Kapitel 6

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Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete, war es bereits hell draußen. Mein Wecker zeigt eine Uhrzeit von 5:26 Uhr an.
Ich dreh mich also grummelnd um und versuche die restlichen 34 Minuten weiter zu schlafen. Aber vergebens, meine Gedanken schweifen immer wieder zu den Situationen von gestern Abend. Die Leere macht sich erneut in mir breit und mein Arm schmerzt ziemlich stark.
Vielleicht hätte ich nicht so tief schneiden sollen. Der Verband hat sich mittlerweile an einer Stelle braun gefärbt. Einige der Schnitte mussten sich wohl über Nacht geöffnet haben und hatten erneut geblutet. Ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebe.
Langsam schleppe ich mich aus dem Bett und geh Richtung Badezimmer. Dort angekommen schau ich erstmal in den Spiegel. Leere Augen blicken mich an, mein Lächeln ist schon lange verschwunden. Meine Augen sind angeschwollen und gerötet, darunter befinden sich dunkle Augenringe. Für Andere wäre das ein erschreckendes Bild und sie würden alles machen, um wieder 'gut' auszusehen, doch für mich ist das alltäglich und wirklich nichts Neues mehr.
Ich spritze mir ein wenig kühles Wasser ins Gesicht und versuche so die Schwellung meiner Augen ein wenig zu verringern. Danach putze ich mir die Zähne und trage Concealer auf, wobei ich die Augenringe etwas stärker bedecke. Zum Schluss wechsle ich noch meinen Verband, was sich als ziemlich schmerzhaft herausstellt.
Zurück in meinem Zimmer ziehe ich eine schwarze Jeans und ein schwarzen Pulli an. Ich nehme meine Tasche und gehe nach unten. So richtigen Hunger hab ich keinen. Ich suche mir also nur ein wenig Geld und laufe dann aus dem Haus. Meine Gedanken schreien mich förmlich an, obwohl ich nicht wirklich an etwas denke. Es ist so unendlich laut und mir kommt immer wieder eine Line in den Kopf.
'All these voices in my head get loud. I wish that I could shoot them out.'
Um ein wenig Stille zu erlangen, nehme ich meine Kopfhörer und stelle die Musik auf die höchste Stufe. Ich versuche mich auf den Text des gerade laufenden Songs zu konzentrieren, aber selbst das hilft nicht. Noch immer ist es so laut.
Mein kompletter Schulweg verläuft so. In der Schule angekommen, kommt Marvin auf mich zu.
Marvin:»Hey Lena, ich wollt...«
Lena:»Lass gut sein. Ich will jetzt nichts davon hören.«
Marvin:»Ich versteh dich ja und will mich einfach nur entschuldigen.«
Lena:»Ich sagte doch schon, dass ich nichts davon hören will. Kannst du mich bitte in Ruhe lassen.«
Damit lasse ich ihn stehen und verschwinde auf der Mädchen Toilette. Dort stehen zwei Mädchen und unterhalten sich aufgeregt über einen Jungen. Als sie mich sehen verstummen sie und fangen an zu tuscheln, sobald ich in einer der Kabinen bin. Ich will nicht hören, was sie über mich wissen oder nicht wissen und hoffe inständig, dass sie bald gehen werden. Einige Wortfetzen bekomme ich dennoch mit. Sie sagen so etwas wie »...so eine Schlampe...« und »...sie kann einem echt leid tun...«. Nach 10 Minuten gehen sie endlich und die entstandene Stille ist einfach zu himmlisch. Allerdings kann auch ich nicht mehr all zu lange bleiben, da es gleich zum Unterricht klingeln wird und ich wirklich keine große Lust habe, zu spät zu kommen. Ich gehe also wieder aus der Kabine und bewege mich zum Gehen. Beim Spiegel angekommen bleibe ich kurz stehen und schaue hinein. Wieder blicken mir leblose Augen entgegen. Allerdings war etwas anders. Es schien so, als würde mich Jemand oder Etwas anderes ansehen. Vor meinem inneren Auge taucht statt meinem Spiegelbild eine Art Schatten auf. Dies passiert allerdings so schnell, dass ich nicht sagen konnte, ob es wirklich geschehen ist oder ich es mir nur eingebildet hatte. Ich schüttle meinen Kopf und verlasse den Toilettenraum. Als ich den Flur entlang laufe, ist es nicht wie sonst üblich, dass ich von Keinem wahrgenommen werde, sondern alle drehen sich zu mir, als ich mich in deren Nähe befinde und fangen sofort an zu tuscheln. Zudem habe ich die ganze Zeit das Gefühl beobachtet zu werden. Beim Klassenraum angekommen flüstert mir die Stimme in meinem Kopf wieder etwas zu.
Noe: »Genieße die Aufmerksamkeit solange du sie noch bekommst, denn eigentlich will und braucht dich Niemand. Du könntest gehen und es würde tatsächlich Keinen interessieren.«
Ich ignoriere was sie sagt und gehe in das Innere des Raumes. Alle sehen zu mir und tuscheln. Sam sitzt hinten an seinem Platz und grinst. Um ihn herum stehen die Barbies der Schule, seine Kumpels und die, die lieber zu seiner Gruppe gehören, als selbst zum Opfer zu werden. Während mich die Barbies abwertend ansehen, haben die Jungs alle ein perverses Grinsen. Und selbst die, die sich zu den Strebern zählen, tuscheln. Ich habe absolut keine Ahnung was los ist, aber es hat zu 100% mit gestern zu tun. Ich gehe also weiter zu meinem Platz. Dort angekommen finde ich auch schon mehrere weiße Spritzer auf meinem Tisch verteilt. Angewidert hole ich eine Packung Taschentücher heraus.
Alec(rufend): »Lena, das schmeckt dir doch so gut, warum leckst du es nicht weg?«
Jeremy: »Ja, das von Sam und Marvin hat dir doch auch so gut geschmeckt, du willst meines doch bestimmt auch mal probieren«
Daraufhin fangen alle an zu lachen, während ich komplett überfordert da stehe und nicht weiß, was abgeht.
Alec: »War es etwa so gut, dass du vergessen hast, wie man spricht?«
Das Gelächter wird lauter und langsam bekomme ich meine Fassung wieder. Ich nehme also ein Taschentuch aus der Packung und wische alles weg. Noch immer lachen alle.
Lena: »Da ihr ja alle so dumm wie Toast seid, lasst es mich euch erklären. Ich habe nie auch nur irgendwas mit Sam oder Marvin gehabt. Und wenn es so wäre, würden sie sich eher schämen, weil 1. ihr Schwanz so mikroskopisch klein ist, dass man ihn suchen müsste und 2. sie sich nur darum kümmern, dass sie befriedigt sind. Was mit der Frau ist, die sie nebenbei als Objekt sehen, ist denen doch komplett egal.«
Von einem auf den anderen Moment ist es totenstill im Raum. Und eigentlich wollte ich das nur aufklären und nicht gleich so etwas sagen, aber mein Mund hat sich wie von alleine bewegt. Jetzt ist es auch egal, was ich noch sage.
Lena: »Und noch etwas, ihr Barbies zieht euch an wie Nutten, da ist es tatsächlich kein Wunder, dass die Typen nur noch mit ihrem Ding denken.«
Und damit setze ich mich auf meinen Platz. Noch immer sagt niemand ein Wort. Dann kommt plötzlich Jessica zu mir.

Das Leben ist scheiße...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt