Kapitel 11

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Als ich dieses Mal meine Augen aufriss und nur die Umrisse meines provisorischen Schlafzimmers erblickte, lag ein Lächeln auf meinen Lippen. Ich hätte schwören können, dass mich immer noch der salzige Duft des Meeres umgab und jeden Moment Sand zwischen meinen Zehen knirschen würde, wenn ich sie nur zusammenziehen würde. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal mit solch einem wunderbaren Gefühl aufgewacht war. Niemand würde mir heute das Lächeln nehmen können. Da war ich mir sicher.

Mit viel mehr Elan als in den Tagen zuvor sprang ich aus dem Bett und kümmerte mich im Schnelldurchlauf um meine Morgentoilette. Mein Magen verlangte nach Essbarem, noch bevor ich das Zimmer verließ, um mich ins Speisezimmer zu begeben.

Aufgrund der immerwährenden Dunkelheit draußen konnte ich nicht einschätzen, welche Uhrzeit es war. Doch das Speisezimmer war nur spärlich gefüllt, als ich dieses betrat. Trotzdem durchströmte Wärme meinen Körper und ich wusste, dass Gabe ganz in der Nähe sein musste. Mein Blick huschte durch den Raum, nur um ihn hinter einem der Tische stehen zu sehen. Augenscheinlich war er mit Lian in ein Gespräch vertieft.  

Mit kaum merklich schnelleren Schritten ging ich auf die beiden zu. Noch schien mich keiner der beiden bemerkt zu haben. Ihre Augen hafteten an dem Gesicht des jeweils anderen. Selbst von Weitem konnte ich die aufgeladene Aura um sie herum spüren, was meinem Magen einen weiteren Grund gab, zu rumoren.

"Sie ist kein Spielzeug, Lian. Siehst du denn nicht, dass sie noch Ruhe braucht?", erreichte mich Gabes tiefe Stimme. Ein Hauch eines Zitterns ließ sie vibrieren.

Ich hielt inne und wagte es nicht auszuatmen, Lians Reaktion abwartend.

"Wir haben schon genug Zeit verloren. Sie muss fit werden. Und du weißt das genauso gut wie ich."

"Das werde ich nicht zulassen!"

Gabe machte einen Schritt auf Lian zu, sodass sich die Nasenspitzen der zwei gleichgroßen Männer fast berührten. Ich brauchte nicht meinen Namen in diesem Gespräch zu hören, um zu wissen, dass es um mich ging. Es war wie ein mentaler Schlag ins Gesicht. Noch vor einigen Augenblicken hatte ich gedacht, dass Gabe und ich uns einig waren. Dass er mich bei meinen Schlachten unterstützen und nicht gegen mich und meine Wünsche agieren würde. Jetzt musste ich mir wohl oder übel eingestehen, dass Gabe es wohl niemals lassen würde, meine Kämpfe als seine eigenen auszutragen.

So viel also zu Versprechen, die man sich in Traumwelten gibt.

Ich schüttelte den Kopf und blickte gen Boden.

Ich wusste nicht, ob er meine Gedanken gehört oder mich endlich bemerkt hatte. Im nächsten Moment hallte ein gehauchtes Micina durch meine Gedanken, welches ich gekonnt ausblendete.

In einem Satz drehte ich mich um. Ich ließ meinen Blick über den überdimensional großen Raum schweifen. Erleichtert atmete ich aus, als ich eine rundliche Frau in einem schwarzen Kleid mitsamt weißer Schürze erblickte. Meine Schritte führten mich zu ihr. Als sie mich auf sie zugehen sah, huschte ein strahlendes, mütterliches Lächeln auf ihre Lippen.

"Ach, Liebes. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung?", fragte sie mit niedlichem, schwäbischem Dialekt. Meine Seele frohlockte, als meine Muttersprache zu meinen Ohren drang. Ihre warme Hand legte sich auf meinen Arm und drückte leicht zu. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob meine Emotionen wirklich für jeden so leicht in meinem Gesicht zu entziffern waren. Doch ich dachte gar nicht erst daran, ihr darauf zu antworten.

"Könntest du mir bitte zeigen, wo die Küche ist?"

Etwas irritiert blickte sie zwischen mir und etwas hinter mir hin und her. Doch mit einem Nicken und einem "Aber gerne doch" setzte sie sich in Bewegung.

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