19. Türchen

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Weihnachten. Das Fest der Liebe wie es alle nannten. Die ganze Familie, vielleicht auch die Freunde kamen zusammen, aßen das Weihnachtsessen, welches man zuvor kochte, um sich anschließend allesamt um den Christbaum zu versammeln, um sich zu beschenken und Weihnachtslieder zu singen. Alle würden diesen Brauch einhalten, alle bis auf mir. Ich würde dieses Jahr Weihnachten zum ersten Mal alleine verbringen. Ich war neunzehn, als meine Eltern bei einem Autounfall verunglückten. Es gab nix schlimmeres, als einen Anruf zu erhalten, am anderen Ende der Leitung die Stimme eines Polizisten zu vernehmen, der einem sagte was Sache war. Von einem Moment auf den anderen brach für mich eine Welt zusammen. Meine Eltern, beide Tod?! Genau diese Worte geisterten mir immer und immer wieder durch den Kopf. Da ich es einfach nicht wahrhaben wollte, das sie weg waren. Nie wieder kommen würden. Nach und nach aber, wurde es mir dann schließlich doch bewusst und fand mich endgültig damit ab. Meine Eltern waren beide Tod und fertig. Vielleicht wäre ich nie darüber hinweggekommen, hätte ich nicht meine beste Freundin Alisha kennengelernt. Gerade mal eine Woche war ich an der Uni für junge angehende Architekten, als ich sie dort auch schon traf und mich sofort mit ihr anfreundete. Wir waren uns auf den ersten Blick hin sympathisch, was es uns erleichterte Freundschaft zu schließen. Die die Jahre hinweg über zu einer festen engen Freundschaft heranwuchs. Welche mir nur zugutekam, da ich durch sie meinen Freund Kendrick alias Kenny kennenlernte. Mit dem ich nun schon seit viereinhalb Jahren ein Paar war. Der einzige Haken: Er war Soldat und in Bayern, Ingolstadt, stationiert. Was bedeutete, dass er nur jedes Wochenende nach Hause kam. Um mich zu besuchen. Es war schlimm ja, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich daran, ihn nicht jeden Tag bei mir zu haben. Die Hauptsache war doch, dass wir uns wenigstens an den Wochenenden immer sahen. Dieses Mal aber nicht. Jedes Wochenende kam er nach Hause in unser gemeinsames Haus. Wirklich jedes verdammte Wochenende, bis auf dieses jetzt. Er hatte über das Wochenende Dienst und musste in der Kaserne bleiben. Was mir natürlich überhaupt nicht passte. Hatte mich schon so darauf gefreut, Weihnachten mit ihm zu verbringen. Aber nein, jetzt musste er arbeiten. Und konnte so nicht kommen. Sprich an Heiligabend, also Morgen, war ich alleine. Seufzend beugte ich mich nach vorne und raufte mir mit beiden Händen die Haare. Wieso nur bestrafte mich das Leben so sehr? Wieso verdammt. Nicht mal Alisha konnte morgen kommen, da sie mit ihren Eltern zu dessen Eltern, ihren Großeltern, fuhren um dort gemeinsam Heiligabend zu verbringen. Andere Freunde hatte ich zwar auch. Bloß war ich nicht so eng mit ihnen befreundet wie mit Alisha. Was das Ganze nicht gerade vereinfachte. Ein klein wenig bedrückt deswegen, erhob ich mich und lehnte mich nach hinten gegen die Lehne des Sofas, auf dem ich mich vorher niederließ. Meinen Blick ließ ich durch das Wohnzimmer schweifen. Wir hatten es schon gemütlich, bedachte man die Tatsache, dass hier nicht nur ich wohnte, sondern auch noch ein Mann.., mein Freund.

Das läuten an der Haustür, ließ mich dennoch erschrocken zusammenfahren. Bevor ich entnervt aufstöhnte. Wer war jetzt das? Genervt und überhaupt nicht in der Stimmung mit irgendjemanden zu reden, erhob ich mich vom Sofa und schlurfte schweren Schrittes vom Wohnzimmer raus in den dunklen Flur, betätigte schnell den Lichtschalter, sodass der Flur sogleich von hellem Licht durchflutet wurde. An der Haustür angelangt, atmete ich nochmal tief ein und aus, bevor ich sie mit einem Schwung öffnete. Kaum tat ich dies, sprang mir auch schon jemand kreischend um den Hals. Erschrocken darüber taumelte ich leicht zurück und schlang meine Arme, nur um besseren Halt zu finden, um die Taille der Person, die noch immer an mir klammerte. "Serafina mein Schatz" kicherte sie. Und schon stöhnte ich auf und verdrehte gewissenhaft meine Augen. "Wie geht es dir denn so?" fragte sie mich kurz darauf. Sie ließ von mir ab, trat einen Schritt zurück und blickte mir mit ihren dunkelgrünen Augen direkt in meine. Schnell, nur um mich selbst auf andere Gedanken zu bringen, setzte ich ein gezwungenes Lächeln auf. "Ach, mir geht es soweit ganz gut, danke der Nachfrage. Und wie geht es dir?" fragte ich sie leise. "Wie immer fantastisch" antwortete sie mir lachend. "Hm, das freut mich" erwiderte ich ein klein wenig bedrückt. "Und weshalb bist du jetzt hier? Dachte ihr fahrt heute Abend schon zu euren Verwandten?" Mit schnellem Blick fokussierte ich sie einmal von oben nach unten und sah danach gleich wieder in ihre Augen, die mich neugierig und auch verwirrt betrachteten. "Natürlich tun wir das. Wollte bloß nochmal bei dir vorbeischauen und dir auch etwas überreichen, das du selbstverständlich erst Morgen aufmachen darfst" meinte sie mit einem Achselzucken und einem gekonnten Schmollmund. Augenblicklich weiteten sich meine Augen und meine Brauen hoben sich wie von selbst. "Du willst mir doch jetzt nicht sa...," setzte ich an. Sie aber unterbrach mich, indem sie mit einem lauten Lachen kehrt machte und aus der Haustür verschwand. Wobei ich erst jetzt realisierte, das sie noch sperrangelweit geöffnet war. "Ja liebste Serafina. Genau das will ich dir damit sagen" hörte ich sie rufen. Bevor sie sich wieder in der Tür materialisierte. In ihrer Hand hielt sie eine mittelgroße rote Tüte, mit funkelnden kleinen Strass Steinchen verziert. Ein lauter Seufzer entwich meinen Lippen. "Mensch Alisha. Wir haben doch ausgemacht, uns nichts zu schenken. Weißt du das nicht mehr?" Vorwurfsvoll betrachtete ich sie. Wie sie dort stand. Mit dem schuldbewussten aber dennoch erheiterten Ausdruck in ihren dunkelgrünen Augen. Und dem breiten Grinsen auf ihren Lippen, welches mir signalisierte, dass sie es natürlich nicht vergessen hatte, das wir vor ein paar Tagen uns noch darüber unterhielten, uns nichts zu Weihnachten zu schenken. Aber siehe man Alisha, die jetzt mit einer Tüte in der Hand, in der sich mein Geschenk befand, vor mir stand, wusste man das sie nie wirklich etwas ernst meinte. Bedachte man die Tatsache, dass sie sich mit den Worten "Ja klar, natürlich. Wenn du willst, dann schenken wir uns nichts. Keine Angst, ich denke daran" geäußert hatte. "Ich weiß doch, wie sehr du funkelnde Dinge und die Farbe Rot liebst. Daher die Tüte.., und das was sich darin befindet, wird dir natürlich tausend mal besser gefallen, als nur diese langweilige rote Tüte" schlussfolgerte sie ihren Satz. Was mich zum erneuten aufseufzen brachte. "Und bevor du jetzt noch etwas dazu sagst..," Sie verstummte, trat auf mich zu und drückte mir das weiche Band, welches den Griff der Tüte darstellte, in die linke Hand. Und lief mit einem fetten Grinsen auf ihren Lippen rückwärts, blieb aber in der Haustür nochmals stehen. "Nimmst du jetzt die Tüte und denk daran, sie erst morgen zu öffnen..., naja auf jeden Fall wünsche ich dir ein frohes Fest, trotz der Tatsache das niemand bei dir ist. Ich liebe dich und tschüss!" Noch bevor ich zu ihren abgehackten komischen Worten etwas sagen konnte, zog sie auch schon die Haustür zu. Die mit einem leisen klacken ins Schloss einrastete. Völlig verdattert starrte ich die nun geschlossene Haustür an. War das ihr ernst? Ihr verdammter ernst? Sie konnte mich doch nicht einfach so hier stehen lassen. Und nur mit solch verwirrenden teils beleidigenden Worten gehen. Sie wusste ganz genau, das Kendrick Wochenenddienst hatte und deshalb nicht kommen konnte. Aber musste sie deshalb extra darauf herumhacken...? NEIN!!! Total entrüstet deswegen, machte ich kehrt und stürmte regelrecht ins Wohnzimmer zurück.

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