Kapitel 1

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„Hallo?" „Sie wissen es." Nichts. Keine Antwort. Ein Teil von Will hatte das dringende
Bedürfnis, aufzulegen und den Kannibalen seinem Schicksal zu überlassen, aber irgendwas hinderte ihn daran, den Hörer wieder wegzulegen, also wartete er. Die Sekunden, in denen er nur das ruhige Atmen Hannibals hören konnte, kamen ihm vor wie Stunden.  Dann ertönte die Stimme aus dem Hörer, ein wenig verzerrt, aber immer noch ruhig und gefasst und Will so bekannt, als wäre es seine eigene. „Will, als dein Freund möchte ich, dass du hierher kommst. Sofort." Dieser betrachtete den Hörer noch kurz, als das Signal ertönte, dass sein Gegenüber aufgelegt hatte, dann knallte er den Hörer auf die Gabel, vergrub sein Gesicht in den Händen und lachte leise und verzweifelt. Was hatte er denn auch erwartet. Der FBI-Agent wusste nicht einmal, ob es ihm lieber gewesen wäre, wenn Hannibal einfach aufgelegt hätte. Wahrscheinlich nicht. Und so stand Will Graham auf, langsam, nahm sich seine Jacke während er sich durch seine Hunde hindurchschlängelte und ohne es wirklich wahrzunehmen, griff er auch nach seinem Jagdmesser. Als er nach draußen ging, wurde er schneller, und kurz bevor er an seinem Auto ankam, rannte er fast.
Während Will zu seinem Therapeut fuhr, schaltete er vermutlich zum ersten Mal beim Autofahren sein Radio an, nicht wirklich als Ablenkung, sondern aus dem Grund, dass die Gefangennahme (oder der Tod?) des Chesapeakrippers wohl sofort auf allen Sendern berichtet werden würde. Er hielt den Blick starr auf die Fahrbahn gerichtet, und merkte nicht, wie er immer und immer schneller wurde, Geschwindigkeitsbegrenzungen nacheinander, eine nach der anderen überschritt, und selbst wenn er es bemerken würde, könnte und würde er es wahrscheinlich nicht ändern. Jetzt wurden die Nachrichten wurden von dem gut gelaunten Radiomoderator angeleitet, demselben, wie immer. Mehr aus einem Reflex heraus schnellte eine von Wills am Lenkrad zitternden Händen zum Radio, und er schaltete es aus. Sofort war nichts anderes mehr in dem Auto zu hören, als Will's hektischer und flacher Atem, und während er immer schneller die Straße entlangraste, mit schweißnassen Händen das Lenkrad umklammerte, als hinge sein Leben davon ab, und sich zwang, nicht zu hyperventilieren, lief eine Träne seine Wange hinab. Will bemerkte es kaum.
Endlich war das Haus Hannibals in Sicht, und als der Jüngere erkannte, dass das FBI noch nicht eingetroffen war, atmete er zitternd vor Erleichterung aus. Stolpernd stieg er aus seinem Auto aus und lief die Treppen zur Eingangstür hinauf, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Gerade, als er die Faust zum Klopfen hob, öffnete sich die Tür.
„Will." Hannibals ruhige, tiefe Stimme, von der Will bis vor kurzem noch Angst gehabt hatte, sie nie wieder zu hören, riss ihn schlagartig aus seiner Unruhe, und er hatte das vorhandene und doch nicht greifbare Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Zuhause, könnte man sagen. Er verlor sich in Hannibals Augen, als sie sich gegenüberstanden, der Jüngere zu dem Älteren aufblickend. Dieser trat einen Schritt beiseite und bedeutete Will, in die ihm so bekannte Wohnung einzutreten. Hannibal schloss die Tür hinter ihnen, nicht ohne einen letzten vergewissernden Blick nach draußen zu werfen. Als er Will folgte, hatte sich dieser schon auf dem üblichen Sessel niedergelassen, als wäre dies einer ihrer alltäglichen Termine, allerdings stand der Agent sogleich wieder auf und begann, unruhig in dem halbdunklen Zimmer auf und ab zu wandern. „Warum wolltest du, dass ich herkomme?", fragte Will. „Warum bist du hergekommen?", entgegnete Hannibal. „Was hast du denn erwartet? Das ich bei meinen Hunden bleibe, wenn du mich rufst? Das FBI wird jeden Augenblick hier sein, Jack und vielleicht auch Alana, und beide würde es nur freuen, dich zu verhaften, oder..." Will stockte. „Oder was, Will?", fragte Hannibal leise und näherte sich ihm. „Oder... dich zu töten.", flüsterte der Jüngere fast, seine Augen unruhig hin und her wandernd. „Bist du deswegen hier, Will? Um mich eigenhändig umzubringen? Oder um mich Jack zu übergeben?", fragte Hannibal, obwohl er die Antwort selbstverständlich genau wusste und es ihm deswegen keinesfalls überraschte, als Will ein leises „Nein" hauchte. „Willst du bei mir bleiben, Will? Denn wenn ja, gibt es gleich kein zurück mehr. Für immer." „Ja", flüsterte dieser und begegnete wieder Hannibals tiefbraunen Augen. „Ja, ich - ich will bei dir bleiben." Sein Gegenüber lächelte, nicht spöttisch oder von oben herab, sondern selig - als hätte er gerade sein Glück gefunden.
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Yeyyy das war das erste Kapitel!
Ich werde versuchen, regelmäßig weiterzuschreiben und den Rest hochzuladen, ansonsten freue ich mich sehr über Kommentare :D

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