Kapitel 17

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„Morgen, Marcus. Oh, was macht ihr denn hier?" Everett stolzierte am folgenden Morgen, wie ganz selbstverständlich ins Haus, als er uns schlafend auf dem Sofa entdeckte. Sofort waren alle auf den Beinen, aber ich hätte mir am liebsten das Kissen aufs Gesicht gedrückt. Es war viel zu früh um sich mit ihm zu beschäftigen. Corey und Taylor schmiss sich regelrecht auf ihn und zeigten ihm sogleich ihr Kunstwerk, das bemalte Bettlaken.

Everett spielte ernsthaft mit und ließ sich alles von den dreien zeigen. Ich stülpte mir die Decke über den Körper und versuchte meinen Schlaf wiederzufinden. Einer der Kinder sprang auf mich und hüpfte auf und ab. Ich bin doch kein verfluchtes Trampolin!

Kurz darauf, hörte ich Gwens Zwitschern. Gefolgt von weiterem unerträglichen Gebrüll.
„Wo steckt Olivia?" Wollte Gwen wissen, als ich sie ins Wohnzimmer kommen hörte. Ich hob ein Bein unter der Decke hervor und winkte ihr halbwegs damit. Weder Erwarten, schlugen die Rückenschmerzen nicht halb so schlimm zu.

Die Lautstärke dämmte langsam ab, es klang nun so als wären alle in einem anderen Zimmer. Erleichtert atmete ich in mein Kopfkissen und schloss die Augen. Endlich Ruhe und Frieden. Ich streifte die Decke von meinem Körper um besser an Luft zu kommen, als ich neben mir ein Hüsteln hörte. „Darf ich bitte meine acht Stunden Schönheitsschlaf halten, bitte?" Keine Ahnung zu wem ich das sagte, aber hoffentlich zeigte es Wirkung.

„Ich soll der Prinzessin sagen, sie möge sich in den Garten begeben. Das Frühstück ist serviert." Everett. Zur Demonstration hielt Everett einen Teller mit lecker duftendem Speck vor meine Nase. Das Wasser lief mir im Mund zusammen, aber ich musste mich entscheiden. Schlaf oder Essen? Schlaf war mir eindeutig wichtiger, an essen konnte ich später denken.

„Stell es irgendwo da drüben hin und esse es sobald ich wach bin." Mit dem Fuß zeigte ich in eine willkürliche Richtung. Irgendwo müsste der Wohnzimmertisch stehen. Wie auch immer. Everett würde wissen was zu tun ist, wenn er sein Köpfchen anmachte.

„Ich warne dich, wenn du nicht aufstehst werden wir das erledigen." Drohte er mir beinahe schon liebevoll. Ich stieß ihn von meinem Ohr. Er sollte mir nicht so auf die Pelle rücken, wenn er kein blaues Augen kassieren wollte. Ich höre noch, wie er den Teller irgendwo abstellte und ging schon davon aus endlich in meine schöne, kuscheligweiche Traumwelt abdriften zu können. Aber da lag ich gewaltig daneben. Everett schrie etwas und sogleich wurde von kleinen Händen meiner Decke und des Kissens entledigt. Sofort sprang ich auf um die Diebe zu fassen, aber ich konnte sie nur durch die Ecke flitzen sehen.

„Du kannst mich mal, Brooks." Schnaubend drückte ich mich an ihm vorbei, schnappte den Teller von der Ablage und lief in den Garten. Gwen, Dad und John warteten bereits mit breiten Gesichtern. „Auch guten Morgen", spottete ich verächtlich.

„Erinnerst du dich, wie sie jeden Morgen mit so einer Laune am Frühstückstisch saß", ich verfolgte Dads Gespräche mit Gwen nur mit halbem Ohr. „Keine Sorge, nach einer Stunde ist sie wieder die gut gelaunte Olivia."

Ich verdrehte die Augen und belegte mein Brot mit knusprigen Baconstreifen ohne auf meine Familie einzugehen.

„Können wir uns alle darüber freuen, dass es Olivia aus den Federn geschafft hat." Ein leiser Applaus von Everett war zu hören. Ich könnte ihm den Hals umdrehen. Mein inneres Zen wiederentdeckt, sog ich scharf Luft ein und aß in Ruhe mein Frühstück zuende. Als auch die letzten Krümel des Buffets verspeist wurden, verabschiedete sich Gwen mit den Kindern.

„Ihr könnt die Kinder gerne wieder haben, wenn wir das nächste Mal ausgehen." Sagte sie.

Dad und ich standen nebeneinander in der Auffahrt und winkten zum Abschied. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte ich Dad, dass wir das ganz bestimmt nicht wieder tun werden. Es sei denn er wollte wieder als Klopapiermumie durch das Haus gejagt werden. Ich war jedenfalls nicht sonderlich scharf darauf.

Da es für meine Verhältnisse viel zu früh war und an Schlaf nicht mehr zu denken, beschloss ich das Haus auf Vordermann zu bringen. Während sich also mein Vater und Everett über irgendwelche Skizzen hermachten, wischte ich Staub und putzte den Boden. Etwas was ich schon seit einer langen Zeit nicht mehr getan hatte. Und ich merkte wie sehr es mir fehlte.

Zuhause, in New York hatten wir eine Haushälterin, die sich um diese Angelegenheiten sorgte. Henry sah es nicht gerne, wenn ich nur einen Finger an den Staubsauger legte. Und weil ich Diskussionen mit ihm vermeiden wollte, hielt ich mich an seine Regeln. Hier ging es zum Glück gediegener zu.

Im Allgemeinen betrachtet, ging es mir deutlich besser seitdem ich nicht mehr auf Henry einging. Heute machte ich mir nicht mal mehr die Mühe, auf seine Nachrichten zu reagieren. Auch Marianne hatte ein paar hinterlassen, aber die löschte ich instant. Henry war nichts mehr für mich. Sein Management würde das vermutlich, sogar sehr wahrscheinlich anders betrachten. Aber das konnte mir im Moment vollkommen egal sein. Für sie und auch für Henry, war ich nur etwas was man zu Veranstaltungen mitnehmen konnte. Ein hübsches Anhängsel, das man allen präsentierte.

Solange ich hier war, tauschte ich meine teuren Kleider gegen etwas Komfortableres. Shorts, T-Shirt und ein paar Turnschuhe. Die honigblonden Haare flocht ich zu an der Stirn entlang und kämmte mir den Rest nach hinten. Es war ungewohnt, mich wieder so zu sehen. Aber irgendwie gefiel ich mir so viel besser. Ich betrachtete gerade mein Spiegelbild, als ich hinter mir Everett erkannte. „Sieht gut aus, Ballkönigin."

Ich verstand nicht, wieso, aber sein Kompliment brachte mich zum Strahlen. Zufrieden zupfte ich noch ein paar lose Fäden von dem Shirt, als mir etwas einfiel. Da war etwas, dass ich mit ihm besprechen wollte. Draußen stehend, konnte ich aber nur noch einen Blick auf den davonfahrenden Wagen erhaschen. Verdammter Brooks.

„Nach wem halten wir Ausschau?" Ein erstickter laut kam über meine Lippen. Ich wirbelte herum um Everett lässig an der holzvertäfelten Wand zu sehen.

„W-was, warum bist du nicht in dem Auto? Ich hab dich doch fahren sehen", in meinen Worten verfangen beschloss ich einfach die Klappe zu halten.

„Das war Farren, sie hat Marcus abgeholt. Er wollte unbedingt in die Stadt. Hab sie nicht aufgehalten." Er drückte sich von der Wand und kam zu mir, seine Augen ruhten forschend auf mir. „Hast du mich etwa gesucht?"

„Möglicherweise", sagte ich leise.

„Dann raus mit der Sprache, Ballkönigin. Was haben wir für ein Problem, dass meiner Wenigkeit bedarf." Es erstaunlich wie hart seine Worte klangen, ich aber nichts von dieser Härte in seinem Gesicht erkennen konnte.

Als ich nicht sofort antwortete, spielte er an dem Saum seines Hemdes herum. „Am besten heute noch, ich werde nicht jünger."

„Ich finde, wir sollten uns wieder vertragen", Verdammt. Das war vollkommen überstürzt und unbedacht gewesen. Ich kniff die Augen zusammen. „Ich meinte, Farren und meiner Familie zuliebe sollten wir uns doch wenigstens neutral verhalten."

Er runzelte die Stirn. „Okay, okay. Halten wir also fest. Nur weil ich wieder mit dir rede, glaubst du ich hätte etwas für dich übrig. Und nur weil dein Leben gerade so superduper aufregend ist, meinst du ich sollte dir vergeben." Everetts angenehme Stimme wich einem scharfen Unterton. Er wusste was und wann er etwas zu sagen hatte, um seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen „Du hast mir das Gefühl gegeben, etwas zu sein. Und dann bist du einfach verschwunden."

„Es tut mir Leid", Tränen brannten in meinen Augen. Aber ich blinzelte sie weg. Mein Verhalten damals war nicht richtig gewesen. Und Everett so etwas anzutun war einfach nicht fair von mir. „Ich war grausam."

„Und wie du das warst." 

Out Loud - Wer immer du bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt