4. Ein gefallener Held

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Lydia ritt nicht zum ersten Mal den zugewachsenen Weg entlang. Nur musste sie sich zum ersten Mal nicht einen Weg bahnen. Irgendwer war bereits hier entlang gekommen. Die Sonne stand bereits weit über dem Horizont, aber immer noch nicht im Zenit, doch waren die Temperatur beinahe unerträglich. Ihre aschblonden Haare klebten bereits an ihrer glänzenden Haut und ihre dünne Bluse, wie auch der enge Mieder betonten ihre starke Oberkörperwölbung. Außerdem hatte sie eine, eher für Männer üblich, kurz geschnittene Hose aus Leder an, die ihre sehnigen Beine zur Schau stellte. Vom blonden Ansatz ihrer Haare floß eine einzelne Schweißperle von der kleinen Stirn, zwischen zwei blauen Augen mit dunklen Brauen und einer etwas größeren Nase mit Sommersprossen, zu ihrem langem Hals. Mit einer etwas größeren Hand, als für eine Frau üblich, wischte sie sich mit einem dünnen Stofftuch über den Hals.

Als sie sich morgens in Dras-Leona bereit machte, war es noch finster. Doch der neue Stadteil, der nach dem großen Krieg wieder aufgebaut worden war, lebte bereits. Ihr Vater, ein großer starker Maurer, hatte den Auftrag, als Baumeister, die Mauer neu zu errichten.
Jeden Tag, an dem er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte und ihr einen schönen Tag wünschte, war sie stolz auf ihren Vater. Auch, sagte er immer:" Du musst leben Kind und nicht überleben! Jeden Tag sollst du genießen, aber dein Leben muss etwas erfüllen, entweder du bringst neues Leben oder schützt leben."
Auch heute sagte er es wieder, doch diesmal fügte er hinzu:" Besuch ihn einmal wieder, ihm hast du dein Leben zu verdanken." Daraufhin zog sie los, denn Lydia war niemand der sich von einer Schuld los sagen würde.

Als die Sonne direkt über ihr stand konnte Lydia denn Helgrind bereits nicht mehr sehen. Sie war sehr schnell voran gekommen. Ihre Stute, ein sehr kräftiges Pferd, schritt leicht über die Erde und sie bemerkte, das der Trampelpfad zu der üblichen Straße führte. Ihr Pferd ging ohne ihr zutun die Straße entlang, daher beobachtet Lydia ihre Umgebung. So entgingen ihr die vielen frischen Pferdespuren nicht, was nichts ungewöhnlich war, bei den vielen Händlern, die diese Route nahmen. Und doch kam ihr etwas komisch vor.
Lydia sah eine halbe Stunde später ihr Ziel, eine kleine Hügelreihe und daher trieb sie ihr Tier etwas mehr an. Sie war seit langem nicht mehr hier gewesen, jedoch war der Ort immer noch der Selbe. Bei einer sehr großen Eiche verließ sie die Straße wieder und ging direkt auf einen Hügel zu. Hier waren auch keine Spuren mehr zu sehen, was Lydia aufatmen ließ, denn irgendwas kam ihr an den Spuren komisch vor.
Als sie am Fuß des Sandsteinhügels stand, betrat sie eine kleine Höhle, die sie nutzte, um ein wenig Schatten zu suchen und etwas zu essen, wie auch zu trinken. Ihr Pferd graste unter einer Fichte, im Schatten. Nach kurzer Zeit machte sie sich wieder auf den Weg, jetzt war nur noch der Weg auf den Hügel übrig. Ihre Beine waren nicht sehr durchtrainiert, doch sie ließ nicht locker und bestieg, ohne Pause, denn Hügel aus Sandstein. Als sie schließlich oben ankam, holte sie erstmal tief Luft. Sie war dankbar dafür hier zu sein und einfach in die Ferne zu schauen.
Die Vögel kreisten am Himmel und der Wald erstreckte sich Kilometer weit. Alles roch nach Sommer und eine leichte Prise trug die Schwüle hinfort. Die Sonne verschwand hin und wieder hinter ein paar Wolken. In der Ferne lenkte ein Kaufmann seinen Karren, um eine Senkung im Handelsweg. Lydia entspannte sich und sie überkamen plötzlich die Erinnerungen an vor über 20 Jahren.

Der morgen war damals immer gleich, die Bäcker feuerten die Öfen an und die Stadtwache wurde von der Nächsten abgelöst. Die letzten Säufer, die auf ihrem Weg nach Hause, eingeschlafen waren, setzten ihren Weg fort. Die Händler öffneten ihre Türen und warteten auf Reisende die ihren Bestand prüften, ob sie etwas bräuchten.
Jeder erwachte in seinem Tempo und brachte etwas zum allgemeinen Lärm dazu. Selbst die kleine Lydia die gerade ihr sechstes Lebensjahr abgeschlossen hatte, rannte lachend und kreischend hinter einer orange farbenen Katze mit weißen Streifen her, welche mit ihren großen Tatzen immer knapp Lydias kleinen Händen entkam. Im Normalfall wäre jede Katze geflüchtet, aber diese Katze schien selbst gefallen daran zu finden. Lydia hatte immer irgendwann keine Lust mehr, dann setzte sie sich hin und betrachtete die Katze mit großen Augen. Die Katze kam dann immer zu Lydia und legte sich neben sie, beide waren ungefähr gleich groß. Mit ihren kleinen Fingerchen Strich Lydia ihr durchs weiche Fell. Daraufhin schnurte die Katze aus voller Kehle. Manchmal dachte Lydia die Katze könnte genauso denken wie sie, sie war beinahe überzeugt daß es so war. So verging die ersten Morgenstunden.
Lydia bemerkte die berittene Einheit des Imperium erst spät und sie kamen in hohen Tempo auf sie zu. Lydia war vor Angst erstart, sie konnte sich nicht mehr bewegen und sie hörte ihre Mutter schreien. Plötzlich packte sie eine große Hand am Genick und riss sie im letzten Moment von der Straße. Im Schreck fing Lydia an zu weinen und bemerkte die freundliche Frage des Mannes erst gar nicht. Erst als sich die Katze an Lydia rieb, beruhigte sie sich soweit, dass sie wieder etwas verstehen konnte. Ein großer Mann, mit einer Hackennase, blickte sie mit einem liebevollen Blick an und fragte sie mit einer rauen Stimme:" Alles in Ordnung Mädchen? Hast du etwas abbekommen?" Lydia schüttelte den Kopf, sie war nicht in der Lage etwas zu sagen, dazu war ihr Schreck zu groß. Der Mann schob sie in Richtung der großen Katze und hielt einen Augenblick inne, während er er zur Katze starrte und sie zu ihm. Es war wie ein Gespräch, nur mit Blicken und dann schob die Katze Lydia sacht vor sich her, bis ihre Mutter sie auf den Arm nahm. Die Katze blieb die ganze Zeit über an der Seite von Lydia.
Ein paar Stunden vergingen und Lydia spielte wieder allein, doch die Katze ließ sie keinen Moment aus den Augen.
Mit einem mal begann die Glocken der Kathedrale zu läuten und alle Menschen wie aufgeschreckt herum zulaufen. Ein junger Mann rannte mit großen Schritten in ihre Richtung und sprang einfach über sie hinweg. Die Katze richtete sich zur ihrer vollen Größe auf und packte Lydia am Stoff in ihrem Nacken. Sie trug sie ins Haus und legte sich vor Lydia, welche keine Chance hatte an ihr vorbei zu kommen.
An diesem Tag kamen einige Menschen ums Leben, weil sie einfach von den Soldaten umgeritten wurden, was Lydia erspart blieb. Dieser Mann hatte bestimmt einen großen Teil dazu beigetragen. Auch die Katze, die heute noch Lydia oft begleitet, rettete ihr das Leben.

Sie wachte aus ihrem Wachtraum auf und vertrieb mit Hilfe der Sonne die Erinnerungen. Sie schaute noch einmal nach dem Händler, welcher bereits verschwunden war. Lydia wunderte sich ein wenig, denn üblicherweise ritten Händler nicht so schnell, um ihre Waren nicht zu beschädigen. Sie dachte sich jedoch nichts weiter und wendete sich dem Grab zu.
Sie kam ihm langsam näher und ihr kam das Gefühl, es stimme etwas nicht. Da sah sie es, im massiven Kristall war niemand mehr. Die Inschrift "Hier ruht Brom, der ein Reiter war. Verbunden mit dem Drachen Saphira. Sohn von Holkomp und Nelda. Geliebter von Selena. Vater von Eragon. Gründer der Varden. Fluch der Abtrünnigen. Möge sein Name Ruhmreich weiterleben. Stütja uninnen Morranner." war unverändert. Brom war verschwunden und ohne eine Spur zu hinterlassen im Kristall, nur sein Stab war zu sehen.
Lydia war schockiert, sie wußte nicht was sie tun sollte. Sie drehte sich um und wollte losrennen, doch wurde sie an beiden Armen gepackt. Ein großer, mit Narben übersäter Mann, hielt sie in einem Eisernen griff. Sie hatte keine Chance sich zu widersetzen und es tauchten weitere Gestalten auf. In den lüsternen blicke erkannte Lydia die Absichten der Männer und was ihr blühen würde. Mit vielleicht einem oder auch zwei hätte sie es geschafft sich zu Wehr zu setzen, es wahren jedoch über 20 bewaffnete Männer. Jetzt grinste der Mann der sie festhielt und hob sie an einem Arm in die Luft, Lydia schrie vor Schmerzen in ihrem Arm und versuchte den Schmerz zu mindern, in dem sie mit der anderen Hand sich an Seiner festhielt. Mit der anderen Hand packte der Mann ihre Bluse und riss sie mühelos von Lydias Körper. Lydia flüchtete nun und schlug dabei, die Schmerzen vergessend, mit ihrer Hand in das Gesicht ihres Peinigers. Dieser hatte nun einen langen blutigen Kratzer im Gesicht. Ohne sich dafür zu interessieren wollte er nun ihren Mieder von der Haut reißen. Doch sie rief ein Wort, viel zu schrill um es zu verstehen und der Mann spuckte Blut. Im nächsten Moment ließ er sie los und kippte nach hinten. Die Männer schrien auf und einer rief: " Du Schlampe wirst noch von jedem von uns genommen, bist du krepierst!" Lydia könnte mit ihrer Kraft vielleicht noch einen töten, bevor sie keine Kraft mehr hätte. Ihr viel keine Möglichkeit ein um vor so vielen Männer zu flüchten. Sie wollte bereits aufgeben und sich ihrem Schicksal fügen.
Ein kurzen Augenblick passierte nichts und alle standen wie angewurzelt da. Ein Vogel schrie auf und die Männer gingen auf Lydia los. Sie konnte sich nicht rühren, ihre Beine gaben nach und sie sank zu Boden. In diesem Moment zischte etwas über ihren Kopf hinweg und durchbohrte den Schädel zweier Männer, welche Lydia fast erreicht hatten. Es war totenstil und alle schauten nach dem Angreifer, doch sie sahen niemanden und nahmen daher an, Lydia habe ihre Kräfte genutzt und sei nun am Ende. Was sie jedoch vom Gegenteil überzeugte, waren die Männer, die sich wieder Lydia näherten, denn diese fingen sogleich an zu brennen. Drei weitere schrien einfach nur Minuten lang, bis ihre Stimmen versagten.
Lydia schaute zu, wie die Männer immer weniger wurden, bis eine Handvoll das Weite suchte. Ihr war nicht klar, was passiert war. Wenn jemand Magie bewirkt hatte, musste er irgendwo zu sehen sein und doch sah sie niemanden. Was sie bemerkte war, dass Broms Stab verschwunden war und sich die Inschrift im Stein verändert hatte:" Hier ruhte Brom,...".

Eragon Vergangenheit, Gegenwart und ZukunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt