Kapitel 6

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Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich so wenig Lust auf Schule. Sogar an Montagen war ich motivierter als heute. Nicht mal die Aussicht auf die bevorstehenden Sommerferien konnte mich aufheitern. Jose meinte zwar, es würde nicht so schlimm werden, aber ich war da nicht so zuversichtlich. Ich hatte keine Ahnung was mir bevorstehen würde, und das war das Schlimmste daran. Überraschungen waren nicht gerade meins und Spontanität eben so wenig. Leider zogen sich die übrigen Stunden bis zum Geschichtsunterricht nicht langsam dahin, nein es war gerade so als ob sie einen Wettlauf starten würden. Die eine Stunde fing an und war, meiner Meinung nach, gleich wieder vorbei. An jedem anderen Tag hätte ich das willkommen geheißen. Unglücklicherweise war heute der falsche. „Driiing!", ertönte die Schulklingel, die sich meiner Meinung nach mehr wie eine Sirene anhörte als nach einer Glocke. Als das nervtötende und ohrenbetäubende Läuten endlich aufgehört hatte setzte sich der Unterricht wie gewohnt fort. Als Herr Holder die Klasse betrat, hielt ich den Atem an. Würde er mich anlächeln oder mich sogar vor der ganzen Klasse aufrufen? Letzteren Gedanken verdrängte ich sofort wieder, da er wohl kaum seinen Beruf verlieren wollte. All meine Befürchtungen waren völlig fehl am Platzt, denn er beachtete mich nicht einmal. Das versetzte mir jedoch einen kleinen, aber schwer zu ignorierenden Stich über den ich mich sehr ärgerte. Was hatte ich den erwartet, einen Blick der mehr als tausend Worte sagt? Es war wahrscheinlich am besten so wie es nun mal war. Wie in auch jeder anderen Geschichtsstunde, fing er  gleich mit dem Stoff an, damit er früher aufhören konnte. Unser Thema ging um die frühen Hochkulturen, doch die Vergangenheit interessierte mich heute nicht. Meine Gedanken schweiften im hier und jetzt herum, nur leider bemerkte auch Herr Holder meine Abwesenheit. „Clairedif!". Aus den letzten Reihen der Klasse ertönte Gekicher als ich zusammenzuckte. „Äh wie bitte?", stammelte. „Ich habe dich gerade etwas gefragt", sagte er sichtlich verärgert. „Entschuldigen Sie, ich habe nicht zugehört", murmelte ich. „Ja, das habe ich bemerkt. Bitte komm am Ende der Stunde zu mir, ich denke wir müssen etwas besprechen", sagte er sichtlich verärgert. Ein Raunen ging durch die Klasse. „Schlagt bitte alle das Buch auf Seite Zweiunddreißig auf", fuhr er fort. Ich ließ meinen Kopf sinken. „Na toll! Da hast du es wieder mal geschafft auf dich aufmerksam zu machen, selbst wenn du nichts tust. Ganz toll Clairedif, ganz toll!", beschimpfte ich mich selbst in Gedanken. Den Rest des Unterrichts lang, tat ich so als ob ich mitarbeiten würde, da ich keine Lust darauf hatte nochmal bloß gestellt zu werden. „So Leute das war's dann für heute. Ich wünsche euch allen noch einen schönen Sommer!" verabschiedete sich Herr Holder von uns als die Schulklingel ertönte. Alle verließen sofort die Klasse, da niemand am letzten Schultag länger in der Schule sein wollte als nötig. Ich blieb alleine zurück. Naja fast alleine. Herr Holder kam auf mich zu und seufzte: „Hör mal ich weiß, dass es der letzte Schultag ist, aber ich würde mich freuen wenn du etwas mehr am Unterricht teilnimmst. Zur Note zählen nicht nur die Schularbeiten sondern auch die Mitarbeit, und davon hast du nicht sehr viel." Ich war völlig perplex. „War es das, was Sie mir sagen wollten?", fragte ich sichtlich verwirrt. „Äh ja, eigentlich schon", meinte er verwundert. „Wirklich? Sonst gar nichts?!". Ich konnte es nicht fassen. Er seufzte: „Wenn du auf das anspielst was letztens passiert ist, möchte ich das du weißt, dass du nicht verpflichtet bist mit mir darüber zu reden. Anscheinend war es dir sichtlich unangenehm." „Oh äh, ja dann, schon klar,  ich wünsche Ihnen noch schöne Ferien", sagte ich langsam und wollte gerade gehen als er mich plötzlich an sich zog, mir ein Päckchen in die Hand drückte und mir ins Ohr flüsterte: „Ich bereue nichts, und ich denke du tust das auch nicht."  Ich nickte zögerlich und verließ so schnell ich konnte das Gebäude. Als ich zuhause angekommen war zerriss ich sofort das Päckchen und etwas Flauschiges kam zum Vorschein. Ich hielt den Atem an. Es war das Sweatshirt, das ich getragen hatte. Frisch genäht und gewaschen. Dabei war ein kleiner Zettel. Ich zitterte als ich las: Für Clairedif. Es steht niemandem so gut wie dir!



Auf dem Boden der TatsachenWhere stories live. Discover now