Kapitel 5

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Shinichis POV:

Wie konnte es sein, dass ich innerhalb so kurzer Zeit ein zweites Mal in dieser Form auf denjenigen traf, der sich des nachts als Meisterdieb betitelte? Es erschien mir ziemlich merkwürdig, dass es wirklich Zufälle sein sollten, die den Dieb und mich zusammenführten, waren wir uns doch zuvor nie wirklich über den Weg gelaufen. Und doch spürte ich, dass ich mich mehr und mehr daran gewöhnte, ich vertraute ihm auf eine gewisse Weise.

War dies auch der Grund gewesen, warum ich ihm so einfach etwas von dem Mordfall, in welchen ich momentan involviert war, erzählt hatte? In seiner Nähe schien ich ohne großartig nachzudenken einfach meine Gedanken zu äußern. Einerseits war dies befreiend, andererseits wollte ich aber nicht, dass er in einen solchen Fall verstrickt wurde. Wer weiß, was dabei noch heraus kommen würde, ein weiteres Opfer wollte ich tunlichst vermeiden.

Er war einfach viel zu leichtsinnig. Auch sein Auftreten am Tatort war viel zu auffällig gewesen, was wäre geschehen, wenn er wirklich erkannt worden wäre? Es war ja nicht so, dass ich mir Sorgen um ihn machen würde. Er würde schon wissen, was er tat. Und wenn sich die Möglichkeit bot, musste auch ich meiner Pflicht als Detektiv nachkommen und ihn hinter Gitter bringen. Und dennoch... Wie sollte ich einen einfachen Oberschüler als Kaito KID festnehmen?

Der Dieb pfiff einmal kurz, sodass die Tauben, welche er zuvor herbeigezaubert hatte, sich von mir lösten und sich nun glücklich gurrend auf seinen Schultern niederließen. Er schien sie wirklich gut trainiert zu haben, sie gehorchten ihm ohne zu zögern.

Es war mir zuvor bereits aufgefallen, aber so wie er nun vor mir stand, wirkte er in der Tat nicht wie der Phantomdieb. Auch er mochte ein Zauberer sein, doch war die Art und Weise wie er sie zum Vorschein brachte eine ganz andere. Es war wirklich bewundernswert. Für mich fühlten sich diese Begegnungen natürlich an, sie waren ganz anders als unsere Aufeinandertreffen bei einem seiner Diebstähle.

KID, der meinen Blick bemerkt haben musste, schmunzelte leicht. „Du neigst dazu, Menschen anzustarren, wenn du dich in deinen Gedanken verlierst."

Etwas irritiert stutzte ich. Mir war schon wieder nicht aufgefallen, dass ich ihn allem Anschein nach angestarrt hatte. Bereits im Café war mir dies passiert, es war, als wenn er meinen Blick magisch anziehen würde. Vielleicht war dies aber ebenfalls ein Trick, den man als Zauberer beherrschen musste, um von anderen Dingen ablenken zu können. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er dies auch unbewusst einsetzte, die Zauberei schien ihm in Fleisch und Blut übergegangen zu sein.

Ich räusperte mich, ich fühlte mich seltsam ertappt. „Du bist der Erste, der mir das sagt. Ich werde zukünftig besser darauf achten."

Mein Gegenüber kicherte leise, was die Tauben dazu veranlasste, etwas lauter zu gurren. „Ist ja gut, ist ja gut", versuchte er sie zu beruhigen und streichelte sie liebevoll am Kopf, dabei umspielte ein warmes Lächeln seine Lippen. Er musste sie wirklich gern haben, diese Tauben.

Erneut schossen mir unzählig viele Fragen durch den Kopf. Ich wusste, dass es meine Aufgabe als Detektiv war, die Antworten auf diese Fragen zu finden. Doch diese eine Frage war ausgesprochen, bevor ich genauer darüber nachdenken konnte.

„Ist das dein wirkliches Ich?" Eigentlich wollte ich diese Gedanken nicht laut äußern, sie kamen einfach so aus mir heraus geplatzt. Sie brannte mir schon seit unserer gestrigen Begegnung auf der Zunge. War diese Person, wie er mit mir interagierte, wirklich das wahre Selbst hinter KID? Ich konnte mir gut vorstellen, dass auch dies einfach eine Rolle war, in die er gerade schlüpfte. Und doch konnte dieser liebevolle Blick auf die Tauben unmöglich Schauspielerei sein.

Etwas überrascht sah er mich an, scheinbar hatte er mit einer solchen Frage nicht gerechnet. Sein warmes Lächeln verschwand, an dessen Stelle trat nun wieder sein übliches Pokerface, es war mir nicht möglich, es zu durchschauen. Er trug es wie eine eiserne Maske. Was versuchte er dahinter zu verbergen?

Geschätzte ZweisamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt