Kapitel 16

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Ich überlegte genau, was ich als nächstes tun sollte. Der Ofen war auf die richtige Temperatur erhitzt, die Zwiebeln rösteten in der Pfanne und die Soße brodelte in einem separaten Topf daneben. Seit ich heute Morgen das Haus verließ, kam Dad nicht mehr aus seinem Büro.

In der Papiertüte kramend, zückte ich ein paar Tomaten und allerlei Zutaten. Da es mich nervte, nur Dosenfutter und Tiefkühlkost zu essen entschied ich mich für eine frisch gekochte Lasange. Sonst war ich nie eine hervorragende Köchin gewesen, aber Mutters altes Rezeptbuch half mir sehr dabei.

Als mein Vater, angelockt von dem herrlichen Duft, aus seinem Büro kam, war alles bereits gerichtet. Ich hatte das gute Porzellan auf dem Tisch drapiert und die Lasange mit Rosmarinzweigen garniert.

„Welcher Neuigkeit habe ich dieses Essen zu verdanken?"

„Ich wollte dir einfach einen Gefallen tun, nichts weiter", ich stelle einen dritten Teller an den Tisch, für den Fall das Everett wieder unangekündigt aufmarschierte. Irgendwie hoffte ich es auch ein bisschen. Es sei denn er verbrachte den Abend mit dieser Emily. Dann konnte er mir gestohlen bleiben.

Wir verbrachten den Abend wieder wie eine kleine Familie. Ich erzählte Dad von meinem Besuch in der Schule und wie ich den Kindern die Welt der Kunst etwas breiter offen legte. Und noch während ich so erzählte, hörte ich die Tür hinter uns ins Schloss fallen. Im Geiste machte ich mich schon auf eine verbale Attacke Everetts gefasst, als mich jemand umarmte. Fassungslos drehte ich den Kopf zur Seite.

„Ach, hab ich vergessen zu erwähnen. Ich passe auf die Kinder heute auf." Sagte Dad zwischen mehreren Bissen Lasange. Daniel und die Zwillinge umkreisten mich und zerrten liebevoll meinen Armen.

„Tante Liv, können wir einen Zeichentrickfilm schauen?"

Gwen schrie uns nur knapp entgegen, dass die Kinder gegen 10 Uhr schlafen müssen. Dann war sie durch die Tür wieder raus.

„Sie und John wollten deine Mutter zu irgendeinem Konzert in Charleston ausführen. Ich meinte, dass es kein Problem sei auf die drei Burschen aufzupassen." Dabei wuschelte er Corey durch die Lockenmähne. „Kommt setzt euch zu eurem Großvater. Soll euch eure Tante etwas Lasange auf die Teller legen."

Sofort war ich aufgesprungen und tauschte das wertvolle Porzellan gegen ein paar Pappteller, die ich in einer Schublade fand. Auf drei kleine Kinder aufzupassen könnte sich als schwieriger herausstellen, als es sich Dad vorstellte. Ich wusste es, da ich bereits an meinem zweiten Tag in Denning von diesen Monstern überfallen wurde.

Nachdem Essen waren die Zwillinge viel zu aufgedreht um sich in Ruhe einen Film anzusehen. Corey drehte sich die ganze Zeit um die eigene Achse, während er irgendwelche Hubschrauber-Geräusche von sich gab. Taylor lief lachend vor Dad davon, der ihn verzweifelt einzufangen versuchte. Daniel mochte ich am meisten. Er beteiligte sich nicht an den Ausschreitungen seiner Brüder, sondern blieb still und ruhig auf dem Sofa sitzen.

„Olivia! Ruf deine Schwester an. Wir haben die Lage nicht mehr unter Kontrolle." Rief Dad, als ihn Taylor mit Klopapier umwickelte und Corey ständig „Mumie", brüllte. Ich saß neben Daniel und schaute ein paar Zeichentrickfilme.

„Lass sie spielen, irgendwann werden sie schon müde."

Dad sollte merken, dass sein Vorschlag, auf die Kinder aufzupassen nicht gerade optimal war. Irgendwann erbarmte ich mich doch und half die Zwillinge in Zaum zu halten. Ich konnte die beiden zwar auch nicht wirklich bändigen, jedoch kam mir eine Idee. Ich rannte zu meiner Staffelei und nahm die Farbtuben aus dem kleinen Fach. Dann bat ich Dad darum ein altes Bettlaken zu holen und breitete dieses auf dem Wohnzimmerboden aus.

„So, wollt ihr eurer Mommy eine Freude bereiten?" Neugierige Kinderaugen strahlten mich an. Ich drückte den Kindern, Farbpinsel in die Hand und wies mit der Hand auf das Laken. „Malt was ihr wollt und so viel ihr wollt."

Gesagt, getan. Alle pinselten fleißig in ihrem Bereich herum. Auch Daniel und Dad beteiligten sich voller Tatendrang. Am Ende hatten wir auf eine 140 mal 80cm große Leinwand, voller mysteriöser Kreaturen und magischen Pflanzen gezaubert. Als es aber soweit war, das Kunstwerk zu signieren waren alle bereits so ausgepowert, dass mir die Ehre übrig blieb. Coreys und Taylors Augen waren bereits fest verschlossen, Daniel kämpfte noch gegen die Müdigkeit an. Und Dad setzte sich in seinen Sessel und atmete erleichtert aus, dass dieser Schrecken für ihn auch vorbei war.

„Das machst du wirklich gut, Liebes", meinte er, als ich gerade dabei war die Kinder zuzudecken. Ich zuckte bloß mit den Schultern. Mochte sein, dass ich es heute auf die Reihe bekommen hatte. Mir ist diese Idee auch bloß gekommen, weil ich sonst keine Verwendung für meine Farbe fand. Selber malte ich nicht mehr und bevor die Tuben austrockneten sollten doch die Kinder damit rumspielen. 

Ich versuchte sanft von der Couch aufzustehen, auf der die drei schliefen. Mein Versuch fiel aber schnell ins Wasser, da sich Daniel gemütlich an mich kuschelte. Nach ein paar weiteren Versuchen, sich vorsichtig von der Couch zu lösen, gab ich es leise seufzend auf. Ich müsste die Nacht in diese Position verharren, sonst lief ich Gefahr die Kinder aufzuwecken. Und so aufgedreht, wie diese waren, hatte ich keine Lust sie wieder auf Normal-Stand zu bringen. 

Nachdem aufwachen, würde ich furchtbare Rückenschmerzen haben, das war mir jedenfalls klar. Alles in allem, verlief der Tag ganz angenehm. Vielleicht war es doch nicht so schlecht, sich noch ein bisschen länger in Denning aufzuhalten. Die Erinnerungen an meine Vergangenheit, konnte ich nicht von mir lösen. Aber ich konnte mich ihnen immerhin stellen, so wie ich es in der Schule getan hatte. So wie ich es eigentlich die ganze Zeit über getan hatte, seit ich Denning betrat. Mit Daniel an mir gemurmelt und den Zwillingen an meinen Beinen, klappten mir irgendwann die Augenlider zu.

Out Loud - Wer immer du bistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt