Kapitel 1

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Goldene, ausgeblichene Sterne auf Kirschbaumholz. Das war das Erste, was meine Augen erblickten, als ich meine Augenlider langsam dazu bewegen konnte, sich zu öffnen. Ein kleine Bewegung mit dem Kopf reichte bereits aus, um eine Welle an Schmerzen durch die Schädeldecke fahren zu lassen. Stöhnend versuchte ich mich aufzusetzen, doch ich scheiterte. Kraftlosigkeit bestimmte meinen gesamten Körper. Obwohl ich wusste, dass es zwecklos war, versuchte ich immer wieder, zumindest meinen Kopf anzuheben. Ich ließ es erst bleiben, als mich der Schmerz fast vollkommen übermannte und wieder in gänzliche Schwärze ziehen wollte.

Mein Brustkorb hob und senkte sich schwer. So trocken wie ich mir die Wüste der Sahara vorstellte, war meine Kehle. Während ich versuchte, meine Atmung zu regulieren, fiel mir auf, wie der Geruch um mich herum den Würgereiz in mir hervorrief. Die Luft war abgestanden und drückte auf mein Gemüt. Die schwere Decke, die meinen gesamten Körper bedeckte, roch nach Schweiß und geronnenem Blut. Außerdem war es unerträglich heiß. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, erneut die Augen zu öffnen, ließ ich es geschehen. Dieses Mal ließ ich meinen Blick von dem Holz über mir zu der Decke gleiten, die meinen Körper bedeckte. Ein dunkelroter Satinbezug war als Bettwäsche genutzt worden. Enorme Holzbalken hielten die Sternendecke aus Holz über mir an Ort und Stelle. Burgunderfarbene Vorhänge, die sich an den Balken entlang schlängelten, wurden von einer Flamme beleuchtet, die aus einem Kamin unweit von dem enormen Bett entfernt flackerte. Eine Bewegung meiner eigenen Hand genügte, um das Feuer, das Licht und somit auch die Hitze, im Kamin zum Erlöschen zu bringen. Schweiß perlte bereits von meiner Stirn und ich musste nicht lange darüber nachdenken, woher dieser widerwärtige Geruch herkam. Ekel über mich selbst ließ mich wieder aufstöhnen.

Was ist bloß passiert?

Als ich meinen Blick weiter durch den nur noch spärlich beleuchteten Raum schweifen ließ, verstärkte sich mein Eindruck, dass hier etwas ganz und gar nicht normal war. Überall um mich herum befanden sich weiße Geräte, die mich stark an eine Krankenhauseinrichtung erinnerten. Von den Maschinen schlängelten sich unzählige, durchsichtige Kabel in jegliche Richtungen. Mit aller Kraft stieß ich die schwere Decke von meinem Körper. Es überraschte mich nicht, als einige der Kabel an den unterschiedlichsten Stellen meines, in einem Krankenhaushemd befindlichen, Körpers endeten.

Langsam wurde mir der Ernst der Situation bewusst. Wenn ich zu Beginn noch ansatzweise gedacht hatte, dass dies nur ein merkwürdiger Traum gewesen sein könnte, dann wurde ich jetzt eines Besseren belehrt. Wie so oft war die Realität schlimmer als jeder Traum, den man sich vorstellen konnte. Instinktiv wusste ich, warum mein Hirn nicht zuließ, dass ich mich erinnerte. Wenn dieses Szenario vor mir die Konsequenz von dem war, was zuvor geschehen war, dann konnte dies nichts Gutes bedeuten.

Ruckartig entfernte ich jegliche Kabel von meinem Körper. Obwohl mich der Schmerz, vor allem in der blau unterlaufenen Armbeuge, fast in die Ohnmacht trieb, konnte ich es nicht länger ertragen, liegen zu bleiben. Während das Blut durch die geöffneten Wunden, wo zuvor die Kabel befestigt waren, munter meinen Körper hinab liefen, schaffte ich es nach einigen Anläufen, mich aus dem Bett zu erheben. Während ich mich an einem der Bettpfosten hochzog, blickte ich geradewegs auf dicke Stoffvorhänge, die mir den Blick nach draußen verwehrten. Schritt für Schritt näherte ich mich meinem Ziel, auch wenn ich einige Male innehalten musste.

Die burgunderfarbenen Vorhänge waren erstaunlich schwer und ließen sich nur mit viel Kraft zur Seite bewegen. Zwei hohe, mit Schnörkeln verzierte Fenster erwarteten mich. Das Glas war beschlagen. Wie von selbst legte sich meine Hand auf das Fensterglas und wischte die Flüssigkeit weg. Graues, tristes Wetter erwartete mich in der tiefsten Nacht, wo vereinzelt Sternenlicht durchdrang. Die Tannen unweit von dem Fenster entfernt waren fast vollends mit Schnee bepudert. Langsam rieselten Flocken hinab und landeten auf dem Fenster, das mich von der Außenwelt abschottete. Im Hintergrund glaubte ich, die Schatten enormer Berge ausmachen zu können.

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