Kapitel 11

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„Wir starten gleich. Ist das dein erster Flug?" Hannibal sah ihn an. Sein Blick war beruhigend, sodass Will erst den Inhalt seiner Worte nicht verstand bevor er antwortete. Dann nickte er. „Ja, mein erstes Mal. Ich hatte nie wirklich Grund, irgendwo hinzufliegen." Unwillkürlich musste er an den Arbeiter denken, der mit Koffer verladen wohl inzwischen fertig war. „Außerdem erschien mir die Vorstellung unheimlich, tausende Kilometer über der Luft zu sein und nichts außer der Hoffnung zu haben, am Ziel anzukommen." Hannibal lächelte. „Viele Menschen brauchen nichts außer der Hoffnung. Es freut mich, dass du keiner von ihnen bist." Das Flugzeug fing an zu rauschen, die Triebwerke zu rotieren und in derselben Melodie auch Wills Umfeld. Er atmete tief durch, wieder und wieder und versuchte seine Atemzüge zu zählen, doch außer dem stetig lauter werdenden Rauschen und seiner Herzschläge konnte er nichts hören, noch wahrnehmen. Bis er etwas an seiner Hand spürte, als das Flugzeug auf der Bahn anfing zu rollen und langsam schneller wurde. Hannibal hatte seine Hand genommen, sie mit seiner verschränkt und hielt ihn fest. „Es ist alles gut. Ich bin bei dir." Will atmete immer noch heftig und zitterte leicht. Das Flugzeug wurde schneller. „Ich lasse dich nicht los."
Der Helikopter landete und Alana und Jack sprangen heraus, Alana als erste. „Mit dem rechtzeitigen Aufruf zur Fahndung dürften sie auf dem Flughafen festsitzen", rief Jack gegen die sich noch drehenden Rotoren Alana hinterher, während sie die letzten Meter zum Nebeneingang des Flughafen in Atlanta liefen. „Da wär ich mir nicht ganz so sicher", murmelte Alana mehr zu sich selbst und schnaubte. Sie hatte das Gefühl, den Wettlauf gegen die beiden zu verlieren, und das die Zeit warum auch immer gegen sie war. Sie hasste es. An der silbernen Tür angekommen, riss Alana sie auf, Jack dicht hinter ihr. Mit dem Öffnen der Tür öffnete sich auch der Flughafen und beide liefen hinein durch eine Wand von Stimmen, die sie teilweise gleichgültig vergaßen oder neugierig beäugten. „Jack, hier lang!" Dieser hatte etwas länger als Alana gebraucht, um sich zu orientieren und lief ihr nun hinterher, um sie nicht zu verlieren. Sie steuerte auf einen Info-Schalter zu, der Mann dahinter richtete sich eilig auf und setzte ein aufmerksames Lächeln auf. „Was kann ich für Sie tun?" „Ist hier eine Fahndung vor kurzem eingegangen? Nach Hannibal Lecter?" Der Beamte tippte etwas auf seinem Computer ein, scrollte auf dem Bildschirm herum und setzte ein bedauerndes Lächeln auf. Alana wollte die Antwort gar nicht hören. „Leider nein. Kann ich ihnen sonst noch irgendwie weiterhelfen?" „Nein, danke" zischte sie wütend. Frustriert wandte sie sich ab und ließ Jack mit dem Beamten die nächsten Einleitungen für ihre Suche besprechen. Sie war frustriert und wütend, so wütend das dieser Bastard Dave alles zerstört hatte. Seinetwegen war ein Mörder auf freiem Fuß. Oder, wie sich Alana verstört eingestehen musste, zwei Mörder. Der Verlust Wills tat ihr weh und sie fragte sich, ob er schon immer so gewesen war, wie jetzt. Hannibal leistete großartige Überzeugungskraft, aber jeder konnte nur dort manipulieren, wo ein Fundament, ein Wille, sich überzeugen zu lassen, da war. War sie so taub, so mit sich beschäftigt gewesen? Verzweifelt lehnte sie sich an eine kühle Wand und rieb ihr Gesicht mit den Händen, dann atmete sie mehrmals tief durch. Als sie merkte, dass auch das nicht half, griff sie schnell in ihre Tasche und holte eine kleine, weiße Dose heraus. Als sie nicht auf Anhieb den Verschluss aufbekam, fluchte sie leise, bevor es dann doch klickte und die rettende, weiße Tablette den Weg in ihren Mund fand und auf ihrer Zunge zerging. Jack hatte Alana beobachtet, mit zunehmender und doch verhältnismäßig gleichgültiger Sorge. Natürlich war es ihm nicht egal, dass seine Kollegin und Freundin Tabletten schluckte, dass sie oft so in sich gekehrt war, dass man sie mehrmals ansprechen musste, und dass er sie nicht selten mit dem Kopf auf ihrem Schreibtisch liegen und erschlagen schlafen sah; Aber jeder hatte eben seine Probleme, so hart das klang.
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11. Kapitel, danke fürs Lesen & wie immer würde ich mich über Feedback wirklich freuen ;)

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