Kapitel 12

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Wieso stand ich draußen im Garten? Hatte ich nicht gerade mit meiner Mum telefoniert. Ich lief ins Haus und tatsächlich lag der Hörer neben dem Telefon. Ach ja, es hatte geklingelt und als niemand an der Tür war, hatte ich nachgeschaut, ob irgendwelche Kinder weggelaufen waren. „Vermutlich ein Kinderstreich. An der Tür war keiner gewesen. Wie ist eurer Urlaub?“ In meiner Hand hielt ich einen gläsernen Engel. Wo hatte ich den nur her? Ich stellte ihn aufs Regal im Wohnzimmer. „Wirklich?“, fragte ich meine Mum, als sie von ihrem Urlaub schwärmte. Ich sah schnell nochmal nach Finn. Er saß vor seinem Wunschzettel und schaute aus dem Fenster. Also, ging ich ins Wohnzimmer. Die Wäsche konnte warten. Ich hatte Lust mit meiner Mum zu telefonieren. „Weißt du was, Sternchen?“, fragte sie nach einer von ihr ausführlichen Schilderung über das wunderbare Wetter. „Der eigentliche Grund, warum ich anrufe, ist der. Die Klinik hat die Familie von Charles gefunden. Seine Eltern leben noch und er hat einen Bruder und eine Schwester. Sie haben seine Pflege nun übernommen und halten es für es beste, wenn wir erstmal Abstand halten.“ Ein Stich fuhr durch mein Herz. Dabei hatte ich keinen wirklichen Kontakt zu meinen Vater gehabt. Im Grunde kannte ich ihn nicht. „Ist doch gut.“, meinte ich kurz dazu. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht über meinen biologischen Vater reden. „Wann kommt ihr nach Hause?“, lenkte ich unser Thema auf ein anderes. Mein Mum sprang zum Glück darauf an.

Ungefähr eine Woche später

Der Tag vor Weihnachten begann mit einem langen Frühstück für mich und meinem Sohn. Der heute eigenartigerweise Waffeln wollte. Da ja morgen Weihnachten war, gab ich ausnahmsweise nach. Danach gingen wir noch einkaufen. Wir brauchten noch ein paar Sachen. Sonst wäre ich natürlich nicht freiwillig an einem Tag vor Weihnachten einkaufen gegangen. Als ich mich anzog, fiel mein Blick auf einen Schal, den ich noch nie gesehen hatte. Er war rot mit Rentieren. Ich wickelte ihn um. Er stand mir auf jeden Fall. Wo kam der denn her? Eine Träne löste sich aus meinem Auge. Ich wischte sie weg. Ich schaute auf die Uhr. Ich ließ den Schal erstmal um. „Finn, bist du fertig?“ „Ja!“ Finn kam mir entgegen. Ich zog ihm Schuhe und Jacke an. „Stellen wir Mr. Claus… Ich meine den Weihnachtsmann Kekse und Milch hin?“, fragte er mich. „Können wir nachher machen.“ Er strahlte mich an. Wir fuhren eine gute viertel Stunde zum Einkaufen. Als wir ausstiegen, umarmte mich Finn. „Ich hab dich lieb, Mami. Ich bleib immer bei dir.“ „Das ist lieb von dir.“ Er nahm ohne Murren meine Hand. Im Laden wickelte ich zwischenzeitlich den Schal ab und ließ ihn fallen. Ich wollte mich bücken. Aber ein weißblonder Mann war schneller. „Bitte sehr die Dame.“ Er war glatt rasiert und hatte blaue Augen. „Zu so einer schönen Frau wie sie sollte man höflich sein.“ „Vielen Dank.“, sagte ich. Er gab mir den Schal wieder.

Am Weihnachtstag ließen mein Sohn und ich es uns gut gehen. Wir sahen Weihnachtsfilme, spielten Spiele und naschten Schokolade und Kekse. Natürlich kam mein Exmann nicht noch spontan vorbei. Doch dieses Jahr schien Finn das kaum zu stören. Vielmehr wirkte er so, als wollte er mich aufmuntern. Er kuschelte mehr als sonst, räumte Geschirr weg und sagte mir immer wieder, er würde mich nie verlassen. Vermutlich litt er doch unter der Trennung von Mick. Ich musste unbedingt mit meinem Ex sprechen.

Ich wurde von Finns Stimme geweckt. Er hatte aufgeregt gequietscht. „Finn?“, fragte ich verschlafen. Ich hörte ihn reden. Ich ging seiner Stimme nach. Er war im Wohnzimmer. Ich zog den Morgenmantel fester um mich. Finn stand vor unserem Tannenbaum und wedelte wild mit den Armen. „Ja? Wirklich?“, fragte er den Baum total aufgeregt. Ich sah auf die Wohnzimmeruhr. Es war Mitternacht. „Finn. Liebling. Es ist mitten in der Nacht. Ich kann verstehen, wenn du aufgeregt bist. Aber geh bitte ins Bett.“ Finn drehte zu mir um. Ein warmer Windhauch strich über meine Wange. Finn winkte mir. „Ab ins Bett.“ Ich nahm seine Hand und brachte ihn wieder ins Bett.

Der Weihnachtsmann, den ich erträumteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt