Kapitel 1

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Alles was Luna umgab, war Dunkelheit. Nichts als undurchdringbare Schwärze. Selbst ihre eigene Hand konnte sie nicht sehen. Langsam aber sicher breitete sich Panik in ihrem ganzen Körper aus. Sie konnte nichts dagegen tun.

Sie versuchte, gegen ihren Willen, ein paar Schritte zu gehen, doch schon im nächsten Moment traten ihre Füße ins Leere und sie fiel ... ein Schrei blieb ihr in der Kehle stecken.

Die Schwerkraft zog sie unermüdlich in die Tiefe und nahm ihr das Zeitgefühl. Wie viel Zeit war vergangen? Sekunden? Minuten? Stunden? Oder vielleicht sogar Tage?

In diesem Moment schien sich die Dunkelheit aufzulösen. Ein Licht, das vom Grund des Abgrundes kam, erhellte ihre Umgebung. Sie sah den Boden immer näherkommen. Er schimmerte in allen Farben und war glatt wie eine Glasscheibe. Kurz bevor sie auf dem Boden aufschlug, hörte sie ein ohrenbetäubendes Brüllen.

Völliges Licht umhüllte sie und holte sie zurück in die Realität.

***

Geblendet von der Morgensonne setzte Luna sich auf und sah verwundert um sich. Was für ein komischer Traum, dachte sie und schaute auf ihren Wecker. Sieben Uhr. Schon wieder Montag. Das Wochenende war vorbei.

Sie wusste, dass sie sich anstrengen musste, das Abitur stand bevor und es waren nur noch einige Wochen Unterricht. Ihre Noten waren sehr gut und das führte leider öfter dazu, dass andere sie 'Streber' nannten. Am Anfang hatte sie noch versucht, extra schlechter abzuschneiden, aber sie konnte sich die Dinge einfach zu leicht merken. Selbst den Lehrern war dies aufgefallen und irgendwann hatte sie die Bemerkungen in der Schule nur noch ignoriert.

Noch schlaftrunken schlug sie die Decke weg und gähnte herzhaft. Sie schaute zum Fenster, stand auf und öffnete es. Von dort konnte sie links einen riesigen Wald sehen, der ein paar hundert Meter hinter ihrem Haus anfing. Wenn sie hingegen nach rechts blickte, fing einige hundert Meter weiter das Meer an. Es war einfach traumhaft, auf einer Halbinsel zu leben, die abseits von Großstädten, aber auch nicht komplett von der Außenwelt abgeschnitten war. Noch einmal musste sie gähnen, doch die kühle Morgenluft weckte ihre Sinne.

Nachdem sie sich im Badezimmer frisch gemacht und ihre blonden gewellten Haare, die ihr bis Mitte der Schulterblätter reichten, gebürstet hatte, fühlte sie sich dem Tag gewachsen. Schnell nahm sie dazu ein Zopfgummi und silberne Ohrstecker. Dann zog sie sich an, einfache Kleidung in Form von einer engen Jeans und eines schlichten Shirts.

Während sie sich das Shirt über den Kopf zog ging sie in die Küche, in der ihr Vater schon das Frühstück vorbereitete. Wie er jeden Morgen, und das selbst an einem Montag, immer früher auf den Beinen war als sie, war ein Mysterium. Gerade kam sie in den Raum, als er erschrocken einen Zettel in die Hosentasche schob und sich ertappt zu ihr umdrehte.

„Guten Morgen, mein Schatz! Hast du gut geschlafen?", fragte er ausweichend und versuchte dabei, das Verlangen nach Gähnen zu unterdrücken. Seine kurzen dunkelblonden Haare waren noch durcheinander, aber er trug schon keinen Pyjama mehr, sondern eine Jogginghose und ein T-Shirt. Seine Augen zeigten deutlich seine Müdigkeit, die er aber nicht wahrhaben wollte.

Stirnrunzelnd blickte sie nur zur Hosentasche ihres Vaters. Wie schon öfter kam Lunas der Gedanke, dass ihr Vater ein Geheimnis hütete, dass er krampfhaft zu verstecken versuchte. Es war meistens dieser Zettel, den sie nie lesen durfte. Kein anderes Stück Papier bewachte er so wie dieses. Ihr Vater schien sich jedes Mal bewusst zu sein, dass er sich auf sehr dünnem Eis befand und wechselte schnell das Thema. Sie hatte das Gefühl, er dachte damit zu bezwecken, sie vergäße es irgendwann einfach.

„Luna? Erde an Luna!", unterbrach sie ihr Vater nun schon etwas lauter und lachte etwas erzwungen.

„Hmmm ...? Was?", murmelte Luna, ganz aus ihren Gedanken gerissen. „Ja, mir geht's gut, ich war nur gerade in Gedanken. Ich hatte heute Nacht einen komischen Traum, aber sind Träume nicht immer unrealistisch?" Sie zuckte mit den Schultern und biss von ihrem Toast mit Marmelade ab. Sie würde wohl nie herausfinden, warum dieser Zettel so wichtig war.

Die Menari - Die Legenden JuagorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt