𝐂𝐇𝐀𝐏𝐓𝐄𝐑 𝐓𝐇𝐈𝐑𝐓𝐄𝐄𝐍

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»Ist was passiert?«

»Ich hatte einen Albtraum. Ich war ganz alleine im Wald. Vater war weg, Mutter war weg. Und du und Jon, ihr wart auch plötzlich verschwunden.
Und plötzlich waren meine Hände rot. Als klebte Blut an ihnen ... «

»Es war nur ein Traum.«

»Kann ich bei dir schlafen?«

»Komm, kleine Schwester! Ich beschütze dich.«

»Robb?«

»Ja?«

»Uns wird nie etwas trennen können, richtig?«

»Richtig.«

»Versprich es mir.«

»Ich verspreche dir, dass nichts und niemand die Macht dazu haben wird, uns voneinander zu trennen oder unsere Familie zu zerstören. Denn das Rudel überlebt.«

Das Rudel überlebt.

Rudel überlebt.

Überlebt.

Ich rang nach Luft, als ich meine Augen schlagartig öffnete und die schon lang vergangene Erinnerung wieder vor mir verblasste.
»Robb!« keuchte ich auf.
Ich spürte, wie jemand seine Hand auf meine Stirn legte und wollte den Kopf heben, als ein schmerzhaftes Stechen durch meinen Hinterkopf raste.
Erschöpft ließ ich ihn wieder sinken.
Langsam erinnerte ich mich an das, was passiert war, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte.

Ich war bei den Zwillingen gewesen und hatte Robb und Mutter gesehen. Walder Frey hatte das Gastrecht missachtet und meine Familie hinterrücks verraten.
Ich hatte gesehen, wie man Robbs Frau und sein ungeborenes Kind brutal erstochen hatte.
Und auch, wenn ich den Rest nicht mitbekommen hatte, war ich mir sicher, dass alle getötet wurden.
Bis auf Onkel Edmure vielleicht.
Aber der wurde trotzdem sicherlich nicht mit Samthandschuhen behandelt.

Dann hatte ich Arya vor dem Tor gesehen und wollte verhindern, dass sie das Massaker zu Gesicht bekam. Dass mir ausgerechnet der Bluthund, Joffreys Leibgarde, dafür zu Hilfe kam, hätte ich seit der Sache mit Mycah auch nicht mehr gedacht.

Als ich losreiten wollte, war da so ein seltsamer Schmerz in meiner Brust.
Instinktiv hob ich die Hand zu jener Stelle.

An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern.

»Trink. Das wird Dir guttun.« vernahm ich plötzlich eine ruhige Stimme hinter mir und als ich mich langsam aufsetzte und umdrehte, sah ich in das Gesicht einer Frau in rotem Gewand.

Rote Frau? Da war doch was ...

»Wer seid Ihr?« fragte ich, nachdem ich den Becher entgegennahm und kurz daran roch.

»Ich bin mir sicher, Du wurdest auf Deinem Weg bereits vor mir gewarnt. Die Menschen nennen mich ‚Die rote Priesterin' oder ‚Die rote Hexe'. Dabei diene ich einem Gott. Ich heiße Melisandre.«

Ich musste schlucken. Theodore hatte gesagt, ich solle mich vor einer Frau in rotem Gewand fernhalten.
Aber sie hatte mich offensichtlich gerettet.

»Ich danke Euch, dass Ihr mir geholfen habt. Ich bin Al... Sarya Castellan.«

»Ich weiß, wer Du bist.« Melisandre lächelte. »Ich weiß, wer Du bist

Ich runzelte kurz die Stirn, ging aber nicht weiter darauf ein und trank stattdessen den Trunk aus.

»Ich muss nach Braavos. Dort erwartet man mich.«

Die rote Frau nickte. »Komm mit mir.«

Ich band mir den Gürtel mit Löwentöter und meinem Bogen um die Hüfte und schulterte den Köcher mit den wenigen Pfeilen, die noch übrig waren.
Bevor ich der geheimnisvollen Frau folgte, blieb ich kurz auf der Lichtung stehen und pfiff durch zwei Finger.
Vielleicht war Nero in der Nähe.
Aber er war wiederum ein freier Wolf, der kommen und gehen durfte, wann er wollte.
In Braavos würde es wahrscheinlich eh zu gefährlich für einen Schattenwolf aus dem Norden sein. Vielleicht fand er ja einen Weg zur Mauer, zu Jon und Geist.

Ich sah noch einmal zurück und konnte durch die Baumwipfel die Zwillinge erahnen.
»Der Winter naht, für Haus Frey.« murmelte ich leise zu mir selbst.


Ich sah zu Melisandre, die mit einem Mann sprach und ihm eine Münze reichte. Als sie die Worte »Valar Morghulis« sprach, durchzuckte es mich.

Der Mann verbeugte sich vor Melisandre und blickte dann zu mir. Er zeigte auf seinen Karren und die „rote Priesterin" legte mir sanft eine Hand an die Wange.
  »Wir werden uns wiedersehen. Bis dahin wirst du viel gelernt haben. Du wirst auch dafür sorgen, dass manche Herzen nicht mehr schlagen werden.«

Sie drehte sich um und ging langsam in den Wald hinein.
Der Mann mit dem Karren hielt mir eine Hand hin und ich stieg auf. Als wir uns von der Lichtung entfernten, sah ich Melisandre noch länger hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen war und von den dichten Wipfeln der Bäume verdeckt wurde.

Ich tastete nach Löwentöter an meinem Gürtel und atmete tief ein.
Wo Arya und der Bluthund jetzt wohl waren?
Hoffentlich hatte sie Robbs Leiche nicht gesehen. Es war schlimm genug, dass sie an diesem furchtbaren Ort gewesen war und ich noch nicht einmal die Kraft gehabt hatte, auf mich aufmerksam zu machen.

Ich spürte eine kalte Träne meine Wange hinunterrollen und wischte sie hastig mit dem Handrücken weg.
Das Schicksal meiner Familie lastete auf meinen Schultern. Aber ich wollte nicht darüber philosophieren, was gewesen wäre, wenn wir nicht nach Königsmund gereist wären.

Ich würde die Tode rächen.

Das schwor ich mir.

Das Haus Stark kann nicht so leicht klein gemacht werden.
Denn das Rudel überlebt.

Alayna Stark | 𝐠𝐚𝐦𝐞 𝐨𝐟 𝐭𝐡𝐫𝐨𝐧𝐞𝐬.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt