Kapitel 1

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 Noch mehr als eine Woche bis Weihnachten. Mein Mann würde am Heiligen Abend auf Montage sein. Erneut. Mich selbst schockierte diese Aussage seit langem nicht mehr. Zumal wir seit einem halben Jahr geschieden waren. Anders war dies bei unserem Sohn Finn. Nur ihm zu Liebe verbringen mein Mann und ich noch Weihnachten zusammen. Schon vor unserer Trennung war er kaum noch zu Hause. Es war mit ein Grund für die Trennung. Trotzdem steht dies auf der Wunschliste meines Sohnes: „Mein Daddy soll an Weihnachten zu Hause sein“ und wie so oft bleibt dieser Wunsch unerfüllt. Ich hatte Urlaub, um ihn deswegen mehr zu verwöhnen als normal. Bald werde ich Finn auch die Weihnachtslüge gestehen. Die anderen Kinder in seinem Kindergarten wissen es größtenteils schon. Finn weint deswegen ständig. Warum eigentlich die ganze Lügerei zu Weihnachten? Wenigstens wird Finn nächstes Jahr fünf und ist damit alt genug den Weihnachtsmann zu vergessen. Ich räume gerade die Spülmaschine ein, während Finn fieberhaft an seiner Wunschliste arbeitet. Unser Pseudo-Engelchen. Finn hat seit seiner Geburt blonde Locken mit Kupferstich, grünlich schimmernde Augen und zu allem Überfluss stets rötliche Wangen. Das Aussehen hatte er von meinem leiblichen Vater geerbt. Zum Glück nur das Aussehen, dachte ich. Das Telefon klingelte. Meine Mum war an der anderen Leitung. Was meist nichts Gutes bedeutete. Mein Dad und sie waren auf Fuerteventura. Dort wollten sie die Feiertage verbringen. Sam war der Lebensgefährte meiner Mum und mit ihr schon seit meinem zweiten Geburtstag zusammen und in jeder Hinsicht wie ein richtiger Dad. Trotz allem kannte ich auch meinen biologischen Vater. Von dem ich nur die Andeutung von Locken hatte. Ansonsten habe ich hellbraune Augen und die rötlich braunen Haare meiner Mum. Dafür war ich sehr dankbar. Denn Finns Haare jeden Morgen zu zähmen, gehörte nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Deshalb trug er seine Haare so kurz wie möglich. Leider hatte er für einen Jungen auch die sanften und zarten Gesichtszüge meines Vaters abbekommen. Hoffentlich verwuchs sich das noch. Obwohl mein biologischer Vater mit  seinen ca. vierzig Jahre aussah wie höchstens Ende zwanzig. Ob nun Segen oder Fluch, musste mein kleiner Finn wohl später selbst entscheiden. „Hallo Sternchen, hier ist deine Mum. Liebe Grüße von Dad. Das Wetter hier ist großartig. Sonnig und angenehm. Wie geht es dir und Finn?“ „Uns geht es gut, Mum. Nur leider muss ich Finn bald sagen, dass sein Dad nicht kommen kann.“ „Oh nein, tut Mick es schon wieder und vernachlässigt seinen Sohn. Es ist nur gut, dass du dich getrennt hast. Auch für Finn. Na ja, ...“ Die zwei kurzen Worte bedeuten bei meiner Mum Sturmflut, Erdbeben und Tornados. Ihnen folgen schwerwiegende Probleme, die kaum lösbar sind. So zog sich mein ganzer Körper zusammen und ich vergaß das Atmen kurz. „... es ist wegen Charles.“ Charles Claus Dickens ist mein leiblicher Vater. Und nein, er ist nicht mit dem Schriftsteller verwandt. Keiner weiß, wo er herkommt. Eines Tages fand meine Mum ihn vor ihrem Haus. Dort hat er verzweifelt nach meiner Großmutter gerufen, welche einen Monat vorher verstorben war. Mein Großvater Arthur hat ihn aufgenommen und ihn nach dem Schriftsteller genannt, weil er ständig von Weihnachten redet. Er war wohl im Teenageralter gewesen. Sein genaues Alter konnte niemand feststellen. Wie schon gesagt, er sieht keinen Tag älter aus, wie an dem Tag, wo ich ihn zum ersten Mal in Erinnerung habe. „Was ist mit ihm, Mum?“ „Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.“ Kurzes Schweigen.  „Also gut, die Klinik muss schließen. Die haben sich irgendwie bei den Investitionen überschätzt  und sind nun insolvent. Soweit ich verstanden habe. Ich habe es nicht geschafft über die Weihnachtstage einen Platz zu besorgen. Erst im nächsten Jahr. Tut mir Leid, Schatz.“ „Aber wo bleibt er dann?“, fragte ich. „Du müsstest ihn nehmen.“ Da war der Weltuntergang. „Wir bekommen nirgends Rückflugtickets. Die verfluchte Weihnachtszeit. Es ist schwierig überhaupt irgendwo hinzukommen. Ich habe von der Klinik verlangt sich ebenfalls umzuhören. Schließlich ist das deren Verschulden...“ „Mum, ich kann ihn nicht nehmen. Wie soll ich das mit Finn regeln? Charles muss rund um die Uhr betreut werden. Das kann ich nicht leisten mit einem Kind.“ Jetzt kann ich es ja erzählen. Charles hält sich für einen Weihnachtself. Ja, die Elfen vom Weihnachtsmann. Deswegen nennt er sich unentwegt Toy. Ja, sie hören richtig, er nennt sich selbst Spielzeug. Weil er der Spielzeugmacher ist. Total verständlich. Seine Eltern heißen Snow (Schnee) und Train (Zug). Seine Geschwister tragen die Namen Dolly (Puppe) und Rudolph. Ja, genau wie das Rentier. Ihr Nachname ist natürlich Elf. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass Menschen mit solchen Namen nicht ausfindig zu machen waren. Ach ja, er wurde vom Weihnachtsmann wegen einer schrecklichen Unartigkeit verstoßen. Erst war es eine niedliche Angewohnheit. Bis zu meiner Geburt konnte meine Mum damit umgehen. Dann stahl Charles ein Rentier aus dem Zoo und wollte mit diesem und mir von einem Hochhaus springen. Er wollte nach Hause fliegen. Da musste meine Mum ihn einweisen lassen. Seither haben meine Mum und ich ihn oft besucht. Für mich gehörte er, bis ich alles verstehen konnte, zur Familie. Charles ist auf seine Art schon ein wunderbarer Mann. Er hat stets dieses Strahlen in den Augen und niemals würde er böse über jemanden reden, sowie er total verrückt nach mir ist. Er liebt mich abgöttisch, sodass es mich manchmal doch ein wenig verängstigt. Sein Weihnachtssternchen bin ich. In letzter Zeit hat das Leuchten jedoch nachgelassen. Er wird ständig ruhig gestellt, weil einer seiner Ausbruchsversuche geklappt hat und er schon wieder ein Rentier gestohlen hatte. Ich besuche ihn meist einmal im Jahr, verständlicherweise zu Weihnachten. Jedoch kennt Finn ihn nicht. Ich habe meinen Sohn bewusst aus dieser Beziehung heraus gehalten. Was ich nachvollziehbar finde. „Mum, das geht nicht.“ Es klingelte an der Tür. „Warte mal. Da ist wer an der Tür.“ Ich ging an die Tür. „Frau Gloria Sparkles. Ich bin Doktor Wiggins.“ Der Mann im weißen Mantel reichte mir die Hand. Aber er war nicht der Grund warum ich schlucken musste. Hinter ihm stand Charles, gehalten von zwei Männern. Sein grüner Pullover mit Rentiermuster war mit irgendwas verschmutzt. „Ihre Mutter hat gesagt, dass Sie ihn nehmen würden. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Es war uns möglich für ihn einen Platz zu finden. Wir brauchen nur Ihre Einwilligung. Und es tut mir wirklich leid. Wäre es möglich, dass ihr Vater kurz auf die Toilette könnte. Leider musste er sich während der Fahrt übergeben.“ „Sicher kommen Sie rein. Die Toilette ist gleich rechts.“, wies ich die Pfleger an. Sie gingen an mir vorbei. Dabei hob Charles den Kopf. Kurz flackerte ein Leuchten in den tannengrünen Augen auf. „Weihnachtsternchen“, nuschelte er, das Leuchten verschwand, die Augen wurden dunkler. Seltsamerweise bewegen sich Schatten darüber bis sein Kopf wieder auf die Brust fiel. Vermutlich hatte irgendwas in den Augen reflektiert. Ich zeigte dem Doktor den Weg zum Wohnzimmer. „Lassen Sie mich kurz nach meinem Sohn sehen.“ Der Doktor nickte. Finn war immer noch mit seinem Wunschzettel beschäftigt. Draußen waren plötzlich Glöckchen zu hören. Aus dem Bad kamen würgende Laute, die meine Aufmerksamkeit zurück auf den Doktor lenkte. Dieser hatte bereits Unterlagen vor sich ausgebreitet. „Wenn Sie hier und hier unterschreiben, sind wir sofort wieder weg.“ „Was ist mit Charles? Ist er krank?“, fragte ich, während ich mich hinsetzte und mir die Papiere besah. „Ein paar Komplikationen mit dem Beruhigungsmittel. Kein Grund zu Besorgnis.“ Ein Knall auf dem Dach ließ uns beide hochblicken. Zwei weitere waren auch nicht zu überhören. „Was ist das?“, fragte der Doktor. „Vermutlich Schnee.“, sagte ich.  Ein Gerumpel im Schornstein folgte und endete mit aufeinander folgenden Aufprällen im alten Kamin im Keller. „Entschuldigen Sie?“, bat ich höflich. „Natürlich. Wenn Sie nicht zu lang brauchen.“ „Ich muss nur schnell nachschauen.“ Schnell war ich an der Kellertreppe und im Kaminzimmer, welches von den Vorbesitzern hinterlassen worden war. Ich benutzte ihn als einfachen Lagerraum für Weihnachtsdekoration und andere Dinge. Hoffentlich war nicht wieder der ganze Raum voller Schnee. Deswegen hatte mein Exmann den Kamin mit einer Holzplatte vernagelt. Ob das immer noch hielt? Handwerklich begabt war Mick nie gewesen. Die Platte lag nun auf der anderen Seite des Raumes. Der Raum war schneefrei und wäre ich nicht dabei gewesen, hätte ich die Szene auch nicht geglaubt. Vor dem Kamin putzten sich gerade drei Männer Staub und Ruß ab. Zwei von ihnen hatten leuchtende blonde Locken und grünliche Augen. Sie konnten Charles nicht ähnlicher sehen, wären nicht Brille und Schnauzer sowie ein Teddybärengesicht gewesen. Ich schwöre, wenn ein Mensch diesem Kuscheltier ähnlich sah, dann dieser Mann. Eine kurze Stupsnase, die in ihrer Farbe etwas dunkler war als der Rest des Gesichtes. Das Gesicht war rund und einige Haarlocken unter einer Samtmütze standen wie Bärenohren ab. Sie trugen beide Samtmützen. Der Bär eine rote und der andere, der meinem Vater bis auf Brille, Schnauzer und weißen Strähnen wie einem eineiigen Zwilling glich, eine grüne. Dazu trugen sie zu den Mützen ein passendes Jackett, darunter weiße Hemden. Um die Hüften war ein schwarzer Gürtel befestigt, der einige Werkzeuge und Beutel hielt. Eine kurze Hose in derselben Farbe wie das Jackett. Dann kam eine in der Kontrastfarbe gewählte Strumpfhose und passende zu dem Jackett, Hose und der Mütze spitze Schuhe. Alles außer dem Hemd war aus glänzendem Samt. Der dritte Mann unterschied sich wesentlich von den beiden. Erstmal war er einen halben Kopf größer als die anderen. Die waren sogar ein Stückchen kleiner als ich. Seine weißblonden Haare waren nackenlang, ein angedeuteter Bart umschloss rote Lippen. Er hatte Lachfalten um Mund und Augen. Der rote Rollkragen-Pullover schlapperte leicht. Zudem grünlich schimmernde Jeans und weiße Turnschuhe. Hätte er nicht zwischen diesen beiden „Weihnachtselfen“ gestanden, hätte er als attraktiv durchgehen können. „Oh“  Die drei hatten mich entdeckt. „Fröhliche Weihnachten, Fräulein Sparkles.“, grüßte der normal gekleidete Mann. Fräulein. Aus welchem Jahrhundert war der denn. „Ich bin Chris Claus und das sind Teddy und Rudolph Elf.“ Wach auf, Gloria. Oh Gott, wach endlich auf.  Oh, Mann, der Mann heißt auch noch Teddy. Wie konnten Eltern so grausam sein? Augenblick mal, hier nimmt mich doch jemand auf den Arm. „Wir wollen gern Toy abholen. Laut unseren letzten Koordinaten sollte er sich in diesem Haus befinden. Verzeihen Sie die Unordnung. Wir werden den Raum genauso hinterlassen wie vor unserer Ankunft.“ Seine Stimme war hell wie ein Glöckchen-Spiel und wärmend  wie heiße Schokolade. „Wären Sie so nett, Fräulein Sparkles und holen Toy?“ Vielleicht stand ich auch unter Schock wegen der Angelegenheit mit Charles. Vielleicht war das heute zu viel. „Versteh ich Sie richtig, Sie wollen meinen Vater abholen?“ „Ja, Fräulein Sparkles. Diese Welt bringt ihn langsam um. Deshalb hat mein Vater seine Verbannung aufgelöst.“ Ich befinde mich in einem Film. Das ist bloß irgendwas mit versteckten Kameras. „Ihr Vater hat die Verbannung aufgelöst?“ „Ja und Ja und Ja. Holen Sie endlich die Nervensäge. Damit wir von hier verschwinden können. Ich hasse den Gestank dieser Welt.“, brummte der Bär naserümpfend. Wo war nur diese verdammte Kamera. „Sie können jetzt mit dem Schauspiel aufhören. Ich habe alles durchschaut. Wer steckt dahinter? Mille, Vera oder doch Marlon?“ Der Normale runzelte die Stirn. „Wir spielen nicht. Wir wollen Toy abholen.“ „Ja, sicher. Der Weihnachtsmann existiert wirklich und Charles hat nicht gelogen und ist einer  seiner Elfen.“ „Ja.“, gab der Normale verwirrt von sich. „Eigentlich können Weihnachtselfen nicht lügen. Wenn sie es tun, merkt man das sofort.“, erklärte der Brillenträger ruhig. „Ich werde meinen Bruder selbst holen. Ich danke dir trotzdem für deine Geduld.“ Er schob sich an mir vorbei. Mein Blick fiel auf seine verlängerten, spitz zulaufenden Ohren.  „Ihr Bruder?“ „Ja, Toy ist mein jüngerer Bruder und ich somit dein Onkel. Wir sollten uns erst um Toy kümmern. Sein Weihnachtsstern welkt bereits.“ Damit verschwand er die Treppe hinauf. Ich blickte den anderen „Elf“ an. Seine Ohren waren zwar kleiner und aufrechter als bei „Rentier“-Mann, eine Spitze hatte sie jedoch auch.  Das Make-Up war auf jeden Fall hervorragend gemacht. Ich konnte keine Naht erkennen, wo die Ohren an den richtigen befestigt worden waren. „Das ist bloß ein Streich. Ihr könnt mit dem Schauspielern aufhören. Ich weiß, das passiert nicht wirklich.“ „Du bist ja seltsam.“, sagte der „Bären“-Mann leicht abfällig. „Hast einen Weihnachtself zum Vater und glaubst nicht mehr, seit du fünf bist, an den und seine Elfen. Dabei bist du zur Hälfte Elf. Auch wenn sowas noch nie passiert ist, hast du bestimmt ein Hauch Elfenzauberkräfte in dir. Obwohl es mir ein Rätsel ist, warum der Weihnachtsmann Toy diese Liebe durchziehen ließ. Aber die Nervensäge hat ja immer bekommen, was sie wollte, ob nun brav oder nicht.“ Der Mann, der Teddy hieß, sagte dies zugleich angewidert und genervt. „Genug, Teddy!“ „Aber es ist wahr. Er wird uns nur wieder Ärger bereiten. Wenn Dolly nicht so an ihm hängen würde, ich hätte ihn hier gelassen.“ Er verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und funkelte mich aus seinen tannengrünen mit braunem Klecksen versehenden Augen wegen des Mangels von Möglichkeiten an, denke ich. Als ihm auffiel, dass ich ihn musterte, blickte er schnell auf seine Nase und drehte sich um. Seine Hände durchsuchten seine Taschen. „Entschuldigen Sie, Fräulein Sparkles. Teddy ist manchmal ein wenig brummig, aber ansonsten handzahm.“ „Teddy ist manchmal ein wenig brummig, aber ansonsten handzahm.“, äffte der „Teddybär“ nach und verdrehte genervt die Augen, als er wieder seine Vorderseite zeigte. Der Bär war anscheinend ein Brummbär. Auf seine Nase war ein weißes Pulver verteilt. Was sollte das denn? Ich besah mir den anderen nochmal. Seine Ohren waren nicht verändert worden. Wäre ich ihm unter anderen Bedingungen begegnet, hätte ich vielleicht sogar nett finden können. Aber so auf keinen Fall. Schließlich drangen diese Personen unangemeldet in mein Haus ein und spielten mir einen ziemlich geschmacklosen Streich. Mein Vater war wegen solcher Geschichten in einer Psychiatrie eingewiesen worden. Ich drehte mich um und stieg die Treppe hinauf. Sollte die doch machen, was sie wollten. Oben öffnete sich die Tür und der „Rentier“-Mann erschien mit meinen Vater auf der Treppe. Charles sah schlecht aus. Er war bleich und verschwitzt, konnte sich kaum aufrecht halten und wurde mehr getragen, als er selbst einen Fuß auf die Stufen setzte. „Weihnachtssternchen.“, nuschelte er, als er mich erblickte. Ich versuchte weiter hartnäckig die Situation zu ignorieren. Wieso tat man sowas? Sie sollten wenigsten Charles daraus halten. Dieser packte meine Hand. Durch den Ruck, als sie weiter treppab gingen, verlor ich mein Gleichgewicht. Zusammen fielen wir die Treppe hinunter. Ich konnte schon den Beton unter mir fühlen. Doch wir landeten weich. „Toy! Was hast du gemacht?“, gab dieser Rudolph erschrocken von sich, während er Charles von mir wegzog. Ich blickte mich um. Worauf waren wir gelandet? Wo kam jetzt der Schnee her? Irgendwer wollte mich irre machen. Da sah ich die grünlichen Augen über mir. Die Augen hatten die Farbe von frischen Äpfeln. Was mich an meine Kindheit erinnerte, als ich dem Weihnachtsmann solche Äpfel und Kekse rausstellte. „Sind Sie in Ordnung, Fräulein Sparkles? Haben Sie sich verletzt?“, erkundigte sich der normale Mann besorgt, während er mir half mich behutsam auf eine Treppenstufe zu setzen. „Nein, mir fehlt nichts!“ Dabei wehrte ich seine Untersuchung mit den Händen ab. „Ich will nur, dass das aufhört. Das ist nicht mehr lustig.“, schimpfte ich. „Entweder  ich träume oder Sie verschwinden sofort!“ Da klatschte ich mir die Hände gegen die Wangen. Was höllisch wehtat. Also war ich wach. Der Schnee schmolz spurlos vor meinen Augen weg. „Die ist ja genauso verrückt wie Toy.“, kommentierte der „Bären“-Mann mein Verhalten. „Wir sollten jetzt lieber gehen.“, sagte der Normale oder „Weihnachtsmann“, wenn man die Zusammenhänge zusammen nahm. „Wir nehmen lieber den Notausgang. Toy ist für einen Flug nicht kräftig genug. Verzeihen Sie unser Eindringen. Wie versprochen werden wir alles aufräumen.“ Er stütze Charles, während die beiden „Elfen“ sich in die Raummitte stellten. „Ich schicke die Rentiere nach Hause.“ „Mein Onkel“ ließ ein Glöckchen klingen, das er aus einer Tasche seines Gürtels zog. Kurz sprachen die beiden „Elfen“ mit einander und dann verschwanden sie aus meinem Blickfeld. Kartons flogen durch den Raum. Die Bretter landeten vorm Kamin. Ohne die Berührung von jemanden drangen die Nägel ins Holz ein. Mit einem Mal war der Raum ordentlich und alles stand an seinem Platz. Kurz danach tauchten die Verschwundenen wieder in der Raummitte auf. Ich konnte sie nur anstarrten und brachte keine richtigen Gedanken zu Stande. 'Wow, auch noch Spezialeffekte',  war der erste Gedanke, welcher sich schließlich doch in meinen Kopf traute. „Auf Wiedersehen, Fräulein Sparkles und fröhliche Weihnachten!“, verkündete der „Weihnachtsmann“. Das fröhliche Weihnachten kam gemeinsam mit dem „Rentier“-Mann. Nur der Brummbär schwieg. Darauf ermunterte der „Weihnachtsmann“ ihn mit dem Satz: „Teddy! Sei artig! Sonst gibt es keine Geschenke zu Weihnachten!“ Dabei erhob er seinen Zeigefinger ermahnend. Worauf der andere, zu meiner Verwunderung, schuldbewusst den  Kopf senkend und „fröhliche Weihnachten“ grummelte. Was die vier Männer dann taten, überzeugte mich wieder von meiner Traumtheorie, obwohl ich das ja schon ausschließen konnte. Sie stellten sich vor den Kamin. Der „Weihnachtsmann“ griff in einen Beutel, den ihn der „Rudolph“ hinhielt. Ein flockiges weißes Pulver erschien auf seiner Handfläche. Er warf es in Luft. Dort bildete sich ein Nebel, welcher wie Schnee hin und her wirbelte. Stark vergrößerte Eiskristalle wuchsen nach der Berührung des weißen Nebels mit dem Kamin aus den Steinen hervor. Begannen den Kamin zu umhüllen, dabei zogen sie diesen immer weiter auseinander. So wirkte es jedenfalls auf mich. Das war einfach zu viel. Plötzlich hatte der Kamin die Form und die Größe einer Tür. Diese, nennen wir es Halluzination durch Schock, lief in Sekundenschnelle ab. So hätte jeder an seinem Verstand gezweifelt, habe ich Recht?! Die hintere Wand des Kamins wurde zu einem Schneenebel. Die vier Männer hielten schnurstracks auf diese zu. Der „Weihnachtsmann“ und der Brummbär waren schon durch das eigentlich solide Mauerwerk verschwunden. Der Rudolph war schon zur Hälfte mit meinen Vater hindurchgegangen. Als Charles erneut meine Hand packte. Ich muss wohl in meinem Erstaunen näher an Kamin gegangen sein. So zog er mich mit sich.

Der Weihnachtsmann, den ich erträumteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt