-Dominic-
«Sag mal spinnst du?» Emilia funkelte mich wütend an.
«Lass es einfach, okay?»
«Papà liegt im sterben und du lässt eine klauende Lügnerin unter demselben Dach schlafen wie er? Weisst du Nic, ich glaube er hat sich in dir geirrt. Du bist noch nicht so weit. Antonio Rosso's Fussstapfen sind zu gross für dich. Du handelst wie ein pubertierender, schwanzgesteuerter-«
«Das ist genug!», wütend schlug ich an die Wand und meine Schwester zuckte erschrocken zusammen. Ihr Blick war nun nicht mehr auf mich, sondern auf den Boden gerichtet.
«Stell meine Autorität nicht wieder infrage, Emilia! Das Mädchen ist nicht dein Problem, mach es nicht dazu!», mit diesen Worten stürmte ich gereizt davon. Meine kleine Schwester hatte meine Taten bis anhin noch nie hinterfragt, wieso also war es diesmal anders? Handelte ich tatsächlich falsch? Langsam wusste ich wirklich nicht mehr, was richtig und was falsch war... Scheisse, ich hätte Lyn vielleicht doch vergiften sollen.
-Ashlyn-
Ich lag in einem der unzähligen Gästezimmer im Hause der Rosso's.
Es war kurz vor zwei Uhr morgens und noch immer wandte und drehte ich mich in meinem Bett. Es fiel mir unheimlich schwer in diesem Haus einzuschlafen.
«Das ist Genug!», hörte ich Dominic's aufgebrachte Stimme aus weiter Entfernung. Stirnrunzelnd richtete ich mich auf. Mit wem sprach er da? Ich überlegte, mich aus dem Zimmer zu schleichen um ihn zu belauschen, da hörte ich auch schon seine schweren, schnellen Schritte. Sie liefen an meinem Zimmer vorbei und nahmen mir so die Entscheidung ab: Zurück ins Bett. Schlafen.
Dominic's kleiner Wutausbruch machte mir das Einschlafen allerdings nicht leichter, im Gegenteil: Ich war plötzlich hellwach und voller Adrenalin. Und durstig.
Mit dem Vorwand einen trockenen Mund zu haben stieg ich also aus dem Bett und lief barfuss den dunklen Gang entlang. Dominic hatte mir eine Knappe Hausführung gegeben; Das Badezimmer war vis à vis von meinem Zimmer, Emilias Zimmer am Ende des Ganges-nicht betreten, auch den oberen Stock war tabu. Die Küche war auf der anderen Seite des Hauses, genauso wie das Esszimmer. Dominic's Büro lag links vom Haupteingang, dort führt eine Treppe hinunter zu einem Trainingszimmer und einer Bar-für mich ebenfalls strengstens verboten. Ich hatte mir das Haus so gut es ging eingeprägt, es ist schliesslich immer von Vorteil seine Umgebung zu kennen.
Anstelle in das naheliegende Bad zu gehen, schlich ich mich in die Küche. Das Licht knipste ich nicht an. Ich öffnete einige Kästchen bis ich ein Glas fand, welches ich anschliessend mit Leitungswasser füllte. Kurz war ich versucht, in den Kühlschrank zu schauen, doch man hatte mich des besseren belehrt. Man schnüffelt nicht.
Ich setzte mich auf die Kücheninsel und starrte die Silhouette der grossen Kühlschranktür an. Der musste unglaublich viel Platz haben, so gross wie er war. Was sich darin wohl alles befand? War Dominic der Typ, der Schokoladenkuchen in seinem Kühlschrank aufbewahrte?
Gedankenversunken sass ich, mit dem leeren Glas in der Hand, auf der Kücheninsel und starrte ins Leere als plötzlich das Licht anging.
Geblendet von der grellen Lampe schloss ich die Augen. Ich blinzelte einige Male und nahm nur wage war, wie sich mir Dominic näherte. Obwohl er nicht mit meiner Präsenz gerechnet hatte, schien er nicht sonderlich überrascht, mich hier anzutreffen.
«Wieso schläfst du nicht?», murrte er und öffnete den Kühlschrank. Verstohlen linste ich hinein und antwortete abwesend: «Konnte nicht schlafen, ich war durstig».
Mit einem Apfel in der Hand drehte er sich zu mir. «Willst du?», fragend streckte er mir den Apfel entgegen. Ich starrte zuerst auf Dominic und dann auf die für diese Uhrzeit viel zu gesunde Frucht vor mir und rümpfte abfällig die Nase.
Lachend zog er seinen Arm zurück und widmete sich wieder dem Kühlschrank. Zu gerne hätte ich ihn nach seiner Diskussion gefragt, ich meinte nämlich, den Namen Antonio Rosso gehört zu haben. Was war mit ihm? Wo war er? Natürlich fragte ich nicht. Es ging mich nichts an.
Unsere Eltern hatten Tyler und mir immerzu gesagt, unsere Nasen nicht in fremde Angelegenheiten zu stecken. Es war ersten sehr unhöflich, zweitens machten sich neugierige Klugscheisser nur unbeliebt und drittens – und das war der allerwichtigste Punkt – brachte das Mitwissen einer Sache nur Probleme mit sich. «Wisst nur das nötigste. Ihr sollt überlegen sein, nicht dieselben Informationen haben, die alle Anderen ohnehin schon untereinander teilen», hatten sie immer wieder gesagt. Ehrlich gesagt verstehe ich bis heute nicht, wieso ich nicht einfach alles wissen sollte. Wissen ist Macht. Wieso darf ich nicht mächtig sein?
«Hier», Dominic stellte ein kleines Gläschen neben mich auf die Ablagefläche und reichte mir einen Löffel. War das etwa Crème Brûllée? Überrascht schaute ich auf.
«Es ist nicht vergiftet», meinte er hastig und wusch zeitgleich seinen Apfel. Verstohlen grinste ich ihn an. Ich liebte Desserts. «Danke.»
Dominic stellte sich neben mich und biss in seinen Apfel. "Tu sei una golosona!", stellte Dominic schmunzelnd fest und biss erneut in seinen Apfel. Wie konnte er nur so etwas essen, während ich neben ihm ein von Gotteshand gemachtes, delikates Stück Himmel in mich hineinschaufelte?
«Hör mal zu Lyn», meinte Dominic nach einer Weile und ich schaute neugierig in seine dunkelblauen Augen. Dadurch, dass ich auf dem Tresen sass waren wir ungefähr auf selber Augenhöhe.
«Ich werde das Gefühl nicht los dass du lügst. Und ich weiss dass du nicht damit aufhören wirst, selbst nach diesem Gespräch, aber wenn ich erstmal herausgefunden hab womit du lügst, werde ich dich töten müssen». Dominic schien nicht sichtlich erfreut, dieses Gespräch mit mir zu führen, wieso also tat er es? Es machte mir unglaubliche Angst, dass er seine Karten offen legte. Sowas macht man einfach nicht.
«Ich weiss. Ich habe nicht vor, dir und deiner Familie zu schaden, das musst du mir glauben. Ich... Ich will doch einfach nur leben», auf meine Antwort hin nickte Dominic stumm und liess mich alleine in der Küche zurück.
Ich hatte ihm soeben gestanden, dass ich log. Das aber, war nicht das, was mich am meisten überraschte, nein. Ich hatte Dominic soeben gestanden, dass ich log und ich lebte noch.
Übersetzungen (Italienisch- Deutsch)
Tu sei una golosona! = Du bist eine Naschkatze!
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Blurred Lines
أدب المراهقينEin Jahr ist es her, seit Ashlyn mit Tyler geflüchtet war. Sechs Monate suchte sie bereits nach der Rosso Familie. Und jetzt hatte sie ihn endlich gefunden: Dominic Rosso. Der Sohn der mächtigsten Mafia Europas. Nur er konnte sie vor ihren Verfolge...