Der Sohn des Königs

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Donnernd hallten die Hornstöße über den Pelennor und die Weiße Stadt. Sie kündigten die Ankunft des Königs an. Zusammen mit einer einhundert Mann starken Eskorte kehrte der König aus Dol Amroth zurück. Eldarion blickte von der obersten Ebene der Stadt zum Tor hinunter. Doch ohne eine Sehhilfe waren die Ankömmlinge nichts weiter als kleine schwarze Flecken am Fuße der Tore. Der Prinz wandte sich wieder ab und ging in Richtung der Halle des Königs. Der von seinem Vater gepflanzte Weiße Baum schimmerte herrlich im Sonnenlicht. Eldarion blieb vor dem Baum stehen und betrachtete ihn nachdenklich. Einige der Blüten waren zu seiner Verwunderung bereits verblüht. Hoffentlich sind das keine schlechten Vorzeichen, dachte der Thronerbe und machte sich auf den Weg in die Empfangshalle.
» Seid gegrüßt , mein Prinz. Ich habe die Hörner vernommen. Ist Euer Vater zurückgekehrt?«, fragte ein stattlich gekleideter , leicht übergewichtiger Mann mittleren Alters als Eldarion den Thronsaal betrat.
» Ja, er ist zurück aus Dol Amroth, Mardil. Lasst ein Festmahl für unseren König vorbereiten.« Gerade als sich Mardil, der Haushofmeister des Königs , umdrehte um seine Pflichten zu erfüllen, schnippte Eldarion kurz mit den Fingern, um Mardils Aufmerksamkeit zurückzuerlangen.
» Und noch etwas. Befehle den Gärtner sich besser um den Weißen Baum zu kümmern, falls Ihnen etwas an ihren Leben liegt. Mehrere Blüten sind dahin. Ich weiß dieses Zeichen nicht zu deuten. Das wäre dann alles, Mardil.«
Nickend wandte sich der Haushofmeister ab und schritt davon.
Eldarion hatte vor, sich noch umzuziehen, bevor sein Vater mit seinem Gefolge in der Königshalle speiste und so machte er sich auf den Weg zu den Gemächern, die in einem Nebengebäude eingerichtet worden waren. Er fragte sich, wo wohl seine Mutter und zwei seiner Schwestern waren. Vermutlich musizieren sie wieder in den Häusern der Heilung. Ein Glück, dass dort im Moment kaum Patienten behandelt werden, dachte der Prinz und musste grinsen. In seinem Zimmer angekommen, ging Eldarion zunächst zu dem enormen Wandspiegel und betrachtete sein Spiegelbild. Er sah einen großgewachsenen jungen Mann mit anmutigen Gesichtszügen, die stark an einen Elb erinnerten. Er hatte schulterlanges, dichtes schwarzes Haar, einige Bartstoppeln am Kinn , sowie betörend braune Augen. Er hörte vielerorts das Tuscheln der Leute, wenn er vorbeiritt oder ließ sich berichten, dass sämtliche Jungfrauen der Weißen Stadt gerne mit ihm vermählt werden würden. Und selbst über die Grenzen der Stadt hinaus eilte ihm der Ruf als attraktiver Dunedain-Sprössling von elbischer Abstammung voraus. Und eines Tages werde ich König sein und alle werden sie mir zu Füßen liegen, dachte Eldarion stolz und ließ seine Brust anschwillen. » Diese Haltung sollte ich portraitieren lassen«, sagte er zu sich selbst und wandte sich lachend vom Spiegel ab. Im Moment war Eldarion nur der Kronprinz des Vereinigten Königreichs von Gondor und Arnor und so hatte er sich auch zu benehmen. Nachdem er sich ein prachtvolles dunkelgrünes Gewand mit dem Weißen Baum darauf gestickt angezogen hatte und einen Umhang dazu um seine Schultern legte, klopfte es an der Tür.
» Tretet ein.«
Die Zimmertür ging auf und herein kam eine Frau, deren weiches schwarzes Haar geflechtet worden ist, um dem Diadem auf ihrem Kopf eine würdevolle Ausstrahlung zu verleihen. Sie trug ein langes hellgrünes Kleid, welches sie so ähnlich bereits an ihrer Hochzeit vor vielen Jahren trug. Eldarion blickte auf und erkannte seine Mutter in der Tür. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
» Was gibt es , meine liebe Mutter?«, fragte Eldarion in höflichem Ton.
» Ich wollte nachsehen, ob du endlich fertig bist für das Festessen heute Abend.« sagte Arwen Undomiel.
» Ich bin soeben fertig geworden, aber nett von dir mich aufzusuchen.«
Arwen blickte ihm eindringlich in die Augen. » Für mich wirst du immer mein kleiner Sohn sein nach dem ich sehen muss «, sagte sie und lachte hell und fröhlich.
Sie machten sich beide in die Halle des Königs auf, wo bereits eine große Tafel mit allen erdenklichen Köstlichkeiten vorbereitet worden war. Der Thron an der Spitze der Tafel war leer, allerdings saß zur rechten des Hohen Stuhls Mardil, der Haushofmeister und gleich daneben zwei Damen in ansehnlichen Kleidern, die ihre edle Herkunft verrieten. Vermutlich wieder Speichellecker aus einem niederen Adelshaus, dachte Eldarion insgeheim und nahm neben seiner Mutter an der Tafel Platz. Kurz darauf glitten die Türen hinter dem Königsthron auf und der König trat heraus , begleitet von zwei seiner Leibgardisten, die beeindruckende Rüstungen trugen. König Elessar Telcontar schritt in Richtung der Tafel, wobei seine Krone mit dem Edelstein Elessar an dessen oberer Spitze würdevoll auf seinem schulterlangen weiß grauen Haar ruhte. Auf seiner Robe war der Weiße Baum Gondors gestickt und sein Mantel wehte beim Gehen auf und ab. Sämtliche Gäste an der Tafel, die sich inzwischen eingefunden hatten , erhoben sich umgehend als der Hohe König von Gondor und Arnor eintrat.
Elessar trat an den Tisch heran und stellte sich vor seinen erhöhten Stuhl.
» Seid herzlich willkommen, meine Freunde , in meinen Hallen. Nach meiner anstrengenden Reise nach Dol Amroth bin ich nun doch recht hungrig geworden. Trinkt und speist heute Nacht und amüsiert Euch gut. Wir feiern den Beginn eines neuen Jahres und inzwischen ist es das 123. Jahr meiner Regentschaft.« Er hob den Kelch und prostete jedem der Gäste zu.
» Hail, Gondor , Reich des Friedens.«, sprach er mit kräftiger Stimme und nahm einen großen Schluck Wein.
» Hail, Elessar , unserem König!«, antworteten die Anwesenden Gäste und tranken ihrerseits. Es war ein prächtiges Fest. Es wurde gelacht, Wein getrunken und reichlich Speis genossen. Eldarion hatte bereits ein halbes Hähnchen sowie einen saftigen Entenbraten getilgt und spülte diesen mit Wein herunter, als er bemerkte, dass Mardil intensiv auf seinen Vater einredete. Er konnte nur einzelne Wortfetzen hören.
»... Die Überlebenden wurden....Ithilien gebracht....sollen wir mit ihnen verfahren, mein König?«, redete Madril auf seinen Vater ein. Dieser blickte besorgt drein und dachte wohl gerade nach. Allerdings antwortete er so leise, dass Eldarion es nicht verstand und so wandte er sich wieder ab und sprach mit Imrahil, dem Fürst von Dol Amroth, der seinen Vater begleitet hatte. Er hatte langes blondes Haar und elbengleiche Gesichtszüge. Man munkelt, dass seine Mutter eine Elbin aus dem Norden gewesen sei, die gerade auf dem Weg zum Hafen war und in Dol Amroth Rast hielt. Dort verlor sie ihr Herz an einen stattlichen Fürstensohn und heute saß Imrahil als Fürst am Tisch des Königs. Er hatte den Ringkrieg selbst erlebt und erzählte oft und gerne davon. Seine Schwanenritter waren sein ganzer Stolz. » Wisst Ihr, mein Prinz, wieso der Schwan das Wappen Dol Amroths ziert ? «
» Nein, Fürst Imrahil, das ist mir nicht bekannt .«
Imrahil blickte Eldarion betrübt an und begann zu erzählen. » Lange vor meiner Geburt , im Zeitalter der Helden und Legenden, wurde ein großer Fürst auf dem Weg von Lothlorien zu dem südlichen Meer von einer Meute Ostlinge und Orks gefangen genommen. Sie folterten ihn, um Informationen über die Elben herauszufinden, denn Orks verabscheuten Elben und ihr Herr, Melkor seinerzeit, führte einen schrecklichen Krieg gegen die Elben. Eines Tages, als der Fürst, dessen Name Tuor war , bereits alle Hoffnung auf eine Rettung aufgegeben hatte, wurde das Versteck der Orks von den Menschen aus Gondor entdeckt und angegriffen. In diesem heillosen Gemetzel gelang es Tuor zu fliehen. Doch er irrte ziellos umher, ohne zu wissen wo Norden oder Süden, Osten oder Westen gewesen ist. Er war unglaublich erschöpft von seiner Gefangenschaft, dass er sich eines Tages auf einen großen flachen Stein legte und bereit war zu sterben. Er schloss die Augen und glaubte auch tot zu sein, als er sie aufschlug und sieben Schwäne erblickte, die am Himmel vorbeizogen. Solch prächtige Lebewesen von so einer atemberaubenden Schönheit hatte er noch nie gesehen. Angespornt von dem Gedanken einen dieser Schwäne aus nächster Nähe sehen zu können , erhob er sich von dem Stein und rannte los. Sein Körper war zwar nach wie vor schwach, aber sein Geist wurde durch den Anblick der Schwäne wortwörtlich beflügelt.« Fürst Imrahil hielt kurz inne und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Kelch. Dann fuhr er fort.
» Er fand die Schwäne, sie hatten sich auf einer Bergspitze nahe des Wassers niedergelassen und rasteten womöglich . Am Fuße des Berges , als Tuor diesen gerade erklimmen wollte, um an die Schwäne zu gelangen, fand er ein prächtiges Schwert, sowie eine Rüstung und einen Helm. Doch es waren keine gewöhnlichen Waffen. Im Gegenteil, es war die Ausrüstung, die einer der Maiar dort hinterließ. Sie besaßen magische Kräfte und verliehen ihrem Träger ungeheure Kräfte . Als Tuor die Rüstung anlegte und das Schwert ergriff, fühlte er sich wie neugeboren und beschloss an eben jener Stelle eine große Hafenstadt zu errichten. Sie sollte den Namen Dol Amroth tragen und auf ihrem Wappen einen herrlichen silbernen Schwan tragen. Und auch heute noch kann man Dol Amroth bereits aus weiter Ferne erkennen, an eben jenem Berg, der in der Mitte der Stadt emporragt.«
» Eine sehr schöne Geschichte, Fürst, aber verzeiht wenn ich sage, dass es sich hierbei wohl eher um eine gehaltlose Legende handelt, die so nicht bewiesen ist. «, sagte Eldarion etwas gelangweilt .
» Mein Prinz, mir scheint Euer Interesse an abenteuerlichen Geschichten hat in letzter Zeit stark abgenommen . Als ich Euch zuletzt sah, wart ihr ein sehr junger Mann und geradezu erpicht darauf neue Abenteuergeschichten zu hören .«
» Jetzt bin ich ein erwachsener Mann und werde bald einmal ein Königreich regieren. Ihr solltet mir mehr Respekt entgegenbringen, Fürst Imrahil.«, sagte Eldarion und stand verärgert auf und ging zu dem freien Platz zur Linken seines Vaters. Arwen und viele andere Gäste hatten sich bereits verabschiedet und zurückgezogen, so dass nur noch das Gefolge von Fürst Imrahil an der Tafel trank, sofern sie noch nicht auf den Tisch eingeschlafen waren und einige Männer seines Vaters . Mardil und Elessar unterhielten sich nach wie vor intensiv über ein wohl wichtiges Thema. Als Eldarion neben seinem Vater Platz nahm , hörten die beiden auf zu reden und blickten ihn an. » Redet ruhig weiter , ich werde euch schon nicht stören, mein König.«, sagte Eldarion höflich zu seinem Vater.
» Wir waren ohnehin gerade fertig. Mardil, Ihr dürft jetzt gehen. Führt meine Befehle aus und dann sehen wir weiter.«, sagte König Elessar und Mardil stand auf, verbeugte sich und watschelte davon.
Eldarion erwiderte den Blick seines Vaters und versuchte stand zu halten, doch dem Blick Elessars konnte schon lange niemand mehr stand halten. » Es war sehr ungeschickt von dir, Fürst Imrahil zu verärgern. Diese Geschichte ist sein Ein und Alles. Er erzählt sie jedem mit enormer Hingabe . Und vergiss nicht, wenn du König wirst brauchst du deine Lehen. Und Belfalas ist nunmal das größte Lehen Gondors. Sei nächstes Mal behutsamer, mein Sohn .«
» Vater, woher wisst Ihr , über was wir sprachen? « fragte Eldarion erstaunt.
» Fürst Imrahil brüllt beim Erzählen manchmal so laut, dass man es bis nach Osgiliath hört.« Sein Vater lachte kräftig und ließ sich etwas Wein nachschenken.
» Um was ging es bei Eurem Gespräch mit Mardil, mein König?«, fragte Eldarion in der Erwartung keine Antwort zu bekommen.
» Ich fürchte, dass schwierige Zeiten anbrechen werden. Du und ich, wir stehen in der Verantwortung diese Probleme aus der Welt zu schaffen, aber sei dir gewiss, dass ich mit dir noch kurz über eine wichtige Sache reden muss. Wollen wir ein Stück gehen? «. Elessar Telcontar erhob sich von seinem Thron und alle die noch bei Verstand waren erhoben und verbeugten sich, als er vorüberschritt und Richtung Tor ging. Seine beiden Leibwächter der Weißen Garde flankierten ihn. Eldarion wurde es beim Aufstehen etwas mulmig. Der Wein war ihm wohl zu Kopf gestiegen . Wankend folgte er seinem Vater hinaus in den Hof. Die kühle Luft der Nacht erfrischte seine Sinne und ließ ihn wieder klar denken. Das nächste Mal trinke ich weniger Wein, sagte Eldarion zu sich selbst.
König Elessar wartete am Fuße des Weißen Baumes und betrachtete dessen Blüte. Eldarion konnte sich denken, worüber sein Vater mit ihm sprechen wollte. Seine Zeit war endlich gekommen.....

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Und hier gibt's ein neues Kapitel meiner Geschichte ! Hat wegen den Feiertagen um den Jahreswechsel etwas länger gedauert ! Sorry! Ich wünsche euch natürlich allen ein gesundes neues und vor allem erfolgreiches Jahr 2015! :)
Zum Kapitel: Sorry für den CLIFFHÄNGER am Ende , aber sonst wäre das Kapitel zu lange geworden ! ;)
Wie immer dürft ihr mir Kritik, Anregungen , Fragen und Likes hinterlassen!

LG ghostwriter9 :*

Der Neue Schatten- Eine Herr der Ringe StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt