

Bea schluckte. So sehr sie Chiron aus hasste, sie hatte ihm nicht schaden wollen. Sie wollte nicht das gleiche Monster sein wie er. Und doch hatte sie die Kontrolle verloren und ihm Leid zugefügt.

"Wieso diskutiere ich eigentlich mit dir? Es ist nicht so, als wenn du mir irgendetwas zu sagen hättest!" Mit diesen Worten erhob sich Bea aus dem Bett und stiefelte erneut Richtung Ausgang.

"Bea, ich bitte dich."

"Lass mich endlich in Frieden!"

Sie hatte die Tür erreicht und blieb überrascht stehen, als sie die Halbgötter erblickte, welche scheinbar alle die ganze Zeit über im Flur gewartet hatten. So viel zum Thema Diskretion.

"Weißt du, was dein Vater mit den Drachenaugen anstellen wollte?", ertönte es hinter ihr und ließ sie innehalten. "Sein Anliegen war nicht ganz so nobel wie es dir deine Mutter erzählt hat."

"Wag es nicht, meinen Vater in Frage zu stellen! Er hätte alles getan, um meine Mutter und mich zu beschützen!"

"Das stimmt", bejahte Chiron und näherte sich Bea. "Er hätte alles getan. Ich hatte nicht vor, es dir jetzt schon zu erzählen, aber es scheint als hätte ich keine andere Wahl."

"Was erzählen?", fragte Bea skeptisch nach.

"Wieso dein Vater gestorben ist."

"Ich weiß sehr wohl wieso mein Vater gestorben ist!", fauchte Bea ungehalten. "Und ich weiß besonders gut, welche Schuld du an seinem Tod trägst!"

Chiron widerlegte ihre Anschuldigung nicht. Er verstand das Mädchen ja. Wenn man mit 16 Jahren schon beide Elternteile verloren hatte und sich alleine durchs Leben schlagen musste, hatte das Auswirkungen.

"Schau dir meine Erinnerungen an, wenn du mir nicht vertraust. Deine Mutter hatte diese Fähigkeit, du hast sie sicherlich geerbt", bat Chiron an. Es war nicht selbstverständlich, dass er ein fremdes Mädchen in seinen Kopf schauen ließ, aber er vertraute ihr. Sie wollte niemandem wehtun.

Beas Mutter war eine Tochter der Mnemosyne gewesen, der griechischen Göttin der Erinnerungen. Damals mussten die Gottheiten ihre Kinder noch nicht anerkennen, aber durch Alessias bemerkenswerte Fähigkeiten waren sie zu diesem Schluss gekommen.

Sie hatte sich Erinnerungen von anderen Leuten ansehen können. Sie hatte es Chiron immer beschrieben, als wenn sie die Situation aus den Augen der Person beobachten würde. Chiron hatte noch nie einen Halbgott mit solchen Fähigkeiten gesehen und bis jetzt war ihm kein weiteres Kind der Mnemosyne untergekommen.

"Das würde nichts ändern", entschied Bea und schüttelte den Kopf. "Meine Mutter hat mir genau erzählt, was damals passiert ist. Deine Erinnerungen ändern nichts."

"Das kannst du nur wissen, wenn du sie dir ansiehst", warf Annabeth ein. Sie verstand zwar nicht ganz, was hier passierte, aber sie vertraute Chiron. Und wenn er wollte, dass Bea blieb, würde sie ihn unterstützen.

Bea schaute misstrauisch zu Annabeth. Es verwirrte sie, dass ihr die Tochter der Athene nicht feindlich gesinnt war. Schließlich war sie nicht allzu nett gewesen - abgesehen davon natürlich, dass sie ihnen das Leben gerettet hatte (ein kleines Dankeschön wäre schon ganz angebracht gewesen).

"Wenn Annabeth das sagt, muss das stimmen", sagte Percy grinsend und schaute Bea ermutigend an, "schließlich ist sie eine Tochter der Athene. Da kann sie doch gar nicht falsch liegen."

Bea musste schmunzeln. Percy war manchmal ein Idiot, aber er war ein ziemlich netter und humorvoller Idiot. Sie erwischte sich dabei wie sie darüber nachdachte, jemanden wie die Halbgötter vor ihr als Freunde zu haben. Es war ein schöner Gedanke.

"Also, Bea?", fragte Chiron. "Was sagst du?"

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Heute mal ein etwas kürzeres Kapitel, tut mir leid ;)

Ich hoffe ihr habt eine Klimaanlage, denn sonst schwitzt ihr wahrscheinlich genauso doll wie ich. Ich habe angenehme 27 Grad in meinem Zimmer - verflucht sei die Sonne, die den ganzen Tag auf mein Fenster knallt! XD

Bis dann, thegreeni

Drachenauge || Percy Jackson ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt