Am Abend zuvor hatte ich den Leuten im Casino das Geld nur so aus den Taschen gezogen-ein Kinderspiel. Was lügen und betrügen anbelangte war ich gerissener, als manch anderer.
Dank den 5000 Euro, die ich mir ergaukeln konnte, erwachte ich ausnahmsweise nicht in einem dreckigen, kleinen Motel Zimmer, dafür aber in einem vier-Sterne-Hotel mit einem all-you-can-eat-breakfast Buffet. So müssen Könige leben dachte ich, während ich mir Erdbeeren neben den kleinen Pancake Stapel legte und diesen mit Schlagsahne und Ahornsirup toppte.
Mir blieb fast der Bissen im Hals stecken, als ich den Polizeichef Cornell den Saal betreten sah...und er kam direkt auf mich zu! Wusste er etwa von meiner gestohlenen Wahre -oder noch schlimmer, von meinem Casinobesuch? Was es auch sein mochte, ich musste ruhig bleiben und alles verleugnen, er konnte keine Beweise haben.
«Guten Morgen Miss Anderson.» Anderson? Dominic. Das der Polizist auf mich zu kam war Dominic's Werk. Ich schaute lächelnd auf. «Ich soll Ihnen das übergeben.» Er reichte mir einen kleinen Umschlag auf dem mit Grossbuchstaben L.Y.N. stand. Ich musste schmunzeln. Die drei Buchstaben, die meinen Namen bilden sollten, sahen aus wie Initialen. Geheimnisvoll. Raffiniert. Dominic wollte sich mit diesem Brief beweisen, genauso, wie er mit dem Auftreten des Polizisten seine Macht demonstrierte. «Dankeschön», sagte ich, doch Cornell hatte sich bereits umgedreht. «Passen Sie auf sich auf», hörte ich den Polizisten noch sagen, bevor er den Raum ganz verlassen hatte.
Gespannt riss ich den Umschlag auf. Ein einziges gelbes Post-it befand sich darin. Mit einer Schwungvollen Handschrift stand in roten Buchstaben:
12.00, Restaurant DalSud
Um 11.30 Uhr checkte ich aus dem Hotelzimmer aus. Gepäck hatte ich keines. Alles was ich besass fand in meinen Jackentaschen platz. Pünktlich erreichte ich das Restaurant und war, wie gewohnt, exakt zwei Minuten früher da als verabredet.
Dominic sass bereits an einem Tisch und studierte die Speisekarte. «Wie schön, du hast meine Nachricht bekommen», sagte er ohne aufzuschauen. «Wieso hast du den Polizisten geschickt?», fuhr ich ihn mit gedämpfter Stimme an. Jetzt blickte er doch von seiner Karte auf. «Du warst zuständig für die Diebstähle in den vergangenen fünf Monaten.» Unbeeindruckt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und starrte ihn an. «Und du bist wohl ein Heiliger?»
Dominic lehnte sich vor: »Du verstehst wohl nicht. Vor zwei Wochen wurde meiner Schwester ein Armband gestohlen.»
Oh ja, das war definitiv mein Werk. Es kam mir so bekannt vor, da hatten meine Hormone die Oberhand ergriffen und ich liess das Lederarmband mitlaufen. Ich schüttelte den Kopf und setzte eine bedauernde Miene auf. «Ich hab's bereits verkauft.» «Du lügst», sagte er mit seiner rauen, ruhigen Stimme. «Was?», gebe ich entrüstet zurück, doch mein Herz hämmerte bereits wie verrückt. «Wenn dieser Deal zwischen uns bestehen bleiben soll, dann wirst du mich von nun an nicht weiter anlügen und mir dieses Armband sofort geben!», befahl er.
Mit einem theatralischen Seufzer, der meine Unsicherheit überspielen sollte, griff ich in eine meiner Jackentaschen und drückte Dominic dann das feine braune Lederband in die Hand.
«Geht doch», sagte er zufrieden und hob dabei eine seiner Brauen. Wie sehr ich mir doch wünschte, diese kleine Geste zu beherrschen. So ein Angeber.
«Trägst du eigentlich alles in deiner Jacke rum?», fragte er dann mit einem sarkastischen Lächeln und ohne gross darüber nachzudenken nickte ich. Stirnrunzelnd starrte er mich einen Moment an. «Und wem gehört sie?» Fragend neigte ich den Kopf.
«Die Jacke.»
«Mir natürlich», erwiderte ich verwirrt.
Ein weiteres Mal hob er die Braue: «Stell dich nicht dumm Lyn, die hast du nicht gekauft.»
Ich erschauderte. Woher wusste er das? Tatsächlich war es Tyler's Jacke, doch das konnte ich unmöglich sagen. Stattdessen zwinkerte ich ihm zu und meinte: «Stimmt. Die hab ich gestohlen.»
Wir waren mitten im Essen, als ein hochgewachsener, glatzköpfiger Mann das Restaurant betrat. Ich senkte meinen Blick und fluchte leise. «Was ist?», fragte Dominic, der sofort wusste, dass etwas nicht stimmte. Mit dem Kopf nickte ich unauffällig in Richtung des Mannes. «Er arbeitet für Enrico Romanow. Er hat mich gefunden.»
«Gib mir die Jacke."
Auffordernd schaute er mich an, worauf ich empört erwiderte: «Was? Nein! Sie gehört mir!»
Entnervt seufzte Dominic, bevor er erklärte: «Deren Zustand entsprechend nehme ich an, du trägst diese Jacke bereits seit Monaten. Enrico's Leute halten Ausschau nach einem Mädchen mit dieser Jacke. Das ich dir das erklären muss! Wie konntest du so lang überleben-« «Ich hab's ja verstanden», unterbrach ich ihn und reichte Dominic, unter dem Tisch durch, die schwarze, abgewetzte Jacke. Dieser legte einen 200 Euro schein auf den Tisch und zog sich meine Jacke an. Sie sass perfekt. 200 Euro? Was für ein exklusives Mittagessen war das denn? Dann stand er auf und so unauffällig wie möglich folgte ich ihm aus dem Restaurant.
«Kann ich meine Jacke wieder haben?», Mit den grossen Schritten, die Dominic machte, kam ich ihm kaum hinterher. «Gehört sie deinem Freund oder was?», fragte er mich belustigt, warf sie mir dann aber zu. «Wo gehen wir hin?», fragte ich schnaufend vor Anstrengung. Vor einem schwarzen Wagen hielt Dominic an. «In die Lagerhalle. Wir müssen uns beeilen»
DU LIEST GERADE
Blurred Lines
Teen FictionEin Jahr ist es her, seit Ashlyn mit Tyler geflüchtet war. Sechs Monate suchte sie bereits nach der Rosso Familie. Und jetzt hatte sie ihn endlich gefunden: Dominic Rosso. Der Sohn der mächtigsten Mafia Europas. Nur er konnte sie vor ihren Verfolge...