Vera trat in das Wohnzimmer, wo ihre Tante Vera gedankenverloren ihre Finger über die Klaviertasten gleiten ließ. Ihr Onkel saß stumm in seinen Liebliengssessel und las seine Zeitung. Das leise knistern der Zeitung war das einzige Geräusch in diesem Raum. Wieder einmal fühlte sich Sandra wie ein Störenfried. Aber diesmal würde sie all ihren Mut zusammen nehmen und das Thema endlich ansprechen.
Sie strich ihre Haare glatt und holte tief Luft. "Tante, Onkel, ich habe euch etwas zu beichten", sagte sie zögerlich. Ihr Onkel legte generft die Zeitung aus der Hand und sah sie fragend an, während Tante Vera aufhörte zu klimpern und sanft fragte: "Was willst du uns erzählen?" Sandra wartete einen Moment, dann endlich erklärte sie: "Ich werde euch verlassen. Ich habe Arbeit in einem Einkaufsladen als Verkäuferin gefunden und miete mir eine kleine Wohnung." Jetzt, wo sie es ausgesprochen hatte, klang es gar nicht so schlimm, aber ihr Onkel war da wohl anderer Meinung, er schaute sie jetzt nämlich entsetzt an, während ihre Tante einfach wieder anfing zu klimpern.
Sandra beobachtete ihren Onkel abwartend, während dieser noch einige Momente brauchte um den Schock zu überwinden. Als er ihn überwunden hatte, sagte er: "Sandra, dass geht nicht. Du musst dir einen Ehemann suchen und Hausfrau werden wie alle Frauen. Nimm dir ein Beispiel an deiner Tante!" Tante Vera schaute auf und bestimmte: "Halt mich da raus!" Sandra wiedersprach ihrem Onkel: "Warum sollte ich nicht auch arbeiten dürfen wie du und alle anderen Männer auch!" Ihr Onkel antwortete ruhig: "Weil sich das für Frauen nun mal nicht gehört. Denk doch mal nach. Frauen eignen sich nun mal nicht dazu, Finanzen zu überprüfen, auf Baustellen zu arbeiten oder sogar wichtige Firmen und Projekte zu führen! Das ist unvorstellbar!" Sandra wollte den Vortrag nicht länger mit anhören und unterbrach ihren Onkel deshalb energisch: "Frauen könnten sehr wohl Finanzen überprüfen, auf Baustellen arbeiten oder sogar wichtige Firmen oder Projekte führen. Sie dürfen es nur nicht und das ist sehr, sehr ungerecht!" Ihr Onkel murmelte angestrengt, um nicht loszuschreien: "Das gehört sich aber einfach nicht. Verstehe das Halt! Frauen sind dafür gemacht Kinder großzuziehen, den Haushalt zu machen und ihren Ehemann zu versorgen. Nicht um Männerarbeit zu machen! Wo kämen wir da denn hin?"
Sandra sah ihren Onkel böse an. Er konnte ihr nicht verbieten zu arbeiten. Da meldete sich ihre Tante Vera: "Sandra kann machen was will. Sie ist alt genug. Ich werde sie auf jeden Fall unterstützen!" Ihr Onkel sah sie entsetzt an,schüttelte genervt den Kopf und vertiefte sich, in dem Wissen das er gegen zwei aufgebrachte Frauen mit Vernunft keine Chance hatte, wieder in seine Zeitung. "Damit war das Thema wohl abgeschlossen. Endlich!" dachte sich Sandra bevor sie den Raum verließ.
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Kurzgeschichten und co.
RandomHier stelle ich selbst verfasste Gedichte, Gedanken, Wortspiele, Kurzgeschichten und was mir sonst noch einfällt rein. Zum Teil auch Aufsatzideen, die nie vollständig verfasst wurden (also kurzgeschichten)