Ein Mann mit maßgeschneidertem Anzug sitzt in seinem Büro und macht eine Kaffepause. Dabei denkt er über die Vergangenheit nach. Er fragt sich, wann er wohl angefangen hat zu der Person zu werden die er jetzt ist. Nicht weil er irgendwas bereut, sondern einfach, weil ihm danach ist. An seinen früh verstorbenen Vater hat der Mann nur wenige Erinnerungen. Er lebte als Junge einige glückliche Jahre mit seiner alleinerziehenden Mutter von dem vom Vater geerbten Vermögen. Doch als er zwölf Jahre alt war, wurde seine geliebte Mutter bei einem Raubüberfall getötet. Ob dies wohl der Beginn von allem war? Oder war es einfach alles zusammengenommen?
Der Junge wurde von entfernten Verwandten aufgenommen, die er vorher noch nie getroffen hatte. Am Anfang mochte er sie. Sie ließen ihn in seiner Trauer in Ruhe, was er sehr wertschätzte. Aber mit den vergehenden Monaten wurde es immer seltsamer. Wenn er sich an den gemeinsamen Abendtisch setzt, war er unwillkommen. Wenn er um Hilfe bei Hausaufgaben fragte, wurde er abgewimmelt. Wenn er Vorschlug gemeinsam etwas zu spielen, an zu schauen, zu unternehmen, gab es nur fadenscheinige Erklärungen warum es nicht geht. Es wurde dem Jungen auch immer mehr klar, dass es den Verwandten egal ist wo er ist und was er tut. Es war eine einsame Freiheit.
Aber das war nicht das einzige, was dem Jungen zunehmend seltsam vorkam. Während die Tochter der Verwandten alles bekam was sie sich wünschte, war er nur mit den nötigsten materiellen Dingen versorgt. Als die Familie in eine Villa umzog, bestand sein Zimmer aus einem kleinen Nebenhaus mit einem Bett, einem Schrank und einem eigenem Bad. Der Zutritt zum Haupthaus wurde ihm nur unter ganz bestimmten Umständen erlaubt. Nicht einmal zu Essen durfte er sich dort holen. Stattdessen wurde ihm die Mahlzeiten jeden Tag von einem Bediensteten gebracht. Durch all diese Umstände wurde dem Jungen letztendlich klar, dass es seine Verwandten nur auf das Vermögen seines Vaters abgesehen hatten. Er gab die Hoffnung auf eine liebevolle Familie wie er sie einst hatte auf.
Wegen dem Umzug musste der Junge die Schule wechseln und weil er vom Tot seiner Mutter emotional angeschlagen war, fand der Junge keinen Anschluss in der neuen Klasse. Als er dann wieder anfing sich sozial einbinden zu wollen, hatten sich bereits Gruppen gebildet. Aus einem ihm damals unbekannten Grund wollte ihn niemand in seine Gruppe. Zu seinem alten Freundeskreis hatte er damals ebenso den Kontakt verloren. Deshalb war es für ihn eine freudige Überraschung als einige Monate später ein paar seiner Mitschüler anfingen sich mit ihm anzufreunden. In dem Glauben nicht mehr allein zu sein fiel es dem Jungen anfangs nicht auf, aber als immer mehr Wochen vorbeizogen sammelten sich die verdrängten Gedanken und Gefühle des Misstrauen zunehmend an. Bis sie sich schließlich als wahr erwiesen. Er hörte unbeabsichtigt ein Gespräch von seinen angeblichen Freunden mit. Dabei erfuhr er, das anscheinend die ganze Schule glaubte er sei der arroganter Sohn einer Reichen Familie, der sich für besser als alle anderen hält. Das schlimmste dabei war, das seine Freunde diese Ansicht teilten und in seiner Abwesenheit über ihn herzogen. Sie hatten sich nur mit ihm angefreundet, weil sie ihn ausnutzen wollten. Die Gefühle von Verrat und Einsamkeit erschlugen ihn. Seit diesem Tag lies er nie wieder eine Person an sich heran. Die quälende Einsamkeit ist er gewohnt. Aber das schmerzende Gefühl des Verrats will er nie wieder ertragen müssen.
Kurz nach diesem Ereignis erfuhr er durch Zufall, das seine Verwandten heimlich Teile des Vermögens zur Seite legten. Sie planten, alles bis zu dem Tag ausgegeben und versteckt zu haben, an dem der Junge die volle Kontrolle darüber erlangt hätte. Darüber wütend versuchte der Junge alles in seiner Machtstehende um dies zu verhindern. Doch anstatt Erfolg damit zu haben, erfuhr er eine grausame Wahrheit. Seine Verwandten hatten den Tod seiner Mutter geplant um an das Geld zu kommen. Der Junge hätte ihnen das Geld mit Freude gegeben, wenn seine Mutter dafür noch am Leben sein könnte. Dies ist nun aber unmöglich. Diese Monster hatten sein glückliches Leben zerstört und dafür schwor der Junge Rache.
Seine Mutter hatte ihm beigebracht, Regeln und Gesetzte zu respektieren. Dies war der einzige Grund warum der heranwachsende Junge Jahre damit verbrachte Beweise zu suchen und genügend Macht und Geld für seine Rache zu erlangen. Er ermahnte sich immer und immer wieder geduldig zu sein, das der Tag der Rache kommen würde, wenn er hart genug arbeitete. Doch nachdem der Junge zu einem erfolgreichen Mann in den Mittezwanzigern wurde und die Pläne der Verwandten alle perfekt funktioniert hatten, gab er es auf. Er würde nicht länger eine legale Methode zur Rache suchen. Er würde sich noch in diesem Monat rächen. Weil er dabei einmalig die Lehren seiner Mutter missachtete, plante er es richtig zu machen. Der Mann stellte Nachforschungen an, knüpfte Kontakte und bis er anschließend den finalen Auftrag gab. Wenige Tage später wurden seine Verwandten von Auftragsmördern entführt und wie befohlen über mehrere Tage hinweg zu Tode gefoltert. Als Beweis ließ der Mann sich Videos und Fotos zuschicken. Er hatte endlich sein Ziel erreicht.
Das klingen eines Timers reißt den Mann aus seinen Gedanken. Die Pause ist vorbei und der Mann geht aus seinem Büro zu seiner Sekretärin. Diese unterhält sich gerade mit einer Kollegin darüber wie kalt und unnahbar ihr Chef doch ist. Der Mann macht sich daraus nichts. Egal was passiert, er wird sich niemals wieder die Kontrolle über sein Leben von jemand anderen entreißen lassen und das Alleinsein ist der Preis den er dafür bereitwillig zahlt.
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Kurzgeschichten und co.
RandomHier stelle ich selbst verfasste Gedichte, Gedanken, Wortspiele, Kurzgeschichten und was mir sonst noch einfällt rein. Zum Teil auch Aufsatzideen, die nie vollständig verfasst wurden (also kurzgeschichten)