Es ist kurz vor fünf, als ich zusammen mit Per vor der kleinen Bücherei stehe. Unter unseren Armen klemmen jeweils ein paar Leinwände. Ich spähe durch die Scheibe in den etwas dunklen Laden und spüre Pers Blick auf mir. „Komm schon, gestern hast du es sogar allein geschafft", motiviert er mich und ich will ihn gerade abweisend anmaulen, als ich seinen warmen Blick auffange. Deshalb seufze ich stattdessen nur und drücke dann mit dem Fuß die Tür auf, woraufhin wieder die kleine Glocke klingelt. Torge steht hinter dem Ladentisch und packt gerade ein Buch für den Kunden vor ihm ein. „Ach, Matteo. Geht einfach die Treppe hoch, du kennst ja den Weg", begrüßt er uns freundlich und lächelt. Ich nicke, trete hinter den Ladentisch und dann durch der Vorhang.
Lotta steht oben in der Galerie und macht sich irgendwelche Notizen in ein kleines Heft, als wir eintreten. Sofort schaut sie auf und lächelt warm. „Matteo! Schön, dass du da bist. Hast du einen Helfer zum Tragen mitgebracht?", erkundigt sie sich zwinkernd und legt das Heft beiseite. „Sozusagen", antworte ich und grinse kurz in Pers Richtung. Dieser verdreht die Augen und streckt Lotte seine Hand entgegen, nachdem er seine Leinwände vorsichtig abgestellt hat. „Ich bin Per, Matts Freund", stellt er sich vor. „Ah, schön, dich kennenzulernen", lacht Lotta leise und wendet ihren Blick zu den Stücken, die ich mitgebracht habe. „Na, dann wollen wir mal sehen."
In ihrem Blick verändert sich direkt etwas, als sie meine Werke eingehend betrachtet. Zuerst kann ich es nicht so richtig definieren, doch dann meine ich Interesse und Begeisterung in ihrem Gesicht lesen zu können. Vertieft dreht sie die ein oder andere Leinwand im Licht hin und her, ehe sie sich wieder zu uns dreht. „Die sind sehr faszinierend, ich bin echt begeistert", lächelt sie mich an und ich hebe vorsichtig meine Mundwinkel. „Oh?" „Ja, wie du mit den Farben und Kontrasten arbeitest, ist einfach wirklich große Klasse. Und ich finde, deine Werke passen auch gut zum Rest, was meinst du?" Ich blinzel etwas überfordert. Mit so einer positiven Reaktion habe ich nicht gerechnet. „Denk ich auch", erklingt jetzt Pers Stimme und Lotta wirft ihm ein Lächeln zu. „Ja", bringe ich schnell zustimmend hervor. „Super. Also, ich würde mich freuen, wenn deine Werke dabei wären. Was meinst du?"
Zehn Minuten später stehen wir wieder unten im Laden, weil Per unbedingt noch herausfinden will, ob Torge jemanden von einem Verlag kennt. Glücklicherweise ist gerade kein Kunde da, sodass wir Lottas Zwillingsbruder nicht aus einem Gespräch reißen müssen. „Hi, na, hat alles geklappt?" Ich lächel glücklich und nicke. Per wirft erst Torge, dann mir einen Blick zu und legt daraufhin seinen Arm um meine Hüfte. „Matt wollte noch was fragen", stupst er mich dann an und ich beiße mir kurz auf die Lippen. „Ja, genau, also, kennst du dich zufällig aus, wie man ein Buch bei einem Verlag einschickt? Beziehungsweise kennst du da irgendwie jemanden?" „Oh, schreibst du auch?", erkundigt er sich und lehnt sich lächelnd auf den Tresen. Kann es irgendwie sein, dass diese Zwillinge bei wirklich jeder Gelegenheit lächeln?
„Ja, ziemlich viel", beantwortet Per seine Frage, da ich irgendwie nicht reagiert habe. „Das ist toll. Und ich kenn da tatsächlich jemanden, ich schreib dir mal die Email auf, Moment..." Torge holt sein Handy aus der Hosentasche, tippt ein paar Mal und kritzelt dann etwas auf einen kleinen Zettel, den er mir nun reicht. „Danke. Und dem schreib ich dann einfach mal...?", harke ich etwas unsicher nach. „Ja, genau. Ich werd ihm nachher schon mal anrufen und von dir erzählen, damit er sich nicht wundert, wenn du ihm die Tage mal schreibst", verspricht der Büchereibesitzer und lächelt mich schon wieder an. „Okay... dankeschön", gebe ich zurück und versuche, zurückzulächeln. „Gern. Dann kommt mal gut nach Hause, wir sehen uns bestimmt demnächst wegen der Bilder wieder", glaub er und Per zieht an meiner Hüfte. Ich winke Torge kurz zu und verlasse dann mit meinem Freund den Laden.
„Du bist so unfassbar anstrengend, wenn du eifersüchtig bist", grunze ich, als wir wieder den Weg nach Hause einschlagen. „Der wollte doch jetzt wirklich nichts von mir!" Pers Griff um meine Hüfte wird fester und wenn er mich noch näher an sich zieht, stolpere ich über seine Füße. „Das weiß man nie!", erwidert er und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Wenn er so süß ist, kann ich ihm natürlich nicht lange böse sein. Deshalb verdrehe ich nur die Augen und lege ihm ebenfalls einen Arm um die Schultern, was ihm zu Strahlen bringt. „Ich liebe dich, Matt", flüstert er mir ins Ohr und wäre fast gegen eine Straßenlaterne gelaufen, hätte ich ihn nicht rechtzeitig zur Seite gezogen. „Pass lieber auf, wo du hingehst, anstatt dich hier so einzuschleimen."
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Waldgeflüster
Short StoryMatt hasst Menschen. Per trifft durch Zufall auf ihn. Eine Kurzgeschichte (mit unterschiedlich langen Kapiteln). Die Rechte liegen allein bei mir!