Um 19.58 Uhr betrat ich das Casino. Es war das einzige dieser Stadt welches nicht im Besitz der Rosso's war. «Lyn Anderson, du bist zu spät», erklang es aus einer dunklen Ecke. «Das bin ich gewiss nicht», erwiderte ich ohne zu zögern, denn ich wusste ganz genau, ich war es nicht. Ich war es nie.
Sah ich da etwa ein Lächeln auf den Lippen von Dominic Rosso? Es stand ihm gut. Er sah damit... beinahe charmant aus. Auch ich musste leicht grinsen.
«Wollen Sie nicht eine Runde spielen?», ich deutete auf den Pokertisch hinter ihm. «Du hast es selbst gesagt, Lyn Anderson, ich bin kein guter Spieler.» «Sie können mich ruhig nur Lyn nennen» Dass er meinen falschen Nachnamen immer wieder erwähnte erinnerte mich nur daran, auf welch dünnem Eis ich mich da bewegte.
«Wie du wünschst, Lyn.», mit einer Handbewegung deutete er mir an, mich ebenfalls zu setzten. «Ich habe über deinen Deal nachgedacht. Ein Deal beruht ja bekanntlich auf Gegenseitigkeit. Was ist es also, was du im Gegenzug von mir verlangst, pargola?»
«Im Gegenzug», wiederholte ich leise und merkte dabei wie meine Handflächen begannen zu schwitzen. Ich ballte sie zu Fäusten. »Ich Brauche den Schutz der Rosso-Familie. Der Mafia Ihres Vaters.»
Wie zuvor im Café kniff er seine Augen zusammen. «Und vor wem müsstest du beschützt werden?», er sprach ruhig doch sein angespannter Kiefer verriet ihn. Das Ganze war ihm nicht geheuer, ich war ihm nicht geheuer. Also tat ich das einzige was ich tun konnte, um sein Vertrauen zu gewinnen. Ich erzählte ihm die Wahrheit, mehr oder weniger.
«Ich bade die Fehler meiner Eltern aus. Sie haben noch eine Rechnung offen und es ist ja wohl naheliegend, dass man Eltern den grössten Schmerz hinzufügt, indem man ihre Kinder verletzt.» Ich schaute ihm fest in die Augen: «Gerade Sie sollten wissen wie sowas läuft». Er schien mir die Geschichte abzukaufen und senkte den Blick. «Ich werde im Auftrag von Enrico Romanow verfolgt», versuchte ich dann so beiläufig wie möglich zu erwähnen, doch Dominic's Kopf schnellte sofort wieder hoch. «Dir ist bewusst dass das die Russische Mafia ist!», zischte er wütend. Ich machte grosse Augen. «Was? Nein, natürlich nicht! Woher bitte sollte ich denn sowas wissen? Oh Gott was mache ich jetzt nur?», das war meine zweite Lüge an diesem Tag und ich war mir ziemlich sicher, dass er sie mir nicht abnahm. Deshalb log ich ein weiteres Mal: «Mein Vater war in Drogengeschäfte verwickelt. Er schuldete Enrico Geld.»
Dominic Rosso galt mit seinen 18 Jahren als unerfahren und naiv, doch auf seinen Instinkt war bisher immer Verlass gewesen. Und was sagte ihm dieser in jenem Augenblick? Das ist einfach: Diese Lyn Anderson log. Er war sich noch nicht ganz sicher wo die Wahrheit aufhörte und die Lüge begann, doch er glaubte ihr vertrauen zu können, was seine Mutter anbelangte. Und das war der einzige Grund weshalb er sagte:
«Wenn du mir hilfst, den zu töten, der meine Mutter umgebracht hat, steht die Rosso-Familie für immer in deiner Schuld. Du darfst mich Dominic nennen.» Ich wusste, dass er die Lüge geschluckt hatte und lächelte mein unschuldigstes Lächeln. «Dann werde ich jetzt eine runde pokern gehen, wenn es dir nichts ausmacht.» Er nickte, als wollte er mir eine Erlaubnis geben, nach der ich gar nicht gefragt hatte. Erleichterung breitete sich in mir aus, es fühlte sich an, als sei ich Zuhause angekommen. Als wäre ich endlich in Sicherheit.
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Blurred Lines
Teen FictionEin Jahr ist es her, seit Ashlyn mit Tyler geflüchtet war. Sechs Monate suchte sie bereits nach der Rosso Familie. Und jetzt hatte sie ihn endlich gefunden: Dominic Rosso. Der Sohn der mächtigsten Mafia Europas. Nur er konnte sie vor ihren Verfolge...