17. Dezember

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Mousie98

„Es tut mir wirklich Leid, Ziva, aber das mit uns…“, ich stoppte mitten im Kauen und sah erschrocken auf, als Tony auf einmal sein Besteck zur Seite legte und mich ernst ansah. Panik stieg in mir auf und ich schaffte es kaum meinen Bissen Latkes herunterzuschlucken. „Was?“, fragte ich leise. Ich ahnte Schlimmes. „Es geht nicht mehr! Ich kann es einfach nicht mehr!“ Das war es also. Das Ende, bevor es auch nur richtig begonnen hatte. Nur mit Mühe konnte ich die aufsteigenden Tränen zurückhalten, wo auch immer sie auf einmal herkamen. Gerade noch, vor ein paar Sekunden, war meine Welt absolut perfekt gewesen, und jetzt? Zwei simple Sätze und alles war vorbei. Und es war nur ein weiterer Schlag in die Magengrube, dass er ausgerechnet an Chanukka mit mir Schluss machen musste. Einem Familienfest. Obwohl er doch wusste, wie viel es mir bedeutete, nicht alleine feiern zu müssen, ein Problem, dass jeder hatte, dessen Familie tot war. Hätte er nicht einfach diese verdammten acht Tage abwarten können?! Anscheinend nicht.

Warum tat er das? Ich dachte immer, dass wir glücklich wären! Wir waren bereits seit neun Monaten zusammen, die längste Beziehung, die ich je hatte, wenn ich ehrlich sein musste. Wir wohnten beinahe zusammen! Jedenfalls kann ich mich kaum an das letzte Mal erinnern, wann ich eine Nacht in meiner Wohnung verbracht hatte. „Aber…“, war das einzige, was ich herausbringen konnte, ehe mir doch die Tränen in die Augen schossen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, sprang ich auf, das Besteck mit vom Tisch reißend und hastete in unser Schlafzimmer, die Tür hinter mir zuknallend und mich an das Kopfende des Bettes setzend, sein Kopfkissen in die Arme nehmend. Das konnte er nicht tun. Er konnte mir nicht alles wegnehmen, was mir noch etwas bedeutete. Das durfte er nicht!

„Ziva?“, hörte ich Tonys Stimme aus dem Flur und gleich darauf ein leises Klopfen an der Tür. Ziva… Kein Zi, kein Sweetcheeks, keine Süße, kein gar nichts. Ziva. Sehr gewöhnungsbedürftig. Bis in den paar Stunden, die ich täglich mit ihm arbeitete, hatte ich meinen Namen Ewigkeiten nicht aus seinem Mund gehört. Und selbst dort, war ich seit Ewigkeiten seine Bambina. Eine Bambina. Das  Anrecht darauf seins zu sein, hatte ich wohl soeben verloren. Langsam öffnete er die Tür und betrat den Raum. Sofort senkte ich den Blick, den er sollte die Tränen nicht sehen, die sich mittlerweile ihren Weg über meine Wangen gebahnt hatten und die ich so unauffällig versuchte wegzuwischen. „Das ist mein Kissen“, bemerkte er bloß und am Liebsten hätte ich es ihm ins Gesicht geschleudert, doch dafür hätte ich aufschauen müssen und das war gerade keine gute Idee. Ich trug meine Haare seit neustem wieder lockig und offen, für ihn natürlich, weil er es so gerne hatte. Weil er mir jedes Mal sagte, wie hübsch er es fände. Wenigstens halfen sie mir jetzt, mein Gesicht zu verbergen, als ich sein Kissen losließ und zurück auf seine Betthälfte legte. Auf sein Bett, viel mehr. Unvorstellbar, heute alleine in meiner Wohnung zu schlafen, denn das Tony mich hier weiter wohnen lassen würde, bezweifelte ich sehr. Das letzte Mal, dass ich alleine einschlafen musste… Es muss über sechs Monate her sein, denn selbst wenn nicht ich bei Tony übernachtet hatte, hatte er bei mir geschlafen, was äußerst selten vorkam, oder er war so lange dageblieben, bis ich in seinen Armen eingeschlafen war. Weil er wusste, dass mich meine Albträume immer noch verfolgten. Aber was erwartete er jetzt von mir? Dass ich aufstehe und meine Sachen packe? Dass ich gehen soll? „Was ist los mit dir?“, fragte Tony jetzt und kam langsam zu mir rüber. Gleich würde er mich auffordern, seine Wohnung zu verlassen. Noch nicht mal bis nach dem Essen, das ich so sorgfältig geplant und vorbereitet hatte, hatte er warten können, so schnell wollte er mich anscheinend loswerden. „Ziva? Beruhig dich, okay? Wir können doch Freunde…“ – „Nein!“, schrie ich und sprang auf. „Sag es nicht!“ Ich wollte nicht mit ihm befreundet sein. Nicht nach alldem. Nicht, nachdem ich wusste, was ich hätte haben können. 

Rücksichtslos drängte ich mich an ihm vorbei und flüchtete ins Badezimmer. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, schloss ich zweimal ab und setzte mich mit dem Rücken gegen die Tür. Mittlerweile konnte ich ein Schluchzen nicht mehr zurückhalten. Das war ein einziger Albtraum, etwas, aus dem ich nachts schreiend aufgewacht bin, was Tony manchmal Stunden seines Schlafs gekostet hatte, weil ich mich kaum beruhigen konnte. Dass ich seit dem Tod meines Vaters vor über einem Jahr an Verlustängsten litt, war nichts Neues. Und natürlich hatte ich dämliche Ziva nichts Besseres zu tun, als mein Herz gleich an die nächste Person zu verschenken. Ich hätte in Israel bleiben sollen, hätte mich nicht überreden lassen sollen zurückzukommen. Ich hatte sogar meinen alten Job wieder aufgenommen, nachdem ich gemerkt hatte, dass ich, solange ich Tony hatte, niemand anderes sein wollte, als die Ziva, die ich schon immer war.

„Ziva? Weinst du?“, fragte Tony besorgt auf der anderen Seite der Tür. „Nein“, antwortete ich sofort, obwohl meine verheulte Stimme so ziemlich alles erklärte. „Komm, mach die Tür auf.“ Ich blieb stumm. „Bitte! Mach die Tür auf, Zi.“Zi… Beinahe schon aus Reflex öffnete ich die Tür und fand mich Sekunden später in Tonys Armen wieder. „Was ist denn los, Süße?“, fragte er leise und strich mir beruhigend über den Rücken. „Ich… Ich will nicht, dass wir Freunde bleiben“, erwiderte ich, meine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. „Ich kann das nicht.“ – „Warum sollten wir Freunde sein? Wir sind zusammen, weißt du nicht mehr? Ich liebe dich!“ Erstaunt blickte ich auf. „Aber… Du hast doch gerade mit mir Schluss gemacht!“ Zärtlich strich Tony mir die Tränen von den Wangen. „Wie kommst du denn auf die Idee?“, fragte er, einen verletzten Unterton in seiner Stimme. „Du hast gesagt, dass es nicht mehr geht! Dass du einfach nicht mehr kannst! Das wir Freunde bleiben können!“, rechtfertigte ich mich. Nicht, dass ich ihn von alldem überzeugen wollte, aber irgendwie kam ich mir gerade wie der letzte Trottel vor, dass ich so ausgerastet bin. „Dass ich unsere Beziehung einfach nicht mehr für mich behalten kann“, verbesserte er mich. „Dass wir Freunde nicht einfach so anlügen sollten. Abby hat heute versucht mich zu überzeugen mit einer ihrer Freundinnen auszugehen, da ich Ewigkeiten kein Date mehr hatte. Ich will nicht immer so tun müssen, als ob ich nichts für dich empfinden würde. Ich liebe dich doch, Zi…“ Ich fühlte mich schlecht. Hatte überreagiert. Ihn sich nicht erklären lassen. „Ich liebe dich auch“, flüsterte ich, als er sich leicht zu mir runterbeugte, um mich zu küssen. „Zi?“, fragte er, kurz bevor sich unsere Lippen berührten. „Ja?“ – „Ich werde dich nie verlassen. Das verspreche ich dir!“ Dann küsste er mich.

Chanukka sameach!

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