Kapitel 8

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Auch wenn mir mein Gehirn andere Anweisungen gab, sträubte sich jede einzelne Faser meines Körpers und sehnte sich nach Liams nähe. Als ich so hypnotisiert wie ich war das Stiegenhaus hinunterlief bemerkte ich auch, dass es endlich aufgehört hatte zu regnen. Leider war ich da nicht die einzige, denn vor mir hatte sich bereits die lange Kinderschlange meiner Nachbarn gebildet. Ich und Jose mussten uns getäuscht haben, denn es waren so viele Kinder, da hätte man meine Wohnung dreimal ausfüllen können. Na super, die Stiege war vorerst blockiert. Ächzend versuchte ich mich durchzudrängen, doch binnen Sekunden war ich schon in dem schreienden Haufen untergegangen ohne Aussicht auf ein Auftauchen. „So Clairedif, das war's jetzt", dachte ich und rief einem kleinen Kind zu: „Sag Johnny Depp, dass ich ihn liebe!!!" Plötzlich zog mich eine Hand wieder auf meine Beine. Nein, es war leider nicht Johnny Depps Hand, aber ich war trotzdem heilfroh, dass noch alles an mir dran war. Die Hand gehörte zu Malcolm, dem Jungen der unter mir wohnte. Naja, diese Bezeichnung ist vielleicht etwas herablassend da ich sehr oft mit ihm Zeit verbrachte und ihn eigentlich zu meinen engeren Freunden zählen konnte. Das mit der Freundschaft wollte aber keiner von uns beiden aus ziemlich unerklärlichen Gründen zugeben, also nannte ich ihn den Jungen der unter mir wohnt. Unsere Beziehung zu einander war also sehr einfach, um es mit einem Wort zu beschreiben „lässig". Wir wussten nicht viel vom anderen, doch das war auch das tolle und unbeschwerte daran. Hätte ich Geschwister gehabt, tja ich hätte mir keinen besseren Bruder vorstellen können. „Sorry, ich hätte dich warnen sollen", grinste Malcom verschmitzt. „Tja, das wär im Nachhinein nützlich gewesen, ist ja nicht so, dass es um Leben und Tod gegangen wäre, " kam es von mir zurück, doch ich musste auch lachen. Die Kleinkinderflutwelle hatte sich bereits in ihren Lastwagen von Auto gezwängt und war nicht mehr zu sehen und auch Gott sei Dank nicht mehr zu hören. „Cooles Sweatshirt", staunte Malcolm „Ich wusste gar nicht dass du so etwas trägst". „Tu ich auch nicht", sagte ich mit dünner Stimme und versuchte jedoch so taff wie möglich zu klingen. „Stehst wohl noch unter Schock, was Kleine?!", spottete er zurück, wobei er das „Kleine"  mitleiderregend betonte und mir durchs Haar wuschelte. So nannte er mich immer, weil er genau wusste dass es mich nervte. Ich hatte ja auch allen guten Grund davon genervt zu sein, da ich eigentlich die ältere war! Es handelte sich hierbei zwar nur um ein paar Wochen, aber so genau musste das ja niemand wissen. Ich meine ja, gegenüber Malcolm mit seinen 1.90 war ich winzig im Vergleich, jedoch genauso ein Sturkopf wie er. „Pah, von so einem Knirps wie dir brauch ich mir das „Kleine" nicht sagen lassen", zischte ich zurück und tat auf beleidigt. Natürlich durchschaute er mich sofort, doch sagte zu nächst kein Wort. Als ich mich gerade umdrehen wollte spürte ich bereits wie sich plötzlich zwei starke Arme unter mich schoben und im nächsten Moment befand ich mich in der Luft. „He!", protestierte ich lachend, doch Malcolm reagierte nicht darauf. Grinsend setzte er mich vor der Haustür ab und zwinkerte mir zu: „Ich denke frische Luft wird dir gut tun. Hilft beim Wachsen!" Als Antwort streckte ich ihm nur frech meine Zunge heraus, doch auch ich konnte es mir nicht verkneifen zu grinsen. „Und schau dass du nicht zu spät wieder da bist, ich habe keine Lust darauf dich nochmal retten zu müssen!", lächelte er. „Danke, werde darauf achten mein glorreicher Retter!", rief ich und warf ihm einen Kuss zu. Nach dieser Aktion bekamen wir beide einen Lachanfall und ich joggte davon. Die Regentropfen die sich zuvor auf der Straße niedergelassen hatten, verdunsten bereits unter der dämmrigen Abendsonne. Es war ein wunderschöner Anblick, den ich wirklich gerne noch länger genossen hätte, aber natürlich nur mit einer ganz bestimmten Person. Da erst viel mir auf, dass ich in eine völlig falsche Richtung lief. Kopfschüttelnd über meinen eigenen Orientierungssinn drehte ich mich um und lief zurück. Glücklicherweise sah ich niemanden den ich kannte und konnte so ohne Unterbrechung mein Ziel verfolgen, welches mich direkt vor Liams Eingangstür brachte. Erst dort fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste was ich eigentlich zu ihm sagen wollte. Ich konnte ja schlecht einfach in seine Wohnung reinplatzen und sagen: „Hey Süßer, ich will eine Nacht an die ich mich auch erinnere!" Nein, sowas war nicht wirklich mein Stil. Wahrscheinlich würde ich dastehen aber nicht wirklich einen Ton herausbekommen. Diese Option wurde mir allerdings schon abgenommen, da sich auf einmal die Tür öffnete und Melanie in der Schwelle stand. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt...


Auf dem Boden der TatsachenWhere stories live. Discover now