Kapitel 13

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Nachdem ich die ganze Fahrt über diesen Kuss nachgedacht hatte, verdüsterten sich meine Erinnerungen. Ich verstand nicht, warum sie mich eingeladen hatten. Rebecca war wirklich nett gewesen. So, wie sie sich mir gegenüber verhalten hatte, erinnerte sie mich nicht mehr an die hinterhältige Bitch von früher. Irgendwas konnte da nicht stimmen.

Robin gab immer wieder grunzende Geräusche vom Rücksitz. Ich konnte nur hoffen, dass er sich nicht in Dad Wagen übergab. Vor seinem Haus angekommen, hatte ich Mühe ihn aus dem Auto zu ziehen. Es war anstrengend einen Betrunkenen in seine Wohnung zu verfrachten. Nicht, weil er schwer war. Nein, Robin kicherte die ganze Zeit über und gab irgendwelche unverständlichen Sätze von sich. Ohje, war ich an meinem ersten Kneipenbesuch in Denning genauso gewesen, als mich Everett fand?

„Lass uns noch etwas durch die Häuser ziehen! Wie in den alten Zeiten." Stammelte er. Verdammt, er konnte nicht mal geradeaus laufen. In diesem Zustand würde ich nirgendwo mit ihm gehen. Als ich ihm das zu verstehen gab, fing er an wie ein kleines Kind zu schmollen.

„Ich lasse dich verflucht nochmal hier sitzen, wenn du deinen Arsch nicht ins Haus bewegst", ich klopfte seinen Körper ab, um an die Schlüssel ranzukommen. Robin bettete seinen Körper auf den kalten Asphalt. In Embryostellung, schlossen sich seine Augenlider. „Hey, du schläfst mir hier nicht ein!" Ich trat nach ihm, jedoch nicht so stark. Verletzen konnte es ihn nicht.

„Brauchen wir Hilfe?" Ich wirbelte herum und bereute es sogleich wieder. Wie kam es, dass wir uns ständig über den Weg liefen? Everett hatte das Autofenster runtergekurbelt und beobachtete meine kläglichen Versuche, Robins versoffenen Hintern ins Haus zu schaffen. Wie lange stand er schon hier?

Wiederwillig bestätigte ich seine Frage. Als er aus dem Auto stieg, erkannte ich eine Gestalt auf dem Beifahrersitz. Mir blieb nicht die Zeit darüber nachzudenken, da kam Everett schon auf uns zu. Er klopfte Robin ein paar Mal gegen die Schulter. Als dieser nicht reagierte, zog ihn Everett mit einem Ruck auf die Beine. „Schlüssel?" Wollte er nachdrücklich wissen. Mein betrunkener Kumpel hatte die Augen immer noch geschlossen. Mit genervtem Schnauben zog er mühsam die Schlüssel zu seiner Wohnung raus.

„Ich bring ihn rein, bleib du hier draußen." Somit verschwanden die beide im Flur der Wohnung, während ich draußen in der Kälte fror. Nun erregte die Gestalt in Everetts Auto, doch noch einmal meine Aufmerksamkeit. Mit verschränkten Armen ging ich auf das immer noch offene Autofenster zu, um einen Blick reinzuwerfen.

Die Person im Auto, sah mich offensichtlich kommen. Sie schaltete das kleine Licht im Inneren an. Rehbraune Augen funkelten mir entgegen „Hi! Kannst du Everett sagen, dass er sich beeilen soll. Ich muss morgen früh zur Arbeit." Die Frau zog gerade ihren Lippenstift nach. Selbst durch das gedämpfte Licht, erkannte ich, dass sie zu viel Makeup trug. Ich kannte sie nicht und sie mich vermutlich genauso wenig. Was eigentlich komisch war, da in Denning jeder jeden kannte. „Willst du auch?" Sie hob mir den Lippenstift hin, doch ich lehnte ab. "Sieht so aus als hättet ihr heute Nacht viel Spaß gehabt. Everett trinkt auch manchmal einen über den Durst, mach dir keine Sorgen." Wer war das?

„Robin und ich sind kein Paar", setzte ich die Frau in Kenntnis. Sie beugte sich über den Fahrersitz zu mir und musterte mich, was ich ihr gleich tat. Ihr tiefroter Lippenstift stand im starken Kontrast zu den beinahe genauso stark gefärbten Haaren.

„Achso ist das. Verstehe", sie leckte mit ihrer Zunge über die Zähne um Lippenstiftreste zu beseitigen. „Everett und ich sind auch kein Paar. Wir ficken nur ab und zu miteinander. Na endlich, da bist du wieder!" Sagte sie mit gespielter Ärgernis, als Everett hinter mir auftauchte.

„Ich habe ihn auf die Couch gelegt, da ist er sofort eingeschlafen. Müsste die die nächsten Tage einen ordentlichen Kater haben, aber er wird's überleben", antworte er auf meine ungestellte Frage. Er sah zwischen mir und der Frau hin und her. „Wie ich sehe, habt ihr euch bereits kennengelernt."

Die Rothaarige hatte ihre Hand aus dem Fenster gestreckt und drängte ihn ins Auto zu steigen. „Lass uns fahren. Du willst eine Lady doch nicht warten lassen."

„Eine Sekunde, Emily. Du siehst, dass ich mich gerade unterhalte." Genervt zog sie sich zurück. Moment, hatte er gerade Emily gesagt? Die Emily, die sein Wohnzimmer dekoriert hatte? Nun war ich vollkommen verwirrt. Die ganze Zeit über, hatte ich angenommen, dass Emily bloß für die Inneneinrichtung zuständig ist. Aber stattdessen saß sie hier vor mir, mit tiefroten Lippen und tiefem Ausschnitt, willig sich von Everett ficken zu lassen.

„Komm schon", rief sie erneut. Everett verdrehte die Augen. Ich hielt mich etwas abseits. Diese Offenbarung hatte irgendwas in mir ausgelöst. Mit verschränkten Armen, wartete ich darauf, dass Everett etwas sagte. Falls er das vorhatte. Würde er mich erneut anfangen zu triezen, wäre ich aber ganz schnell weg.

Andererseits, dass er überhaupt mit mir sprach grenzte an ein Wunder. Ich bedankte mich bei ihm. Ohne seine Hilfe, hätte Robin sicher auf der Straße geschlafen. Doch Everett zuckte bloß mit den Schultern. „Was doch nichts dabei. Ich helfe einem Freund in der Not." Das war eindeutig nicht auf mich bezogen. Ich musste mich fragen, ab welchem Zeitpunkt sich Robin und Everett als Freunde bezeichneten. Damals war er zwar immer auf seinen Houseparties, aber Freunde waren sie nicht.

Als die Rothaarige nicht locker lassen konnte, schnaubte Everett genervt aus und stieg in den Wagen. Ohne mich auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet.

Als ich nach Hause kam, zwitscherten die Vögel bereits. Entgegen meiner eigentlichen Strecke, fuhr ich die halbe Nacht ziellos in der Gegend herum. Mit geöffneten Fenstern, ließ ich die Nachtluft durch meine Haare wehen. In New York hätte ich nie meine Ruhe gehabt, mit dem ganzen Lärm und den Menschen. Hier hatte ich die Möglichkeit meine Gedanken schweifen zu lassen. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

Solange Dad schlief, schlich ich mich in die Küche und zog einen Eimer Eiscreme aus dem Tiefkühlfach. Die zusätzlichen Kalorien waren mir im Moment vollkommen egal. In eine luftige Decke eingekuschelt machte ich es mir im Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich. Bis in die frühen Morgenstunden sah ich mir mehrere Folgen meiner Lieblingsserie, Fuller House an.

Als ich einen großzügigen Löffel voller Eiscreme aus dem Eimer kratze, kam Dad gähnend zu mir. „Du bist aber früh wach. Wie war dein Treffen?" Er streckte die Arme hinter dem Kopf aus.

„Gut, gut", antwortete ich halbherzig. Es klang nicht sonderlich überzeugend, selbst ich zweifelte an meiner Aussage. Aber Dad ging nicht weiter darauf ein. Irgendwas murmelnd, machte er sich auf den Weg in die Küche. Ich redete mir ein, dass der Abend gestern gut verlief. Und bis zu einem bestimmt Punkt tat er das auch. Hätten mich Tobias und diese Emily nicht so überrannt, könnte ich sogar Spaß gehabt haben. 

Out Loud - Wer immer du bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt